Anmerkungen zu OGH 30. 1. 2014, 12 Os 117/12s (12 Os 118/12p), "Libro"
Der vorliegende Beitrag untersucht die Frage, ob bei einer vom Alleinaktionär konsentierten Gewinnausschüttung eine Untreuestrafbarkeit vorstellbar ist. Der OGH hat diese Frage im Fall "Libro" bejaht, die Autoren erachten infolge der strafrechtsrelevanten Eigentümerzustimmung eine Untreuestrafbarkeit für ausgeschlossen.
In der Rs "Libro" hatte der OGH über die Frage zu befinden, ob eine Gewinnausschüttung auf Grundlage eines vom Vorstand wissentlich unrichtig erstellten Jahresabschlusses - ungeachtet einer diesbezüglichen Gesellschafterzustimmung (nämlich eines entsprechenden Gewinnverwendungsbeschlusses der Hauptversammlung) - den Straftatbestand der Untreue (§ 153 StGB) zu begründen vermag. Das Erstgericht hat diese Frage bejaht, die Generalprokuratur hat sie in ihrem diesbezüglichen Croquis verneint und der OGH hat - im Anschluss an die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts - eine Untreuestrafbarkeit befürwortet und in diesem Zusammenhang ausgesprochen, dass sich die AG von der GmbH durch ihre körperschaftliche Struktur unterscheide und "die Anerkennung einer strafrechtlich zulässigen Dispositionsbefugnis der Gesellschafter über das Vermögen der Aktiengesellschaft deren körperschaftliche Struktur konterkarieren würde". Mit dieser - zu seiner eigenen Vorjudikatur betreffend die (recte gesehen gleichfalls körperschaftlich strukturierte) GmbH in einem Spannungsverhältnis stehenden - Sicht hat der OGH in der "Legal Community" von Gesellschafts- und Strafrecht für Überraschung, aber auch für Verunsicherung gesorgt. Die nähere Betrachtung zeigt, dass die in der Libro-Entscheidung im Ergebnis vorgenommene Gleichschaltung von gesellschaftsrechtlicher Kapitalerhaltung und Untreuestrafbarkeit dem Schutzzweck des - auf Vermeidung von Machtgeber-, nicht von Gläubigerschädigungen abzielenden - Untreuetatbestands zuwiderläuft. Dazu im Nachfolgenden.
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