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AG: Stimmrechtsausschluss bei Entlastung von Organen

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

AktG § 125

Der erkennende Senat folgt der Ansicht der jüngeren Rsp, wonach ein Stimmverbot nicht erst bei „Wesensgleichheit“ des Aktionärs mit dem Organmitglied eintritt (so 2 Ob 789/52), sondern schon dann, wenn eine von der Interessenkollision ungetrübte Stimmabgabe nicht zu erwarten ist (6 Ob 28/08y, LN Rechtsnews 5630 vom 26. 8. 2008 = RdW 2008/594).

Im vorliegenden Fall (Privatstiftungen als Aktionäre) wurde daher der Stimmrechtsausschluss einer Privatstiftung bejaht, weil den zu entlastenden Organen der AG hinsichtlich dieser Privatstiftung viele und umfassende Rechte bzw Einflussmöglichkeiten zukamen (Widerrufsrecht, uneingeschränktes Änderungsrecht, Recht auf Bestellung und Abberufung [aus wichtigem Grund] von Vorstandsmitgliedern, Rechte als Familienrat).

OGH 31. 7. 2015, 6 Ob 196/14p

Entscheidung

Im vorliegenden Fall haben sich die Erststifter in den Stiftungsurkunden „ihrer“ Privatstiftungen so viele und umfassende Rechte bzw Einflussmöglichkeiten vorbehalten (Widerrufsrecht, uneingeschränktes Änderungsrecht, Recht auf Bestellung und Abberufung [aus wichtigem Grund] von Vorstandsmitgliedern, Rechte als Familienrat), dass nach der Rsp und den weit überwiegenden Lehrmeinungen zu den verschiedenen Beherrschungstatbeständen in den verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen von einem beherrschenden Einfluss der Erststifter auf „ihre“ Privatstiftung auszugehen ist.

Außerdem waren die Erststifter als Aufsichtsräte einer AG tätig, an der ua auch „ihre“ Privatstiftungen als Aktionäre beteiligt waren. Bei einer ordentliche Hauptversammlung, an der alle Aktionäre teilnahmen, wurde (ua) den Erststiftern als Aufsichtsratsmitgliedern gegen die Stimmen der übrigen Aktionäre mit einer Mehrheit von rund 63 % die Entlastung für das Geschäftsjahr 2010 erteilt. Mit der vorliegenden Klage sollte diese Entlastung für unwirksam erklärt werden.

Im Hinblick auf den beherrschenden Einfluss der Erststifter auf einige Aktionäre, nämlich „ihre“ Privatstiftungen, hält es der OGH für geboten, das Stimmverbot der Erststifter in ihrer Eigenschaft als Aufsichtsratsmitglieder der AG auf die jeweilige Familienstiftung durchschlagen zu lassen.

Dem Umstand, dass ihr Recht auf Abberufung von Mitgliedern des Stiftungsvorstands auf wichtige Gründe beschränkt ist, schließt nach Ansicht des OGH den beherrschenden Einfluss nicht aus: Denn selbst wenn bei einer Abberufung aus wichtigem Grund zweifelhaft sein sollte, ob ein solcher wichtiger Grund tatsächlich vorliegt, werden sich die abberufenen Vorstandsmitglieder weiterer Vertretungshandlungen zur Vermeidung von Unstimmigkeiten mit den Erststiftern enthalten.

Im Hinblick auf die umfassend den Erststiftern vorbehaltenen Rechte in der jeweiligen Familienstiftung erübrigte sich im vorliegenden Fall auch eine nähere Analyse, ob und gegebenenfalls bei welchen weniger vorbehaltenen Rechten das Stimmverbot auf die Privatstiftung durchschlägt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20114 vom 27.08.2015