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Aktienzertifikate - Veröffentlichungspflichten

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

BörseG: § 48a, § 48d

BörseG idF vor BGBl I 2015/98: § 81a

Aktienzertifikate sind schuldrechtliche Instrumente, die Aktien vertreten; sie stellen deren Handelbarkeit sicher und gewähren den Zertifikatsinhabern die gesellschaftsrechtliche Rechtsstellung.

§ 48a BörseG definiert für Zwecke der §§ 48a bis 48r insb die Begriffe Insiderinformation, Marktmanipulation und Finanzinstrumente, nicht aber den Begriff Emittent. Der Gesetzgeber unterscheidet aber klar zwischen den Verpflichtungen des Emittenten der Aktien (§§ 81a ff BörseG) und jenes der Zertifikate (vgl § 66a BörseG) und will den Emittenten der Zertifikate nur für die Einhaltung der eigenen Verpflichtungen einstehen lassen. Den Emittenten der Aktienzertifikate treffen daher auch nur bei ihn betreffenden Insiderinformationen iSd § 48a Abs 1 Z 1 BörseG die daraus aus § 48d Abs 1 BörseG abzuleitenden Veröffentlichungsverpflichtungen.

Die Regelung, dass jener Rechtsträger informationspflichtig ist, der die den Zertifikaten zugrundeliegenden Aktien emittiert hat (§§ 81a ff BörseG), ist darin begründet, dass die Zertifikate regelmäßig bloß die nicht handelbaren Wertpapiere (Aktien) des Emittenten handelbar gestalten sollen. Der Anleger soll dennoch weiterhin Informationen über den Emittenten erhalten. So ist sichergestellt, dass der Markt für die Preisbildung relevante Informationen über den Emittenten der Aktien aus dessen Sphäre anlassbezogen erhält.

OGH 23. 10. 2015, 6 Ob 56/15a

Hinweis:

Im vorliegenden Fall war § 81a Abs 1 Z 4 BörseG noch in seiner Fassung vor BGBl I 2015/98 anzuwenden; danach ist Emittent „eine juristische Person, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, wobei im Falle von Zertifikaten, die Wertpapiere vertreten, als Emittent der Emittent der vertretenen Wertpapiere gilt“. § 81a BörseG wurde mit BGBl I 2007/19 eingefügt, wirkt allerdings - so der OGH in der vorliegenden E - „nur klarstellend auch in Bezug auf Sachverhalte, die sich vor dem Inkrafttreten des § 81a BörseG ereignet haben“.

Mit BGBl I 2015/98 wurde die Legaldefinition des § 81a Abs 1 Z 4 BörseG etwas erweitert; nach der geltenden Fassung gilt als Emittent nun „eine natürliche oder juristische Person, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind. Im Falle von Zertifikaten, die zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, gilt als Emittent der Emittent der vertretenen Wertpapiere, wobei es unerheblich ist, ob diese Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind oder nicht“.

Entscheidung

Die hier bekl Emittentin der Aktienzertifikate (OeKB) ist eine österreichische Wertpapiersammelbank gem § 1 Abs 3 DepotG, zu deren Leistungen es gehört, ausländischen Aktiengesellschaften, die ihr Grundkapital in Namensaktien dargestellt haben, den Weg an die Wiener Börse zu ermöglichen, indem sie die ausländischen Namensaktien (für die sie nominell als Aktionärin eingetragen wird) in Verwahrung nimmt (idR durch Eröffnung eines Depots bei einer Kommerzbank) und dann für jede in Verwahrung genommene Namensaktie ein „Österreichisches Hinterlegungszertifikat“ (Austrian Depositary Certificate; kurz: ADC) ausstellt. Die Ausstellung und Handhabung der Zertifikate (hier: M*****-Zertifikate) wurde in einer Vereinbarung („ADC-Agreement“) zwischen der ausländischen AG, der Verwahrerin (hier: M***** Bank) und der Bekl geregelt.

Anlässlich der vorliegenden Klage von Anlegern gegen die Emittentin der Zertifikate stellt der OGH ua weiters klar, dass sie va eine Überbindungsfunktion hat und ihr durch die Emittierung der Zertifikate die Aufgabe einer reinen Durchgangsstation zukommt und dass sie auch nach dem ADC-Vertrag gegenüber den Zertifikatsinhabern insb nicht verpflichtet war, für die Ad-hoc-Publizität relevante Umstände und Ereignisse aus der Sphäre der ausländischen AG zu erheben. Aus dem ADC-Vertrag ließ sich nach Ansicht des OGH somit auch nicht ableiten, dass eine unvollständige, falsche oder irreführende Information der ausländischen AG im Zusammenhang mit ihren Kapitalerhöhungen der Bekl zuzurechnen wäre.

Auch eine etwaige Gefährdungshaftung der Bekl verneinte der OGH: Die Bekl habe nur bei den nach den maßgeblichen Regelungen erforderlichen Umsetzungen für die „Handelbarkeit“ von „Namensaktien“ mitgewirkt und keine substantielle Erhöhung der Risiken gegenüber dem Handel mit anderen Beteiligungen („Inhaberaktien“) an Off-Shore Gesellschaften bewirkt.

Damit erteilt der OGH dem Argument der kl Anleger eine Absage, wonach die Bekl den Kapitalmarkt für die betreffende ausländische AG eröffnet habe und sich bei diese AG gerade jenes „typische, jedermann bekannte Betriebsrisiko einer Off-Shore Gesellschaft verwirklicht habe, dass sich Briefkastengesellschaften unter Berufung auf ihre Herkunft den im Inland geltenden Vorschriften entziehen und sich darauf verlassen, im Inland auch nicht vor Gericht gebracht werden zu können“. Dieser Sachverhalt sei mit der Halterhaftung nach dem EKHG und der Haftung des Importeurs nach dem ProdukthaftungsG vergleichbar. Wende man daher § 48d BörseG nicht auf die Bekl an, so sei die Rechtsschutzlücke evident, die die analoge Annahme einer Gefährdungshaftung rechtfertige.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20906 vom 14.01.2016