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Anlagebetrug - Schadenersatzanspruch eines Investors

ABGB: § 879, § 1295

Die Methode eines Verkaufs von Wertpapieren an gutgläubige Investoren mit dem werbewirksamen Versprechen, die Papiere zu einem (tatsächlich nicht mit dem wahren Marktwert korrespondierenden) höheren Preis zurückzukaufen (wofür idR die Mittel aus dem Verkauf weiterer Wertpapiere eingesetzt werden) begründet bei entsprechendem Vorsatz (hier aufgrund der Verurteilung des Vorstands anzunehmen) den strafrechtlichen Vorwurf des gewerbsmäßigen Betrugs („Ponzi-Schema“) und Nichtigkeit nach § 879 ABGB.

Nimmt der gutgläubige Investor die vereinbarte Rückkaufsoption zu dem Optionspreis (reiner Fantasiepreis) an, ist dieses Rechtsgeschäft absolut nichtig und das betrügerische Versprechen (Rückkauf zum Fantasiepreis) muss daher nicht erfüllt werden. Eine bloß relative Nichtigkeit zugunsten des gutgläubigen Investors scheidet aus, weil der Rückkauf zu dem Fantasiepreis nur unter Schädigung der anderen Investoren möglich wäre und daher mit dem Verbotszweck unvereinbar ist.

OGH 30. 10. 2014, 8 Ob 28/14x

Sachverhalt:

Die Kl kauften von 2003 bis 2005 insgesamt 152 Genussscheine der späteren Schuldnerin zum Preis von 274.382,16 €. Die Schuldnerin hatte sich vertraglich gegenüber den Käufern verpflichtet, die Genussscheine jederzeit zum aktuell von ihr veröffentlichten Kurswert zurückzukaufen.

Ab Oktober 2008 stellte die Schuldnerin die Rückkäufe unter Behauptung eines Liquiditätsengpasses ein. Die Kl verlangten im Oktober 2008 vergeblich den Rückkauf ihrer Genussscheine zu dem in diesem Monat verlautbarten Kurswert von 3.275 € pro Stück. Dieser von der Schuldnerin veröffentlichte „Indexkurswert“ war ein reines Fantasieprodukt ihres Vorstands. Die Kursfestsetzungen kamen durch Kursmanipulationen und Täuschungshandlungen zustande.

Der verantwortliche Vorstand wurde dafür wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs und weiterer Delikte rechtskräftig zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Am 4. 5. 2010 wurde über das Vermögen der Schuldnerin der Konkurs eröffnet und die Bekl zur Masseverwalterin bestellt. Die Genussscheine sind nunmehr wertlos.

Die Kl meldeten im Insolvenzverfahren eine von der Bekl zunächst zur Gänze bestrittene Forderung von 497.800 € an, errechnet aus dem im Oktober 2008 veröffentlichten Kurs von 3.275 € für 152 Genussscheine.

Mit Teilanerkenntnisurteil des ErstG vom 9. 10. 2013 wurde festgestellt, dass den Kl eine Insolvenzforderung iHv 349.521,30 € zusteht. Dieser Betrag setzt sich aus dem Ankaufspreis der Genussscheine, dem von den Kl bezahlten Agio sowie 4 % Zinsen pa bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens zusammen.

Mit dem vorliegenden Endurteil wies das ErstG das Mehrbegehren auf Feststellung einer weiteren Insolvenzforderung von 148.278,70 € ab. Den Kl gebühre nur der Ersatz des Vertrauensschadens, dem Anspruch auf Erfüllung der vertraglichen Rückkaufszusage stehe § 879 ABGB entgegen. Es habe sich herausgestellt, dass es bei den Geschäften in Wahrheit um einen absolut nichtigen Vertrag über ein verbotenes Glücksspiel (Pyramidenspiel) iSd § 168 StGB gegangen sei. Die Auszahlung des bloßen Scheingewinns aus einem derartigen Glücksspiel könne nicht verlangt werden.

Das BerufungsG änderte das Urteil im klagsstattgebenden Sinn ab.

Der OGH gab der dagegen erhobenen Revision Folge und änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, dass das Endurteil des ErstG einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Entscheidung:

„Ponzi-Schema“

Nach Ansicht des OGH kommen die Genussscheine der Schuldnerin nach den Feststellungen nicht unter den Begriff des Pyramidenspiels oder „Schneeballsystems“ im engeren Sinn eingeordnet werden (insofern etwas unscharf: 6 Ob 242/12z; 6 Ob 243/12x; 9 Ob 13/13x), weil der den Käufern in Aussicht gestellte Kursgewinn nach außen hin nicht von der Anwerbung neuer Teilnehmer abhängig gemacht wurde und die Genussscheinkäufer auch selbst keine neue Interessenten anzuwerben hatten.

Die Methode eines Verkaufs von Wertpapieren an gutgläubige Investoren mit dem werbewirksamen Versprechen, die Papiere zu einem höheren (tatsächlich aber nicht mit dem wahren Marktwert korrespondierenden) Preis zurückzukaufen (wofür idR die Mittel aus dem Verkauf weiterer Wertpapiere eingesetzt werden) begründet bei entsprechendem, hier aufgrund der Verurteilung des Vorstands anzunehmendem Vorsatz aber sehr wohl den strafrechtlichen Vorwurf des gewerbsmäßigen Betrugs („Ponzi-Schema“) und Nichtigkeit nach § 879 ABGB. Zudem führt der OGH aus:

„Die Anleger werden in diesem System nicht, wie beim Glücksspiel, durch eine zufallsabhängige Gewinn- oder Verdienstaussicht, sondern durch Täuschung über die wahre Werthaltigkeit einer vermeintlich seriösen Anlage zu deren Kauf oder zum weiteren Halten verleitet. Das Versprechen des Verkäufers, die Anlage zu einem in Wahrheit irrealen Preis zurückzukaufen, ist dabei unverzichtbares Element der Täuschungshandlung, weil sie dem potentiellen Adressatenkreis einen hoch positiven Wert suggeriert, damit die Beschaffung weiterer Mittel für die Loch-auf-Loch-zu-Strategie ermöglicht und die Aufdeckung des Betrugs verhindert.“

Absolute Nichtigkeit

Ob ein Vertrag gemäß § 879 ABGB absolut oder nur relativ nichtig ist, hängt nach hA vom Zweck des verletzten Verbotsgesetzes ab; der Vertrag ist jedenfalls dann absolut unwirksam, wenn andernfalls die Erreichung des vom Gesetzgeber angestrebten Zwecks gefährdet wäre.

Der im Revisionsverfahren noch gegenständliche Teil des Klagebegehrens gründet auf die Annahme der vereinbarten Rückkaufsoption, deren Bedingungen erst durch die Kursverlautbarung der Schuldnerin im Oktober 2008 konkretisiert wurden. Feststeht, dass dieser Optionspreis ein reines Fantasieprodukt war und zu den Wesenselementen des dargestellten Betrugssystems gehörte. Hätte die Schuldnerin das im Oktober 2008 konkretisierte betrügerische Verkaufsversprechen gegenüber den Kl (noch) erfüllt, wäre ihr dies mangels echter Werthaltigkeit der Genussscheine nur unter Schädigung anderer Kunden möglich gewesen, deren Einlagen sie für die Befriedigung der Kl widerrechtlich heranziehen hätte müssen.

Nach Ansicht des OGH wäre es deshalb mit dem Verbotszweck unvereinbar, ein unter der Annahme dieser Option geschlossenes Rechtsgeschäft nur als relativ nichtig zu behandeln. Nach der Insolvenzeröffnung könnte den Kl ein Anspruch auf Erfüllung der Option nur zu Lasten der anderen Insolvenzgläubiger - und damit praktisch in Fortwirkung der schädigenden Handlungen des Vorstands, zugestanden werden. Hinzu komme, dass sich die Schuldnerin zwar die rechtswidrigen Handlungen ihres Vorstands gegenüber Dritten zurechnen lassen muss, im Innenverhältnis als dessen Werkzeug bei der Begehung seiner Straftaten aber selbst Geschädigte ist.

Ob die Kl durch List zum ursprünglichen Ankauf der Genussscheine verleitet wurden, war im Revisionsverfahren nicht mehr zu beurteilen. Denn das verfahrensgegenständliche Begehren gründete sich ausschließlich auf die Rückkaufsverträge, die durch Ausübung der im Oktober 2008 angebotenen Option zustandekamen. Zu diesem Verkauf sind die Kl allerdings nicht überlistet worden. Es sind überhaupt keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Kl bei Kenntnis der wahren Hintergründe ihre Genussscheine zu diesem Zeitpunkt nicht verkaufen und aus dem Investment aussteigen hätten wollen, zumal die Schuldnerin selbst bereits Liquiditätsschwierigkeiten einbekannt hatte.

Soweit die Kl trotz der mittlerweile erlangten Informationen nach wie vor zu Lasten der anderen Konkursgläubiger am Begehren auf Erfüllung des betrügerisch überhöhten Rückkaufpreises festhalten wollen, erachtete der OGH sie als nicht schutzwürdig.

Hinweis: Zur Herkunft des Begriffs „Ponzi-Schema“ und den Unterschieden zu einem Schneeballsystem siehe ausführlich http://de.wikipedia.org/wiki/Charles_Ponzi

Bearbeiterin: Sabine Kriwanek

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 18761 vom 15.01.2015