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Anlegerschaden: Haftung für spätere Nachkäufe des Anlegers?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 1295, § 1299

Im vorliegenden Fall wurde dem Anleger nicht bloß zu einem einmaligen Investment geraten, sondern darüber hinaus die (uneingeschränkte) Empfehlung erteilt, auch in den nächsten Jahren anlässlich von Kapitalerhöhungen die günstige Chance zum Erwerb weiterer derartiger (angeblich risikoloser) Wertpapiere zu nutzen. Ein etwaiger Vorbehalt – etwa in dem Sinn, dass der Anleger vor weiteren Investitionen jeweils Rücksprache mit dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen (WPDLU) bzw dem ihn betreuenden Mitarbeiter halten solle – wurde weder behauptet noch festgestellt. Damit musste das WPDLU aber auch damit rechnen, dass der Anleger in der näheren Zukunft – entsprechend den jeweils von der Bank direkt übermittelten Informationen – selbstständig weitere Kaufaufträge über diese Papiere erteilen werde. Da für die ersten selbstständigen „Nachkäufe“ des Anlegers auch Provisionen flossen, konnte für das WPDLU auch keinerlei Zweifel daran bestehen, dass sich der Anleger an die ihm ursprünglich erteilte Empfehlung hielt und wiederholt die ihm empfohlenen Wertpapiere erwarb. Da der ihm erteilte Rat schon anfänglich unrichtig war und sich an dieser Unrichtigkeit nie etwas änderte, hat das WPDLU für die dadurch verursachten Nachteile einzustehen und ist insb nach den Grundsätzen des Naturalersatzes zur vom Anleger begehrten schadenersatzrechtlichen Beseitigung der wirtschaftlichen Folgen seiner unerwünschten Vermögensdisposition verpflichtet.

Trifft der Anleger seine späteren Investitionsentscheidungen ausschließlich aufgrund der ursprünglichen Empfehlung, macht es auch keinen Unterschied, ob er die späteren Kaufaufträge direkt oder – ohne weitere Beratung – formell „über“ ein anderes Finanzdienstleistungsunternehmen erteilt.

OGH 22. 1. 2015, 1 Ob 241/14v

Entscheidung

Ob der spätere „Betreuer“ für die fraglichen Investitionsentscheidungen ebenfalls (solidarisch) zur Haftung herangezogen werden könnte, war im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen. Nach den Feststellungen hat der Kl seine späteren Investitionsentscheidungen ausschließlich aufgrund der ursprünglichen Empfehlung durch die Bekl getroffen, weshalb die daraus resultierenden nachteiligen Folgen jedenfalls der Bekl zuzurechnen sind, so der OGH. Warum es dabei einen Unterschied machen sollte, ob der Kl in der Folge auf der Empfehlung der Bekl beruhende Kaufaufträge direkt oder – ohne weitere Beratung – formell „über“ ein anderes Finanzdienstleistungsunternehmen erteilt hat, war für den OGH nicht ersichtlich.

Im vorliegenden Fall erfolgte der Rat nach Ansicht des OGH erkennbar auch in der Erwartung, im Falle zukünftiger weiterer Investitionen des Kl wirtschaftliche Vorteile in Gestalt von zufließenden Provisionen zu erlangen. Daran änderte auch der Umstand nichts, dass der Bekl für die späteren Investitionen des Kl keine Provisionen mehr zukamen, weil sich der Schutzzweck eines Vertrags nach den ursprünglichen Interessen der Vertragsparteien bestimmt und nicht nach späteren – allenfalls unvorhergesehenen – Entwicklungen. Auch insoweit bestanden keine Bedenken des OGH gegen die Annahme der Vorinstanzen, auch die dem Kl durch die späteren Investitionen entstandenen Nachteile, die auf dem unrichtigen Rat der Bekl beruhten, seien vom Schutzzweck des Vertrags erfasst (vgl RIS-Justiz RS0044121; RS0026596).

Als „nicht recht verständlich“ bezeichnete der OGH den Hinweis der Revisionswerberin, das andere Finanzdienstleistungsunternehmen habe vertraglich „als zukünftiger Betreuer vom oben genannten Vertrag sämtliche Rechte und Pflichtenübernommen. Abgesehen davon, dass es sich insoweit um eine unzulässige Neuerung handelte, habe die Bekl damit va keinerlei Umstände aufgezeigt, die es rechtfertigen würden, sie von ihrer durch die unrichtige Beratung des Kl begründeten Haftung zu befreien. Es gehe im vorliegenden Fall nicht um die Frage einer „Nachberatungspflicht“, sondern ausschließlich darum, dass die Bekl einen – (auch) in die Zukunft gerichtetenunrichtigen Rat erteilt hat und daher schadenersatzrechtlich für die Folgen ihrer schon ursprünglich unrichtigen Beratung einzustehen hat.

Der OGH zeigte auch kein Verständnis für die Behauptung der Bekl, sie habe gar keine Möglichkeit mehr gehabt, den Kl zu kontaktieren, bzw sie habe keine „diesbezügliche Beratung“ des Kl mehr vornehmen dürfen. Selbstverständlich – so der OGH – wäre sie verpflichtet gewesen, den Kl unverzüglich über die Unrichtigkeit der ihm ursprünglich erteilten Empfehlung in Kenntnis zu setzen, sobald ihr diese bewusst geworden ist. Die Bekl behauptete hier aber nicht einmal, dass ihr die Unrichtigkeit der dem Kl erteilten Beratung bewusst geworden wäre und sie versucht hätte, ihn von weiteren Fehlinvestitionen abzuhalten.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19209 vom 27.03.2015