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Anlegerschaden - keine Amtshaftung betr Herald Fonds

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

AHG § 1

FMABG § 1

InvFG 1993 idF vor BGBl I 2011/77: §§ 24 ff

1. Schon zur hier maßgeblichen Zeit (2005) galt für ausländische Kapitalanlagefonds (hier: Herald Fonds) der Trennungsgrundsatz - Trennung von Verwahrung und Verwaltung des Fondsvermögens - sowohl auf Haupt- als auch auf Delegationsebene.

2. Die unterlassene Untersagung der Aufnahme des Vertriebs des Herald Fonds ist der FMA nicht als Verschulden anzulasten. Damit scheidet infolge vertretbarer Rechtsansicht der FMA eine Haftung der Republik Österreich aus.

OGH 23. 12. 2014, 1 Ob 117/14h

Ausgangslage

Strittig war im Rekursverfahren, ob die FMA gem § 31 Abs 1 InvFG 1993 im Jahr 2005 pflichtwidrig und schuldhaft die Untersagung des Vertriebs der Anteile am Herald Fund unterließ.

Ob die FMA gem § 31 Abs 2 Z 2 InvFG 1993 aufgrund des Inhalts des ihr zugegangenen Jahresberichts und des geprüften Abschlusses der Herald Fund vom 12. 3. 2008 den weiteren Vertrieb untersagen hätte müssen, brauchte hingegen nicht beurteilt werden, weil der Kl seine Anteile am Kapitalanlagefonds bereits am 17. 1. 2008 erwarb. Eine allfällige pflichtwidrige Unterlassung der FMA zu einem späteren Zeitpunkt wäre nicht kausal für den behaupteten Amtshaftungsanspruch.

Entscheidung

Untersagungsverfahren - Schutz der Anleger

Der OGH folgte der Ansicht der Vorinstanzen, dass § 3 Abs 1 FMABG idF BGBl I 2008/136 nicht auf Sachverhalte anzuwenden ist, die vor seinem Inkrafttreten verwirklicht wurden. Diese Novelle ordnet keine Rückwirkung der Bestimmung an, mit der der Kreis der amtshaftungsrechtlich geschützten Personen beschränkt bzw erstmals explizit festgelegt wurde (1 Ob 186/11a [= LN Rechtsnews 13552 vom 10. 8. 2012 = RdW 2012/557], dazu G. Graf in ecolex 2012, 768), so der OGH.

Angesichts des Umstands, dass insb § 25 InvFG 1993 primär dem Anlegerschutz dient (Sieberer, Das europäische Investmentrecht und das Investmentfondsgesetz 1993 [1996], 215; Buchberger in Macher et al, InvFG-Komm 2008, Vor Abschnitt II Rz 2), bestand für den erk Senat kein Zweifel daran, dass das gesetzlich vorgesehene Untersagungsverfahren (§ 31 InvFG 1993) auch den Schutz der Anleger im Auge hatte, womit auch diese durch pflichtwidriges Unterlassen verursachte Schäden aus dem Titel der Amtshaftung ersetzt verlangen können. Dass der Kl als Anleger vom Schutzzweck dieser Bestimmungen erfasst ist, wurde von den Rechtsmittelwerbern auch nicht in Abrede gestellt.

Trennungsgrundsatz

Nach Ansicht des erk Senats galt schon zur hier maßgeblichen Zeit der Trennungsgrundsatz - Trennung von Verwahrung und Verwaltung des Fondsvermögens - für ausländische Kapitalanlagefonds sowohl auf Haupt- als auch auf Delegationsebene. Die Trennung von Verwahrung und Verwaltung bedinge, dass die Verwahrstelle ihre kontrollierenden Aufgaben in Unabhängigkeit von der Verwaltung des Fondsvermögens im ausschließlichen Interesse der Anleger ausübt (Buchberger aaO § 25 Rz 19). Dies schließe es aus, dass die Verwahrstelle die Subdepotverwahrung einem Unternehmen überträgt, das zugleich die Aufgabe der Verwaltungsgesellschaft wahrnimmt. Damit würde nicht nur der Trennungsgrundsatz verletzt, sondern auch massiv das Interesse des Anlegers, weil sich dadurch eine wesentliche Risikoerhöhung ergibt (vgl 3 Ob 108/13y, LN Rechtsnews 16657 vom 30. 1. 2014 = RdW 2014/367; 7 Ob 235/12b). Dadurch hätte die Depotbank auch nicht die notwendigen Kontroll- und Durchsetzungsmöglichkeiten (zB Konten- oder Depotsperrung), wenn die Verwaltungsgesellschaft nicht in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften, den Fondsbestimmungen oder den Inhalten des Depotbankvertrags handelt. Diese Beurteilung ergebe sich schon aus dem InvFG 1993 und sei nachfolgend in § 176 Z 2 InvFG 2011 verdeutlicht worden (so ErläutRV 1254 BlgNR 24. GP 78) [Anm d Red: § 176 wurde durch BGBl I 2013/135 aufgehoben].

Keine Haftung der Republik Österreich

§ 30 InvFG 1993 regelt die Einzelheiten des von der ausländischen Kapitalanlagegesellschaft vor Beginn des öffentlichen Vertriebs einzuleitenden Registrierungsverfahrens. Die ausländische Kapitalanlagegesellschaft hat der FMA ihre Vertriebsabsicht durch schriftliche Anzeige unter Vorlage der Verkaufsunterlagen und von Unterlagen über die rechtliche Struktur des Fonds sowie die Unternehmen der Investmentgruppe bekanntzugeben. Zu Form und Inhalt der Anzeige hat die FMA ein Merkblatt veröffentlicht, das die gesetzlichen Vorgaben des § 30 InvFG 1993 konkretisiert und die Angaben und Unterlagen zusammenfasst, die im Regelfall für die Vertriebsanzeige erforderlich sind. Die FMA soll auf der Grundlage der übermittelten Informationen und Unterlagen die Einhaltung der Vertriebsvoraussetzungen und die Zulässigkeit des geplanten öffentlichen Vertriebs beurteilen können (vgl Buchberger aaO § 30 Rz 1, 3, 14; Sieberer aaO 220; Paul, Investmentgeschäft [2003], 157; Heidinger/Paul, Kommentar zum Investmentfondsgesetz [2005] § 30 Anm 1, 5, 7 f). Insbesondere muss sie aufgrund der übermittelten Angaben beurteilen können, ob das als Depotbank bestellte Kreditinstitut einen vergleichbaren Anlegerschutz gewährleistet (BuchbergeraaO § 30 Rz 45).

Die FMA ist neben der Beurteilung formaler Kriterien (Vollständigkeit der Angaben und Unterlagen nach § 30) auch zur - gewissenhaften (Sieberer aaO 220) - inhaltlichen Prüfung der Vertriebsvoraussetzungen (Erfüllung der Voraussetzungen des § 25) verpflichtet, wie der OGH explizit festhält.

In der anhand des Merkblatts erstatteten 26-seitigen Anzeige gem § 30 InvFG 1993 der Herald Fund vom 8. 8. 2005 an die FMA wurde ausschließlich die H***** als Depotbank genannt und hinzugefügt, dass diese „gegebenenfalls“ Sub-Depotbanken ernennen kann. Weder aus dieser Anzeige noch aus dem Verkaufsprospekt vom 31. 7. 2005 und auch nicht aus dem Verwahrungsvertrag vom 29. 3. 2004 war ersichtlich, dass die Depotbank ihre Aufgaben ganz oder teilweise bereits an einen oder mehrere Dritte (Sub-Verwahrer) delegiert hatte. Als Investmentmanager und Verwaltungsgesellschaft war allein die Herald Asset Management Ltd angeführt. Eine andere Gesellschaft, die die Verwaltung des Fonds übernehmen sollte oder bereits übernommen habe, wurde nicht genannt.

Dass der Fonds (seit seiner Gründung) von einem „Manager“ (BLMIS) in Form eines „managed accounts“ geführt wurde, wurde weder bekanntgegeben, noch ergab sich das aus den vorgelegten Unterlagen. Dass tatsächlich die organisatorische Trennung zwischen Verwahrung und Verwaltung des Fondsvermögens nicht eingehalten wurde, war - so der OGH - für die FMA im Zeitpunkt der Durchführung des Registrierungsverfahrens nicht ersichtlich.

Zwar wurde sowohl im Verkaufsprospekt als auch im Verwahrungsvertrag sehr verklausuliert die Möglichkeit der Verbindung der Funktion einer oder mehrerer „Manager“ mit jener des Verwahrers angesprochen. Dass die FMA im Jahr 2005 aufgrund der bloßen Möglichkeit der zukünftigen Verletzung des Trennungsprinzips nicht gem § 31 Abs 1 InvFG 1993 den Vertrieb des Fonds untersagte, war ihr nach Ansicht des OGH nicht nach § 1 Abs 1 AHG iVm § 1 FMABG vorwerfbar. Dies begründet der OGH folgendermaßen:

„Ihr gegenüber wurde von der Herald Fund die Einhaltung des Grundsatzes der Trennung von Verwaltung (durchgeführt von der Verwaltungsgesellschaft Herald Asset Management Ltd) und Verwahrung des Fondsvermögens (durch H*****) dargelegt. Die Depotbank unterlag der luxemburgischen Finanzaufsicht und hatte sowohl nach dem Inhalt des Depotvertrags als auch nach den Angaben im Verkaufsprospekt für die Sicherung des Fondsvermögens zu sorgen. Auch die Erklärung, dass „gegebenenfalls“ Sub-Depotbanken bestellt werden, war unbedenklich, hatte doch die Depotbank sowohl Sorgfalt bei der Auswahl dieser Banken anzuwenden als auch die Aufsicht auszuüben und sollte diesbezüglich (grundsätzlich) gegenüber der Herald Fund haften.

Dass die Verwaltung und Verwahrung in Zukunft durch einen einzigen „Manager“ oder Broker erfolgen könnte, war kein zwingender Untersagungsgrund nach § 31 Abs 1 InvFG 1993. Herald Fund war im Rahmen der übernommenen Selbstverpflichtung nach § 30 Abs 2 Z 6 lit b InvFG 1993 verpflichtet, die FMA über alle wesentlichen Änderungen von Umständen zu unterrichten, die bei der Vertriebsanzeige angegeben wurden. Dazu zählte zweifellos die Vereinigung von Verwahrung und Verwaltung des Fondsvermögens in einer Hand. Hatte aber die FMA noch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass tatsächlich das Fondsvermögen weder von der Depotbank noch von einer allfälligen Sub-Depotbank verwahrt wird, sondern von einem „Manager“ (BLMIS), der das gesamte Fondsvermögen unter „de facto“-Ausschaltung der Depotbank verwahrt, ist ihr die unterlassene Untersagung der Aufnahme des Vertriebs des Herald Fonds nicht als Verschulden anzulasten. Damit scheidet infolge vertretbarer Rechtsansicht der FMA eine Haftung der Bekl aus.“

Hinweis:

Im vorliegenden Fall waren die Vorschriften der §§ 24 ff InvFG 1993 anzuwenden. Das InvFG 1993 wurde grds mit Ablauf des 31. 8. 2011 durch das InvFG 2011, BGBl I 2011/77, aufgehoben.

Zur Haftung des Staates im Fall der AMIS-Anleger siehe 1 Ob 186/11a, LN Rechtsnews 13552 vom 10. 8. 2012 = RdW 2012/557.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19280 vom 09.04.2015