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Arbeitsrechts-Änderungsgesetz 2015 - BGBl

Bearbeiter: Bettina Sabara

Bundesgesetz, mit dem das AVRAG, das AngG, das GAngG, das BUAG, das BPG, das AZG, das ARG und das KJBG 1987 geändert werden (Arbeitsrechts-Änderungsgesetz 2015)

BGBl I 2015/152, ausgegeben am 28. 12. 2015

1. Überblick

Das Arbeitsrechts-Änderungsgesetz 2015 sieht eine Vielzahl von Maßnahmen im Bereich des Arbeitsvertragsrechts und des Arbeitszeitrechts vor, die überwiegend mit 29. 12. 2015 bzw 1. 1. 2016 in Kraft treten und die Mobilität von Arbeitnehmern erhöhen und Erleichterungen für Arbeitgeber bringen sollen.

Gegenüber der RV kam es noch zu kleinen Änderungen durch einen im Ausschuss beschlossenen Abänderungsantrags (betreffend § 8 Abs 4 AngG und Anpassungen im AZG für Saisonbetriebe im Gastgewerbe).

2. Transparenz bei Entgeltvereinbarungen

2.1. Angabe des Grundlohns im Dienstzettel

Im Sinne einer verbesserten Transparenz bei Entgeltvereinbarungen ist bei Dienstzettel, die ab 29. 12. 2015 neu ausgestellt werden, nunmehr der monatlich zustehende Grundlohn oder das Grundgehalt (= der Lohn für die Normalarbeitszeit, zB 40 Stunden/Woche) betragsmäßig darzustellen; eine Darstellung dieser Beträge durch Verweis auf die für das jeweilige Arbeitsverhältnis geltenden gesetzlichen oder kollektiven Lohnvorschriften gemäß § 2 Abs 5 AVRAG ist nur mehr hinsichtlich der sonstigen Entgelte zulässig, nicht aber in Bezug auf Grundgehalt oder Grundlohn (§ 2 Abs 2 Z 9 AVRAG).

Eine Änderung des Grundgehalts oder -lohns ist dem Arbeitnehmer schriftlich mitzuteilen, außer die Änderung erfolgt durch gesetzliche oder kollektive Lohnvorschriften, auf die im Dienstzettel verwiesen wurde bzw die unmittelbar den Grundgehalt oder -lohn betreffen, oder ergibt sich unmittelbar aus der dienstzeitabhängigen Vorrückung in der selben Verwendungs- oder Berufsgruppe (zB durch Biennalsprünge). Die Änderung des Grundgehalts oder -lohns durch Wechsel der Verwendungs- oder Berufsgruppe in der anzuwendenden Norm der kollektiven Rechtsgestaltung ist hingegen auszuweisen.

2.2. Änderung bei All-In-Verträgen

In Arbeitsverträgen werden immer öfter Pauschalentlohnungen vereinbart, mit denen sämtliche Arbeitsleistungen abgegolten werden sollen. Die Besonderheit dieser so genannten „echten All-in-Vereinbarungen“ besteht darin, dass nur ein Entgelt für die gesamte Arbeitszeit vereinbart wird und daher nicht zwischen Grundlohn und Mehrleistungsentgelt unterschieden wird. Die Judikatur hat solche Klauseln in mehreren Entscheidungen akzeptiert, es wurde bei der Berechnung der abgedeckten Überstunden ein „angemessenes Entgelt“ gemäß § 1152 ABGB bzw das kollektivvertragliche Mindestentgelt für die Normalarbeitszeit als Grundlohn zugrunde gelegt. Wenn im Durchschnitt mehr Überstunden geleistet werden als von der Pauschalvereinbarung - unter Berücksichtigung des Grundlohns für die Normalarbeitszeit - abgedeckt werden können, sind diese nach der Judikatur eigens abzugelten.

In einem neuen § 2g AVRAG ist nunmehr vorgesehen, dass bei ab 2016 neu abgeschlossenen pauschalen Entgeltvereinbarungen (All-in-Vereinbarungen) künftig der dem Arbeitnehmer zustehende Grundlohn jedenfalls im Arbeitsvertrag oder Dienstzettel ausgewiesen werden muss. Ist dies nicht der Fall, hat der Arbeitnehmer zwingend Anspruch auf den branchen- und ortsüblichen Normalstundenlohn (Ist-Grundlohn), der am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmer von vergleichbaren Arbeitgebern gebührt. Der branchen- und ortsübliche Normalstundenlohn ist der Berechnung der abzugeltenden zeitbezogenen Entgeltbestandteile zugrunde zu legen.

2.3. Ausstellung von Lohnzettel und SV-Meldung

Weiters wird eine gesetzliche Verpflichtung zur Ausstellung eines Lohnzettels verankert: Der neue § 2f Abs 1 AVRAG sieht dazu vor, dass dem Arbeitnehmer ab 1. 1. 2016 „bei Fälligkeit des Entgelts eine schriftliche, übersichtliche, nachvollziehbare und vollständige Abrechnung“ von Entgelt und Aufwandsentschädigungen zu übermitteln ist. Die Lohnabrechnung kann dem Arbeitnehmer auch elektronisch zur Verfügung gestellt werden kann.

Die Erläuterungen führen diesbezüglich aus, dass die Lohnabrechnung daher etwa neben einer Auflistung der für die Lohnzahlungsperiode gebührenden Bruttobezüge (bzw Nettobezüge, falls eine Nettoentlohnung vereinbart wurde) auch die Beiträge nach dem BMSVG an die Betriebliche Mitarbeitervorsorgekasse oder allfällige Beiträge/Prämien nach dem BPG zu einer Pensionskassenzusage/Betrieblichen Kollektivversicherung auszuweisen hat. Soweit die Abgeltung von Ansprüchen zulässigerweise pauschaliert vereinbart wurde, ist außerdem die Darstellung des Pauschalbetrages samt der zugehörigen Widmung ausreichend (zB im Fall der Vereinbarung einer pauschalen Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulage: Angabe der Gesamtsumme samt Ausweisung als „SEG-Zulage“). Damit der Arbeitnehmer die Lohnabrechnung nachvollziehen kann, ist die jeweilige Bemessungsgrundlage der in der Abrechnung angeführten Bezüge anzuführen.

Weiters wird in § 2f Abs 2 AVRAG klargestellt, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Aushändigung einer Kopie der Anmeldung zur Sozialversicherung gemäß § 33 ASVG hat.

3. Änderungen bei Konkurrenzklauseln

Bei Vereinbarungen über eine Konkurrenzklausel, die nach dem 28. 12. 2015 abgeschlossen werden, kommt es zu folgenden Neuerungen:

-Eine Konkurrenzklausel ist nunmehr nur dann wirksam, wenn sie im Rahmen eines Dienstverhältnisses abgeschlossen wurde, bei dem das für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührende Entgelt das 20-fache der täglichen ASVG-Höchstbeitragsgrundlage übersteigt (bisher: das 17-fache; neue Entgeltgrenze für 2016: € 3.240,-). (§ 2c Abs 2 AVRAG, § 36 Abs 2 AngG)
-Klarstellung, dass Sonderzahlungen bei der Berechnung der Entgeltgrenze - entgegen der bisherigen Rechtsprechung (vgl OGH 11. 5. 2010, 9 ObA 154/09a, ARD 6084/2/2010) - außer Acht zu lassen sind.
-Die Höhe einer Konventionalstrafe, die für den Fall des Zuwiderhandelns gegen eine Konkurrenzklausel vereinbart wird, wird mit höchstens 6 Netto-Monatsentgelten (ohne Sonderzahlungen) begrenzt (§ 2c Abs 5 AVRAG, § 37 Abs 3 AngG).

4. Änderungen beim Ausbildungskostenrückersatz

Im Bereich des Ausbildungskostenrückersatzes wurden folgenden Änderungen beschlossen:

-Die maximal zulässige Bindungsdauer für den Ausbildungskostenrückersatz wird von fünf auf vier Jahre reduziert (die in besonderen Fällen bestehende Möglichkeit der Vereinbarung einer bis zu achtjährigen Bindungsdauer bleibt unverändert).
-In der Rückzahlungsvereinbarung ist zwingend zu vereinbaren ist, dass sich der vereinbarte Rückzahlungsbetrag (zumindest) anteilig für jeden im Arbeitsverhältnis nach erfolgreicher Beendigung der Ausbildung zurückgelegten Monat anteilig verringert (zwingende monatliche Aliquotierung). Eine davon abweichende Ausgestaltung der zeitlichen Aliquotierung des Rückerstattungsbetrags (etwa eine jährliche Aliquotierung) ist aufgrund des zwingenden Charakters dieser Bestimmung unzulässig und hat die Unwirksamkeit der (gesamten) Rückzahlungsvereinbarung zur Folge. Günstigere Vereinbarungen sind zulässig.

Die neuen Regelungen finden auf Vereinbarungen über den Ausbildungskostenrückersatz Anwendung, die nach dem 28. 12. 2015 abgeschlossen werden. Die geänderten Bestimmungen sind somit auch im Fall von Arbeitsverhältnissen zu beachten, die zu diesem Zeitpunkt bereits aufrecht sind. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bestehende kollektivvertragliche Regelungen des Ausbildungskostenrückersatzes, die eine davon abweichende Aliquotierung der Rückersatzverpflichtung vorsehen (etwa eine Aliquotierung nach Jahren), sind im Fall von neu geschlossenen Rückersatzvereinbarungen unbeachtlich.

Hinweis: Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass nach der Rechtsprechung des OGH für jede Ausbildung eine eigene Rückersatzvereinbarung zu treffen ist (vgl OGH 21. 12. 2011, 9 ObA 125/11i, ARD 6209/1/2012).

5. Konventionalstrafen

Die bisherige Regelung des § 2c Abs 6 AVRAG ließ unklar, ob dem richterlichen Mäßigungsrecht nur eine Konventionalstrafe unterliegt, die im Zusammenhang mit einer Konkurrenzklausel vereinbart wurde, oder auch in sonstigen Fällen vereinbarte Konventionalstrafen. Mit § 2e AVRAG wird nunmehr - nach dem Vorbild des § 38 AngG - klargestellt, dass mit Arbeitnehmern vereinbarte Konventionalstrafen generell dem richterlichen Mäßigungsrecht unterliegen.

6. Änderungen im Arbeitszeitrecht

6.1. Informationsrecht für Teilzeitbeschäftigte

Arbeitgeber müssen teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer künftig informieren, wenn im Betrieb frei werdende Arbeitsplätze ausgeschrieben werden, die zu einem höheren Arbeitszeitausmaß führen können (§ 19d Abs 2a AZG). Der Begriff „Ausschreibung“ ist dabei iSd § 9 GlBG zu verstehen und umfasst jede Form der externen und internen Bekanntmachung einer geplanten Besetzung, die sich an mehr als eine Person richtet.

Die Information kann auch durch allgemeine Bekanntgabe an einer geeigneten, für die Teilzeitbeschäftigten leicht zugänglichen Stelle im Betrieb, durch geeignete elektronische Datenverarbeitung oder durch geeignete Telekommunikationsmittel erfolgen. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift ist mit einer Geldstrafe von € 20,- bis € 436,- bedroht (§ 28 Abs 1 Z 6 AZG).

6.2. Ausweitung der Reisezeitregelungen

6.2.1. Erwachsene Arbeitnehmer

Nach § 20b Abs 1 AZG können die Höchstgrenzen der Arbeitszeit durch Reisezeiten unbeschränkt überschritten werden, sofern der Arbeitnehmer während der Reisebewegung keine Arbeitsleistung erbringt („passive Reisezeiten“).

Nunmehr ist in einem neuen § 20b Abs 6 AZG geregelt, dass es ab 1. 1. 2016 auch durch aktive Reisezeiten zu einer Verlängerung der täglichen Höchstarbeitszeit kommen kann: So ist eine Arbeitszeit bis zu 12 Stunden möglich, wenn während der Reisebewegung durch das angeordnete Lenken eines Fahrzeugs eine Arbeitsleistung erbracht wird. Dies gilt jedoch nur für Arbeitnehmer, bei denen das Lenken nicht eine Haupttätigkeit darstellt.

6.2.2. Jugendliche über 16 Jahre

Für passive Reisezeiten wird auch für Lehrlinge über 16 Jahre eine Bestimmung analog dem § 20a Abs 1 und 2 AZG geschaffen. Ein neuer § 11 Abs 3a KJBG sieht daher vor: Reisezeit liegt vor, wenn der Jugendliche über Auftrag des Arbeitgebers vorübergehend seinen Dienstort (Arbeitsstätte) verlässt, um an anderen Orten seine Arbeitsleistung zu erbringen, sofern während der Reisebewegung keine Arbeitsleistung erbracht wird. Durch Reisezeiten kann die Tagesarbeitszeit auf bis zu 10 Stunden ausgedehnt werden, wenn der Jugendliche in einem Lehr- oder sonstigen Ausbildungsverhältnis steht und das 16. Lebensjahr vollendet hat; die Grenze für die Wochenarbeitszeit ändert sich dadurch nicht.

6.3. Saisonbetriebe im Gastgewerbe

In Saisonbetrieben des Hotel- und Gastgewerbes ist ein Ausgleich von Verkürzungen der täglichen Ruhezeit innerhalb von 10 Tagen oft nur schwer möglich. Durch eine Neuregelung erfolgt eine längerfristige Durchrechnung unter Wahrung des Arbeitnehmerschutzes:

Die Gastgewerbe-KV werden ermächtigt, für vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer in Küche und Service von Saisonbetrieben eine Verkürzung der täglichen Ruhezeit während der Saison auf mindestens acht Stunden unter der Voraussetzung zulassen, dass die Verkürzungen nach Möglichkeit während der Saison, jedenfalls aber im Anschluss an die Saison auszugleichen sind. Der KV muss vorsehen, dass die Ruhezeitverkürzungen in einem eigenen Ruhezeitkonto zu erfassen sind, und die nähere Form des Ausgleichs im Sinne einer Sicherstellung der Erholung der Arbeitnehmer regeln. (§ 12 Abs 2a und 2b AZG)

6.4. Arbeitszeitrechtliche Sonderbestimmungen

Im ARÄG 2015 sind nun auch die Änderungen im AZG und ARG zu finden, die ursprünglich im Ministerialentwurf 160/ME NR 25. GP, LN Rechtsnews 20463 vom 28. 10. 2015, vorgesehen waren; sie betreffen die Sonderbestimmungen für Lenker bei begleiteten Sondertransporten und das Bordpersonal von Luftverkehrsunternehmen und treten mit 18. 2. 2016 in Kraft treten.

7. Entgeltanspruch während 6 Wochen nach der Geburt

Die folgende Adaptierung des § 8 Abs 4 AngG erfolgte durch einen Abänderungsantrag im Ausschuss für Arbeit und Soziales (AB 3. 12. 2015, 948 BlgNR 25.GP):

Weiblichen Angestellten gebührt der Anspruch auf das Entgelt gemäß § 8 Abs 4 AngG während der 6 Wochen nach der Entbindung nur insoweit, als ihnen nicht Wochengeld oder Krankengeld zukommt. Kein Entgeltanspruch besteht auch für jene Arbeitnehmerinnen, die sich vor dem individuellen und absoluten Beschäftigungsverbot vor der Entbindung in Karenz nach dem MSchG oder in einer Karenz befanden, die zur Betreuung eines Kindes zivilrechtlich vereinbart wurde. Nicht umfasst sind Karenzen, die aufgrund spezieller arbeitsrechtlicher Normen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie - wie etwa Familienhospizkarenz, Pflegekarenz oder Bildungskarenz - angetreten wurden. Ansprüche nach § 8 Abs 4 AngG stellen keine wochengeldähnlichen Leistung dar, die zu einem Entfall des Kinderbetreuungsgeldes führen würde.

Da weibliche Angestellte aufgrund ihres bestehenden Arbeitsverhältnisses auch dem MSchG und somit den Bestimmungen über das Beschäftigungsverbot nach der Entbindung unterliegen, können die derzeit geltenden Regelungen des § 8 Abs 4 erster Satz zweiter Halbsatz AngG entfallen.

8. Weitere arbeitsrechtliche Änderungen

Weitere Änderungen betreffen:

-In § 23a AngG wird festgelegt, dass ein Abfertigungsanspruch auch dann besteht, wenn das Arbeitsverhältnis wegen bescheidmäßiger Feststellung der Berufsunfähigkeit gemäß § 367 Abs 4 ASVG in der Dauer von mindestens 6 Monaten durch Kündigung seitens des Arbeitnehmers endet. Eine dementsprechende Anpassung erfolgt auch bei den Abfertigungsregelungen im BUAG und im GAngG.
-Im BPG wird klargestellt, dass ein Leistungsanspruch aus einer betrieblichen Pensionszusage für den Fall einer befristeten Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension auch beim Bezug von Rehabilitations- und Umschulungsgeld gebührt.
-Durch einen neuen § 15b AVRAG wird sichergestellt, dass dienstzeitabhängige Rechte von Arbeitnehmern während der Dauer des Bezuges von Rehabilitationsgeld bzw der für diesen Zeitraum gesetzlich angeordneten Karenzierung nicht weiter anwachsen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20848 vom 29.12.2015