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„Arbeitsrechtspaket 2015“ - Ministerialentwurf

Bearbeiter: Manfred Lindmayr

Ministerialentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das AVRAG, das AngG, das AZG und das KJBG 1987 geändert werden sollen

Ministerialentwurf 30. 10. 2015, 164/ME NR 25. GP -> Gesetzwerdung bleibt abzuwarten

1. Überblick

Der vorliegende Begutachtungsentwurf sieht Änderungen im Bereich des Arbeitsvertragsrechts sowie im Bereich des Arbeitszeitrechts vor, die die Mobilität von Arbeitnehmern erhöhen und Erleichterungen für Arbeitgeber bringen sollen. Das Vorhaben umfasst hauptsächlich folgende Maßnahmen:

-gesetzliche Verpflichtung zur Ausstellung einer schriftlichen All-In-Vereinbarung, in der der Ist-Grundlohn ausgewiesen werden muss;
-gesetzliche Verpflichtung zur Ausstellung einer detaillierten Lohnabrechnung;
-Anhebung der Entgeltgrenze bei der Konkurrenzklausel;
-Herabsetzung der Bindungswirkung einer Vereinbarung zum Ausbildungskostenrückersatz sowie zwingende monatliche Aliquotierung des rückzuzahlenden Ausbildungsbetrags;
-Verlängerung der täglichen Höchstarbeitszeit durch aktive Reisezeiten und bei Lehrlingen über 16 durch passive Reisezeiten.

2. Transparenz bei Entgeltvereinbarungen

2.1. Angabe des Grundlohns im Dienstzettel

Im Sinne einer verbesserten Transparenz bei Entgeltvereinbarungen sind im Dienstzettel künftig der monatlich zustehende Grundlohn oder das Grundgehalt (= der Lohn für die Normalarbeitszeit, zB 40 Stunden/Woche) betragsmäßig darzustellen; eine Darstellung dieser Beträge durch Verweis auf die für das jeweilige Arbeitsverhältnis geltenden gesetzlichen oder kollektiven Lohnvorschriften gemäß § 2 Abs 5 AVRAG ist dann nur mehr hinsichtlich der sonstigen Entgelte zulässig, nicht aber in Bezug auf Grundgehalt oder Grundlohn (§ 2 Abs 2 Z 9 AVRAG).

Eine Änderung des Grundgehalts oder -lohns ist dem Arbeitnehmer entsprechend § 2 Abs 6 AVRAG schriftlich mitzuteilen; diese Information kann allerdings dann unterbleiben, wenn die Änderung durch gesetzliche oder kollektive Lohnvorschriften erfolgt, auf die gemäß § 2 Abs 5 AVRAG verwiesen wurde oder die unmittelbar den Grundgehalt oder -lohn betreffen.

2.2. Änderung bei All-In-Verträgen

In Arbeitsverträgen werden immer öfter Pauschalentlohnungen vereinbart, mit denen sämtliche Arbeitsleistungen abgegolten werden sollen. Die Besonderheit dieser so genannten „echten All-in-Vereinbarungen“ besteht darin, dass nur ein Entgelt für die gesamte Arbeitszeit vereinbart wird und daher nicht zwischen Grundlohn und Mehrleistungsentgelt unterschieden wird. Die Judikatur hat solche Klauseln in mehreren Entscheidungen akzeptiert, es wurde bei der Berechnung der abgedeckten Überstunden ein „angemessenes Entgelt“ gemäß § 1152 ABGB bzw das kollektivvertragliche Mindestentgelt für die Normalarbeitszeit als Grundlohn zugrunde gelegt. Wenn im Durchschnitt mehr Überstunden geleistet werden als von der Pauschalvereinbarung - unter Berücksichtigung des Grundlohns für die Normalarbeitszeit - abgedeckt werden können, sind diese nach der Judikatur eigens abzugelten.

Im Vergleich zu einer Überstundenpauschale (Pauschale zu einem höheren branchen- und ortsüblichen Grundlohn) findet in der All-in Vereinbarung eine höhere Anzahl an Überstunden Deckung, weil sich deren Grundlohn nach der Rechtsprechung „nur“ nach dem angemessenen Entgelt bzw dem kollektivvertraglichen Mindestentgelt bemisst. Mangels Ausweisung des Grundlohns bleibt jedoch dem Arbeitnehmer der Grundlohn und damit auch die Grundlage für die Berechnung der abgegoltenen Überstunden im Dunkeln. Arbeitnehmer werden somit regelmäßig zu einem späteren Zeitpunkt von der Ungünstigkeit von All-in Vereinbarungen überrascht.

In einem neuen § 2g AVRAG ist nunmehr vorgesehen, dass bei pauschalen Entgeltvereinbarungen künftig der dem Arbeitnehmer zustehende Grundlohn jedenfalls im Arbeitsvertrag oder Dienstzettel ausgewiesen werden muss. Ist dies nicht der Fall, hat der Arbeitnehmer zwingend Anspruch auf den branchen- und ortsüblichen Normalstundenlohn (Ist-Grundlohn), der am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmer von vergleichbaren Arbeitgeber gebührt. Der branchen- und ortsübliche Normalstundenlohn ist der Berechnung der abzugeltenden zeitbezogenen Entgeltbestandteile zugrunde zu legen. Der Arbeitnehmer hat damit einen doppelten Vorteil: einerseits einen höheren Grundlohn, andererseits eine eindeutige Grundlage für die Geltendmachung bzw Berechnung der über das Pauschale hinaus geleisteten Überstunden.

Die Neuregelung soll für Pauschalentgeltvereinbarung gelten, die nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung (mit dem der Kundmachung folgenden Tag) neu abgeschlossen werden.

2.3. Ausstellung von Lohnzettel und SV-Meldung

Neben der geplanten gesetzliche Verpflichtung zu schriftlichen All-In-Vereinbarungen soll auch eine gesetzliche Verpflichtung zur Ausstellung eines Lohnzettels verankert werden: Der neue § 2f Abs 1 AVRAG sieht dazu vor, dass dem Arbeitnehmer ab 1. 1. 2016 „bei Fälligkeit des Entgelts eine schriftliche, übersichtliche, nachvollziehbare und vollständige Abrechnung“ der Bezüge zu übermitteln ist.

Die Erläuterungen führen diesbezüglich aus, dass die Lohnabrechnung daher etwa neben einer Auflistung der für die Lohnzahlungsperiode gebührenden Bruttobezüge (bzw Nettobezüge, falls eine Nettoentlohnung vereinbart wurde) auch die Beiträge nach dem BMSVG an die Betriebliche Mitarbeitervorsorgekasse oder allfällige Beiträge/Prämien nach dem BPG zu einer Pensionskassenzusage/Betrieblichen Kollektivversicherung auszuweisen hat. Weiters sind in der Lohnabrechnung auch die Sachbezüge und Aufwandsentschädigungen des jeweiligen Abrechnungszeitraums darzustellen. Damit der Arbeitnehmer die Lohnabrechnung nachvollziehen kann, ist die jeweilige Bemessungsgrundlage der in der Abrechnung angeführten Bezüge anzuführen.

Weiters soll in § 2f Abs 2 AVRAG klargestellt werden, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Aushändigung einer Kopie der Anmeldung zur Sozialversicherung gemäß § 33 ASVG hat.

3. Änderungen bei Konkurrenzklauseln

Um Arbeitnehmern die Realisierung vorhandener Mobilitätschancen nach Ende des Arbeitsverhältnisses zu erleichtern, sieht der Begutachtungsentwurf eine Einschränkung von Konkurrenzklauseln durch eine Anhebung der Entgeltgrenze vor: Diese sollen künftig nur für Arbeitnehmer erlaubt sein, deren letztes Monatsentgelt über dem 20-fachen der täglichen ASVG-Höchstbeitragsgrundlage liegt (neue Entgeltgrenze für 2016: € 3.240,-). Bisher betrug die Entgeltgrenze das 17-fache der täglichen ASVG-Höchstbeitragsgrundlage. (§ 2c Abs 2 AVRAG, § 36 Abs 2 AngG)

Weiters soll klargestellt werden, dass Sonderzahlungen bei der Berechnung der Entgeltgrenze - entgegen der bisherigen Rechtsprechung (vgl OGH 11. 5. 2010, 9 ObA 154/09a, ARD 6084/2/2010) - außer Acht zu lassen sind. Durch diese Maßnahmen wird die Entgeltgrenze auf zweifache Weise angehoben und bewirkt, dass doch erst die Gruppe der überdurchschnittlich verdienenden Arbeitnehmer in ihrer beruflichen Mobilität durch eine Konkurrenzklausel zulässigerweise beschränkt werden können.

Die Höhe einer Konventionalstrafe, die für den Fall des Zuwiderhandelns gegen eine Konkurrenzklausel vereinbart wird, wird mit höchstens 6 Netto-Monatsentgelten (ohne Sonderzahlungen) begrenzt (§ 2c Abs 5 AVRAG, § 37 Abs 3 AngG).

Die Neuregelung des Konkurrenzklauselrechts findet Anwendung auf Vereinbarungen über eine Konkurrenzklausel bzw eine Konventionalstrafe, die nach Inkrafttreten der Änderungen (mit dem der Kundmachung folgenden Tag) neu abgeschlossen werden.

4. Änderungen beim Ausbildungskostenrückersatz

Das Regierungsprogramm für die 25. Gesetzgebungsperiode sieht im Bereich des Ausbildungskostenrückersatzes eine Verkürzung der Rückforderungsfrist auf 4 Jahre sowie hinsichtlich des Rückerstattungsbetrags eine zwingende monatliche Aliquotierung vor. Dementsprechend soll daher in § 2d Abs 3 Z 2 AVRAG gesetzlich eine Absenkung der maximal zulässigen Bindungsdauer für den Ausbildungskostenrückersatz von fünf auf vier Jahre vorgesehen werden. Die in besonderen Fällen bestehende Möglichkeit der Vereinbarung einer bis zu achtjährigen Bindungsdauer bleibt unverändert.

Weiters wird in § 2d Abs 3 Z 3 AVRAG klargestellt, dass in der Rückzahlungsvereinbarung zwingend zu vereinbaren ist, dass sich der vereinbarte Rückzahlungsbetrag anteilig für jeden im Arbeitsverhältnis nach erfolgreicher Beendigung der Ausbildung zurückgelegten Monat anteilig verringert. Eine davon abweichende Ausgestaltung der zeitlichen Aliquotierung des Rückerstattungsbetrags (etwa eine jährliche Aliquotierung) ist aufgrund des zwingenden Charakters dieser Bestimmung unzulässig und hat die Unwirksamkeit der (gesamten) Rückzahlungsvereinbarung zur Folge. Günstigere Vereinbarungen, etwa die Vereinbarung einer vorzeitigen Reduktion der Rückzahlungspflicht (etwa eine wöchentliche Aliquotierung), sind zulässig.

Die neuen Regelungen treten am Tag nach Kundmachung der Gesetzesänderung im BGBl in Kraft und finden Anwendung auf nach diesem Zeitpunkt neu abgeschlossene Vereinbarungen. Die geänderten Bestimmungen sind somit auch im Fall von Arbeitsverhältnissen zu beachten, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens aufrecht sind. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bestehende kollektivvertragliche Regelungen des Ausbildungskostenrückersatzes, die eine davon abweichende Aliquotierung der Rückersatzverpflichtung vorsehen (etwa eine Aliquotierung nach Jahren), sind im Fall von neu geschlossenen Rückersatzvereinbarungen unbeachtlich.

Hinweis: Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass nach der Rechtsprechung des OGH für jede Ausbildung eine eigene Rückersatzvereinbarung zu treffen ist (vgl OGH 21. 12. 2011, 9 ObA 125/11i, ARD 6209/1/2012).

5. Konventionalstrafen

Die bisherige Regelung des § 2c Abs 6 AVRAG läßt unklar, ob dem richterlichen Mäßigungsrecht nur eine Konventionalstrafe unterliegt, die im Zusammenhang mit einer Konkurrenzklausel vereinbart wurde, oder auch in sonstigen Fällen vereinbarte Konventionalstrafen. Mit § 2e AVRAG soll nunmehr aus Gründen der Rechtssicherheit - nach dem Vorbild des § 38 AngG - klargestellt werden, dass mit Arbeitnehmern vereinbarte Konventionalstrafen generell dem richterlichen Mäßigungsrecht unterliegen.

6. Änderungen im Arbeitszeitrecht

6.1. Informationsrecht für Teilzeitbeschäftigte

Der Begutachtungsentwurf sieht vor, dass Arbeitgeber teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer künftig zu informieren hat, wenn im Betrieb frei werdende Arbeitsplätze ausgeschrieben werden, die zu einem höheren Arbeitszeitausmaß führen können (§ 19d Abs 2a AZG). Der Begriff „Ausschreibung“ ist dabei iSd § 9 GlBG zu verstehen und umfasst jede Form der externen und internen Bekanntmachung einer geplanten Besetzung, die sich an mehr als eine Person richtet.

Die Information kann durch allgemeine Bekanntgabe an einer geeigneten, für die Teilzeitbeschäftigten leicht zugänglichen Stelle im Betrieb erfolgen. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift soll mit einer Geldstrafe von € 20,- bis € 436,- sanktioniert werden können (§ 28 Abs 1 Z 6 AZG).

6.2. Ausweitung der Reisezeitregelungen

6.2.1. Erwachsene Arbeitnehmer

Nach § 20b Abs 1 AZG können die Höchstgrenzen der Arbeitszeit durch Reisezeiten unbeschränkt überschritten werden, sofern der Arbeitnehmer während der Reisebewegung keine Arbeitsleistung erbringt („passive Reisezeiten“).

Nunmehr ist in einem neuen § 20b Abs 6 AZG vorgesehen, dass es ab 1. 1. 2016 auch durch aktive Reisezeiten zu einer Verlängerung der täglichen Höchstarbeitszeit kommen kann: So soll eine Arbeitszeit bis zu 12 Stunden möglich sein, wenn während der Reisebewegung durch das angeordnete Lenken eines Fahrzeugs eine Arbeitsleistung erbracht wird. Damit soll insbesondere die Rückkehr an den Arbeits- bzw Wohnort noch am Tag der auswärtigen Arbeitsleistung ermöglicht werden. Dies gilt jedoch nur für Arbeitnehmer, bei denen das Lenken nicht eine Haupttätigkeit darstellt.

Eine Anordnung kann entweder ausdrücklich oder schlüssig erfolgen. Eine schlüssige Anordnung liegt etwa vor, wenn das Reiseziel mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht oder nicht in der vorgegebenen Zeit erreicht werden kann.

Der Arbeitsort ist bei dieser Regelung nicht zwingend mit dem Arbeitsort nach dem Arbeitsvertrag bzw dem Dienstzettel gleichzusetzen. Erstreckt sich zB die regelmäßige Tätigkeit von Außendienstmitarbeiter auf mehrere Bundesländer, sind diese als Arbeitsort anzusehen, unabhängig davon, was als Arbeitsort im Arbeitsvertrag festgeschrieben ist. Werden sie jedoch im Einzelfall außerhalb dieses Gebietes tätig, ist eine Arbeitszeitverlängerung nach dieser Bestimmung zulässig.

6.2.2. Jugendliche über 16 Jahre

Für passive Reisezeiten soll auch für Lehrlinge über 16 Jahre eine Bestimmung analog dem § 20a Abs 1 und 2 AZG geschaffen werden, damit jugendliche Lehrlinge oder sonstige Auszubildende die Erwachsenen aus dem Betrieb zu Ausbildungszwecken begleiten können.

Ein neuer § 11 Abs 3a KJBG sieht daher vor: Reisezeit liegt vor, wenn der Jugendliche über Auftrag des Arbeitgebers vorübergehend seinen Dienstort (Arbeitsstätte) verlässt, um an anderen Orten seine Arbeitsleistung zu erbringen, sofern während der Reisebewegung keine Arbeitsleistung erbracht wird. Durch Reisezeiten kann die Tagesarbeitszeit auf bis zu 10 Stunden ausgedehnt werden, wenn der Jugendliche in einem Lehr- oder sonstigen Ausbildungsverhältnis steht und das 16. Lebensjahr vollendet hat; die Grenze für die Wochenarbeitszeit ändert sich dadurch nicht.

Hinweis: Die Begutachtungsfrist endet am 17. 11. 2015.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20513 vom 03.11.2015