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Ausbezahlung von Zeitguthaben und Abfertigung Alt

Bearbeiter: Manfred Lindmayr

AngG § 23

Hatten Arbeitgeber und Arbeitnehmer zwar ursprünglich vereinbart, dass das vom Arbeitnehmer erwirtschaftete Zeitguthaben durch Zeitausgleich abzubauen sei, sind sie aber wenige Monate vor dem Ende des Dienstverhältnisses wegen Pensionierung des Arbeitnehmers trotz der theoretischen Möglichkeit des Naturalausgleichs davon abgegangen und haben die Auszahlung des überwiegenden Teils des Überstundenguthabens über mehrere Monate vereinbart, ist jener Teil des ausbezahlten Überstundenentgelts, der im letzten vollen Jahr vor der Beendigung des Dienstverhältnisses verdient wurde, in die Bemessungsgrundlage für die Abfertigung Alt einzubeziehen.

OGH 28. 6. 2016, 8 ObA 64/15t -> zu OLG Wien 10 Ra 35/15p, ARD 6470/7/2015 (Abänderung)

Sachverhalt

Das Dienstverhältnis der Klägerin endete mit 30. 9. 2013. Wegen einer Änderung der IT-Infrastruktur mussten die Klägerin und ihre Kollegen in den Jahren 2011 bis 2013 Überstunden leisten. Ein Abbau des Guthabens durch Zeitausgleich war vereinbart, konnte aber nicht erreicht werden. Teilweise mussten die Überstundenguthaben deshalb ausbezahlt werden.

Im Hinblick auf die bevorstehende Pensionierung der Klägerin wurden ihr vom Arbeitgeber ab Ende März 2013 (Stand des Überstundenguthabens: 437) bis Juli 2013 monatlich je 40 Überstunden abgerechnet und bezahlt. Die Zahlung des Guthabens in Monatsraten an Stelle eines Einmalbetrags entsprach ihrem Wunsch. Vom 5. 8. bis 6. 9. 2013 konsumierte die Klägerin noch weitere 159 Zeitausgleichsstunden, das restliche Überstundenguthaben wurde ausbezahlt.

Als Bemessungsgrundlage für die Abfertigung Alt zog der Arbeitgeber das letzte Bruttomonatsentgelt bestehend aus Gehalt und Fixprämie heran. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Zahlung jener Abfertigungsdifferenz, die sich unter Einbeziehung des Durchschnittsentgelts für die im letzten vollen Beschäftigungsjahr (1. 10. 2012 bis 30. 9. 2013) geleisteten 171,75 Überstunden in die Bemessungsgrundlage ergibt.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren übereinstimmend ab. Der OGH gab nun aber der Revision der Klägerin Folge und änderte die Urteile im klagsstattgebenden Sinn ab. Er begründete dies zusammengefasst wie folgt:

Entscheidung

Bemessungsgrundlage für Abfertigung

Die Berechnung des Abfertigungsanspruchs beruht auf der Basis des für den letzten Monat des Dienstverhältnisses regelmäßig gebührenden Durchschnittsverdienstes. Bei schwankenden Einkünften ist auf den Durchschnitt des im letzten Jahr erworbenen Verdienstes, einschließlich bezahlter Überstundenentgelte, abzustellen.

Der OGH weist auf seine eine Gleitzeitvereinbarung betreffende Entscheidung OGH 29. 1. 2013, 9 ObA 124/12v, ARD 6311/3/2013 hin, wonach eine Vereinbarung, dass Zeitguthaben durch Zeitausgleich abzubauen sind, lediglich zu einer anderen Verteilung der Arbeitszeit führt, ohne dass die Gewährung eines auf die Normalarbeitszeit anzurechnenden Freizeitausgleichs ein zusätzliches Entgelt für die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft darstellen könnte. War in diesem Sinn vereinbart, dass der Arbeitnehmer die durchschnittlich im Monat geleisteten Überstunden durch Zeitausgleich ausgleicht, kann aber ein Teil davon nicht mehr vor Beendigung des Dienstverhältnisses ausgeglichen werden, so ist der dafür bezahlte Geldersatz in die Bemessungsgrundlage für die Abfertigung Alt nicht einzubeziehen, weil es bei dieser bloß einmaligen Zahlung an den Minimalvoraussetzungen für die Annahme eines regelmäßigen Charakters dieses Bezugs mangelt.

Anderes habe aber dann zu gelten, wenn eine Übereinkunft dahin besteht, vom Ausgleich eines Zeitguthabens durch Zeitausgleich abzugehen und dem Arbeitnehmer die Gutstunden regelmäßig als Überstunden zu entlohnen.

Abgehen von Zeitausgleichsvereinbarung

Der OGH führt weiter aus, dass der vorliegende Sachverhalt wesentliche Elemente aufweist, die ein schlüssiges Abgehen der Streitteile von der grundsätzlichen Zeitausgleichsvereinbarung begründen.

Eine allgemeine Gleitzeitregelung (wie sie der Entscheidung 9 ObA 124/12v zugrunde lag) war zwischen den Parteien nicht vereinbart. Die Leistung zahlreicher Überstunden wurde erst in den letzten drei Jahren des Dienstverhältnisses der Klägerin zur Bewältigung eines plötzlich gestiegenen Arbeitsaufwands erforderlich.

Der zwischen den Streitteilen vereinbarte Abbau dieser Überstunden durch Zeitausgleich gelangte jedoch praktisch von Beginn an nicht zur Verwirklichung. Ein Abbau von immer noch offenen 437 Überstunden durch Zeitausgleich (1:1,5) wäre ab März 2013 bis zum Pensionsantritt der Klägerin immer noch möglich gewesen, wenn es auch rund vier Monate ihrer verbleibenden Dienstzeit in Anspruch genommen hätte.

Spätestens mit ihrer im März 2013 getroffenen Vereinbarung, den überwiegenden Teil des Überstundenguthabens trotz der theoretischen Möglichkeit des Naturalausgleichs auszubezahlen, sind die Streitteile daher einvernehmlich von der ursprünglichen Zeitausgleichsvereinbarung abgegangen.

Überstunden einzurechnen

Zuletzt weist der OGH darauf hin, dass das Klagebegehren auf Einrechnung des Durchschnitts der im letzten vollen Jahr vor der Beendigung des Dienstverhältnisses geleisteten 171,75 Überstunden abzielt. Es beziehe sich daher richtigerweise nicht auf das gesamte im Jahr 2013 ausbezahlte Überstundenentgelt, sondern nur auf jenen Teil, den die Klägerin im Zeitraum ab 1. 10. 2012 verdient hat. Dieser Anteil sei als regelmäßiger Verdienst in die Abfertigungsbemessungsgrundlage einzurechnen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 22016 vom 21.07.2016