News

Ausgleichszulage: Berücksichtigung einer Lebensgemeinschaft

Bearbeiter: Bettina Sabara / Bearbeiter: Barbara Tuma

ASVG § 292 Abs 3

Im Ausgleichszulagenrecht hat der Gesetzgeber die „Synergieeffekte“ durch gemeinsames Wohnen und gemeinsame Lebensführung nur für Ehepartner und eingetragene Partner pauschal berücksichtigt, und zwar durch einen höheren Richtsatz („Familienrichtsatz“) bei gleichzeitiger pauschaler Anrechnung des Partnereinkommens. Im Fall einer Lebensgemeinschaft ist hingegen eine pauschale Anrechnung der Einkünfte des Lebensgefährten weiterhin ausgeschlossen. Nur wenn ein Lebensgefährte vom anderen die „volle freie Station“ erhält (freie Unterkunft und Verpflegung), ist diese mit den Pauschalwerten nach der Sachbezugswerteverordnung anzusetzen; ansonsten sind die im Einzelnen festgestellten, bedarfsmindernden Zuwendungen des Lebensgefährten zu berücksichtigen.

Trägt ein Ausgleichszulagenbezieher daher im Rahmen einer Lebensgemeinschaft die Hälfte aller anfallenden Lebenshaltungskosten (Miete, Betriebs-, Strom-, Heizungs-, Lebensmittel-, aber auch Telefon- und Fernsehkosten), erhält er von seiner Lebensgefährtin aber keine Zuwendungen, kann nicht pauschal ein zusätzliches monatliches Nettoeinkommen auf seinen Anspruch auf Ausgleichszulage angerechnet werden.

OGH 22. 2. 2016, 10 ObS 147/15p

Sachverhalt

Der Kläger lebt in einer Lebensgemeinschaft und trägt die Hälfte aller laufenden Kosten (Miet-, Betriebs-, Strom-, Heizungs-, Telefon- und Fernsehkosten) und der Kosten für Lebensmittel; dieser Hälfteanteil des Klägers beträgt ca € 300,- monatlich.

Strittig ist, ob und inwieweit die Lebensgemeinschaft bei der Ermittlung der Höhe der Ausgleichszulage zu berücksichtigen ist: Die beklagte Pensionsversicherungsanstalt (PVA) hatte pauschal einen Teil des Einkommens der Lebensgefährtin angerechnet. Das ErstG ging davon aus, dass der halbe Wert der „freien Station“ anzurechnen sei, während das BerufungsG von einer Anrechnung der „freien Station“ absah, weil der Beitrag des Klägers zu den Lebenshaltungskosten ohnedies den Pauschalwert für die „freie Station“ erreiche und daher dafür nicht noch ein weiterer Betrag anzusetzen sei.

Der OGH ließ die Revision zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage besteht, ob eine Lebensgemeinschaft bei der Ermittlung der Höhe der Ausgleichszulage dann nicht zu berücksichtigen ist, wenn die vom Ausgleichszulagenbezieher im Rahmen der Lebensgemeinschaft für seine Lebenshaltung aufgewendeten Kosten dem in § 292 Abs 3 ASVG genannten Betrag für eine „volle freie Station“ entsprechen.

Im Ergebnis erwies sich die Revision der beklagten PVA allerdings als nicht erfolgreich.

Entscheidung

Unterschied Ehegatten - Lebensgefährten

Dass sich ein gemeinsamer Haushalt im Ausgleichszulagenrecht unterschiedlich auswirkt, je nachdem ob es sich um Ehepartner (eingetragene Partner) handelt oder um Lebensgefährten, hat der OGH bereits mehrfach ausgesprochen:

Der Gesetzgeber gehe im Ausgleichszulagenrecht davon aus, dass bei einem gemeinsamen Haushalt von Ehepartnern (eingetragenen Partnern) idR eine so enge Wirtschaftsgemeinschaft besteht, die bei der Feststellung des Anspruchs auf Ausgleichszulage nicht nur den höheren sogenannten Familienrichtsatz rechtfertigt, sondern auch die Berücksichtigung des gesamten Nettoeinkommens des Ehegatten bzw des eingetragenen Partners.

Durch gemeinsames Wirtschaften komme es zwar auch bei Lebensgefährten idR zu einer tatsächlichen Erleichterung der wirtschaftlichen Lebensführung (vgl OGH 16. 7. 1998, 10 ObS 244/98z, ARD 4963/16/98), weil es bei einer gemeinsamen Haushaltsführung nicht unbeträchtliche Einsparmöglichkeiten und hauswirtschaftliche Synergien gibt. Der Gesetzgeber habe jedoch bei der Ausgleichszulage - anders als bei der Notstandshilfe (vgl § 36 Abs 2 und 3 AlVG) - darauf verzichtet, das Einkommen des Lebensgefährten anzurechnen und bei der Prüfung des Anspruchs auf Ausgleichszulage zu berücksichtigen (vgl OGH 6. 9. 2005, 10 ObS 271/03f, ARD 5666/10/2006).

Im Ausgleichszulagenrecht fehle es daher an einer gesetzlichen Grundlage dafür, dem Ausgleichszulagenbezieher unter Anwendung des Familienrichtsatzes das Einkommen des im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebensgefährten zuzurechnen; es komme daher nur die Berücksichtigung im Einzelnen festgestellter, bedarfsmindernder Zuwendungen des Lebensgefährten in Betracht. In diesem Sinne wurde in der Entscheidung OGH 16. 9. 2003, 10 ObS 196/03a, ARD 5482/9/2004, die im Rahmen einer Lebensgemeinschaft regelmäßig gewährte „freie Station“ (freies Quartier und freie Verpflegung) als Sachbezug mit Versorgungscharakter auf den Anspruch auf Ausgleichszulage angerechnet (mit dem in § 292 Abs 3 ASVG hiefür für maßgeblich erklärten Bewertungssatz).

Keine Pauschalanrechnung

Nach den Festellungen hat der Kläger im vorliegenden Fall von seiner Lebensgefährtin keine Zuwendungen erhalten und die Hälfte aller im Rahmen der Lebensgemeinschaft anfallenden laufenden Kosten selbst getragen (Miet-, Betriebs-, Strom-, Heizungs-, Lebensmittel-, aber auch Telefon- und Fernsehkosten). Ein finanzieller Vorteil bzw Synergieeffekt käme dem Kläger nur dann und insoweit zu, als in diesen Lebenshaltungskosten auch ausschließlich ihm (allein) zugutekommende Leistungen enthalten wären und er sich den dafür notwendigen Geldaufwand erspart, so der OGH. Dafür bietet der festgestellte Sachverhalt jedoch keine Anhaltspunkte.

Da im Fall einer Lebensgemeinschaft aber nur entweder die gewährte freie Station pauschaliert als Einkunft iSd § 292 Abs 3 ASVG zu werten ist oder die im Einzelnen festgestellten, bedarfsmindernden Zuwendungen des Lebensgefährten zu berücksichtigen sind, bieten das Gesetz und die Rsp nach Ansicht des OGH keine Deckung für die von der bekl Pensionsversicherungsanstalt hier im Bescheid angewendete Berechnungsmethode, pauschal die halbe Differenz vom doppelten Einzelrichtsatz auf den Familienrichtsatz als weiteres Einkommen iSd § 293 Abs 3 ASVG anzunehmen und diese Differenz als zusätzliches monatliches Nettoeinkommen auf den Ausgleichszulagenanspruch des Klägers anzurechnen. Auch wenn die Zuwendungen und Ersparnisse im Rahmen einer Lebensgemeinschaft in der Praxis schwierig zu erfassen und zu bewerten sein mögen, verlangt der OGH dennoch entsprechende Erhebungen und Feststellungen.

Weiters lehnt der OGH auch die Ansicht des BerufungsG ab, dass ein betragsmäßiger Vergleich des Sachbezugswerts nach der SachbezugswerteVO und der konkret getragenen Aufwendungen des Ausgleichszulagenwerbers für die Anrechnung des Sachbezugs bzw deren Unterbleiben maßgeblich wäre: Nach dem Wortlaut des § 292 Abs 3 ASVG ist der jeweilige Pauschalwert „als Wert der vollen freien Station“ heranzuziehen, woraus sich nach Ansicht des OGH eindeutig ergibt, dass die vorgesehene Pauschalanrechnung der Sachbezüge unabhängig vom tatsächlichen Wert zu erfolgen hat (vgl OGH 16. 9. 2003, 10 ObS 196/03a, ARD 5482/9/2004). Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen - so der OGH weiter -, dass dem Pauschalwert darüber hinaus eine Funktion als (absolute) „Vergleichsgröße“ bei Beantwortung der Frage zukäme, ob sich der Ausgleichszulagenbezieher eine freie Station (für Wohnung und Verpflegung) als Sachbezug anrechnen lassen muss.

Ein Vergleich zwischen der Höhe der im Einzelfall aufgewendeten Beträge und der Höhe des Pauschalwerts nach § 292 Abs 3 ASVG würde nach Ansicht des OGH im Hinblick auf die „vielfach verschiedenartige Gestaltung der Lebensgemeinschaft“ zu sachwidrigen Ergebnissen führen: Bei einer Lebensgemeinschaft mit hohen Lebenshaltungskosten müsste sich der Ausgleichszulagenbezieher keinen Sachbezug anrechnen lassen, wenn er prozentmäßig zwar nur einen geringen Anteil trägt, dieser aber den Pauschalwert des § 292 Abs 3 zweiter Satz ASVG erreicht; bei einer Lebensgemeinschaft mit niedrigeren Lebenshaltungskosten hingegen wäre dem Ausgleichszulagenbezieher der Pauschalbetrag als Einkommen zuzurechnen, wenn er zwar prozentmäßig einen höheren Anteil trägt, dieser aber den Pauschalwert nach § 292 Abs 3 zweiter Satz ASVG betragsmäßig nicht erreicht. Die Zufälligkeit dieser Ergebnisse zeige, dass das Unterbleiben der Anrechnung nicht von einem betraglichen Vergleich zwischen der Höhe der vom Ausgleichszulagenbezieher in der Lebensgemeinschaft im Einzelfall aufgewendeten Beträge und dem Pauschalwert nach § 292 Abs 3 ASVG abhängig sein kann.

Zusammenfassend hält der OGH daher für den vorliegenden Fall fest: Die von der Pensionsversicherungsantalt allein aufgrund der Tatsache des Bestehens einer Lebensgemeinschaft angestrebte Berücksichtigung eines zusätzlichen monatlichen Nettoeinkommens des Klägers auf seinen Anspruch auf Ausgleichszulage kommt iSd oben dargelegten Ausführungen nicht in Betracht, weil der Kläger nach den getroffenen Feststellungen im Rahmen der Lebensgemeinschaft die Hälfte aller anfallenden Lebenshaltungskosten trägt und somit eine (auch nur teilweise) Deckung seines Lebensunterhalts durch seine Lebensgefährtin nicht erfolgt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21321 vom 22.03.2016