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Betriebliche Vorsorgekasse: Rückforderung irrtümlich geleisteter Beiträge

Bearbeiter: Manfred Lindmayr / Bearbeiter: Barbara Tuma

BMSVG: § 14, § 17

ASVG § 69

Hat der Arbeitgeber für einen Arbeitnehmer irrtümlich Beiträge zur Betrieblichen Vorsorgekasse eingezahlt, obwohl der Arbeitnehmer dem System Abfertigung Alt unterlag, kann er die Beiträge nicht vom Arbeitnehmer zurückfordern. Der Arbeitnehmer ist durch die rechtsirrig erfolgten Beitragszahlungen nämlich nicht bereichert, weil die BV-Kasse ihm gegenüber keine Leistung erbracht hat. Mangels einer Leistungspflicht des Arbeitgebers ist der Arbeitnehmer gegenüber der Vorsorgekasse auch nicht einmal Anwartschaftsberechtigter.

OGH 29. 7. 2015, 9 ObA 65/15x

Sachverhalt

Die Klägerin war seit 1995 beim beklagten Arbeitgeber (bzw dessen Rechtsvorgänger) beschäftigt. Infolge einer gesetzlichen Änderung blieb sie nach Ablauf der vereinbarten Karenzzeit noch ein weiteres Jahr in Karenz und nahm erst 2003 ihre Arbeit wieder auf. Der Arbeitgeber war der Meinung, es bestehe nun ein zweites Dienstverhältnis, und bezahlte ab dem Jahr 2003 für sie Beiträge in die Betriebliche Vorsorgekasse ein. Die Klägerin wies ihn sowohl 2006 als auch 2009 darauf hin, dass sie ein einziges durchgehendes Dienstverhältnis habe und ersuchte um Richtigstellung; dies geschah jedoch nicht.

Nach der Kündigung durch den Arbeitgeber begehrt die Arbeitnehmerin nun mit ihrer Klage Abfertigung Alt iHv 6 Monatsentgelten, ausgehend von einem durchgehenden Dienstverhältnis ab 1995. Die Berechtigung dieses Anspruchs ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig, der Arbeitgeber hielt dem jedoch die seit 2003 bezahlten Beiträge an die Betriebliche Vorsorgekasse als Gegenforderung entgegen.

Das BerufungsG erachtete die Gegenforderung für nicht berechtigt, weil durch die irrtümliche Leistung von Beiträgen an die Vorsorgekasse keine Formalversicherung begründet werde und die Klägerin gegenüber der Vorsorgekasse auch nicht anwartschaftsberechtigt sei.

Entscheidung

Hinsichtlich zu Unrecht entrichteter Beiträge kommt § 69 ASVG iVm § 6 Abs 2 Satz 2 BMSVG zur Anwendung; danach können zu Ungebühr entrichtete Beiträge zurückgefordert werden; das Recht auf Rückforderung verjährt allerdings nach Ablauf von 5 Jahren nach deren Zahlung.

Da diese Bestimmung zunächst aber nur das Beitragsverhältnis zwischen dem Dienstgeber und dem KrV-Träger (und allenfalls der BV-Kasse) betrifft, war hier fraglich, ob auch ein direkter privatrechtlicher Rückforderungsanspruch des Dienstgebers gegenüber dem Dienstnehmer wegen ungerechtfertigter Bereicherung bestehen kann. Dies wird vom OGH verneint:

Keine Bereicherung durch BV-Beiträge

Die Beitragsleistungen als solche fließen nicht der Arbeitnehmerin zu und müssen auch der Höhe nach nicht mit einer allfälligen Leistung der BV-Kasse an die Arbeitnehmerin ident sein, weil die Leistung je nach Veranlagungsergebnis der BV-Kasse, Verzinsung, Verwaltungskosten ua davon abweichen kann. Um die eigentlichen Beitragsleistungen des Arbeitgebers ist die Arbeitnehmerin daher nicht bereichert.

Keine Bereicherung durch eine Leistung der BV-Kasse

Aber auch sonst kann der OGH keine Bereicherung der Klägerin erkennen: Nach Auseinandersetzung mit den Ansichten der Lehre zur Frage, wann von einer „Leistungserbringung“ der BV-Kasse an den Dienstnehmer auszugehen ist, hält der OGH fest, dass dem Dienstnehmer die Leistung der BV-Kasse jedenfalls erst dann als zugeflossen gelten kann, wenn sie entweder tatsächlich zugeflossen ist oder er darüber iSd § 17 BMSVG verfügt hat, nicht aber, wenn sie vom Arbeitnehmer bloß in der bisherigen BV-Kasse stehengelassen wurde. Eine Leistung in diesem Sinn wurde der Klägerin im vorliegenden Fall nicht erbracht, sie kann also nach Ansicht des OGH auch insofern nicht bereichert sein. Dies müsse umso mehr gelten, als die Klägerin die Leistung hier nicht bloß im Sinn einer Weiterveranlagung „stehenlassen“ will, sondern sich sogar mehrfach dezidiert gegen eine Abfertigung neu ausgesprochen und schon den Rechtsvorgänger des beklagten Arbeitgebers ausdrücklich um Korrektur gebeten hat.

Keine Bereicherung durch ein Anwartschaftsrecht

Auch die Berufung auf ein Anwartschaftsrecht der Klägerin auf eine Leistung der BV-Kasse würde den Standpunkt des Arbeitgebers nicht stützen, so der OGH:

Gemäß § 3 Z 2 BMSVG ist Anwartschaftsberechtigter der Arbeitnehmer, für den Beiträge nach den §§ 6 oder 7 BMSVG an die BV-Kasse zu leisten sind oder waren oder für den Übertragungsbeträge nach § 47 BMSVG gezahlt wurden. Das ist bei der Klägerin mangels einer Leistungspflicht des Arbeitgebers nicht der Fall. Dass sich ein Anwartschaftsrecht - über einen gesetzlichen Anspruch hinaus - aus dem Rahmenvertrag des Arbeitgebers mit der BV-Kasse ergeben würde, wurde vom Arbeitgeber nicht behauptet. Es wäre einem Arbeitgeber auch nicht ohne weiteres zu unterstellen, dass er dem Arbeitnehmer, der tatsächlich nicht Anwartschaftsberechtiger ist, einen dem § 14 BMSVG nachgebildeten (vertraglichen) Anspruch einräumen wollte.

Aus diesem Grund verwirft der OGH auch die Ansicht des Arbeitgebers, dass die Klägerin aufgrund ihrer Treuepflicht die Abfertigung neu von der BV-Kasse einzufordern hätte. Diese Ansicht würde zudem die Klägerin nach Beendigung ihres Dienstverhältnisses zur Einforderung einer Leistung von der BV-Kasse verpflichten, die sie nach den Umständen des Falls nicht wünscht und die offenkundig nur der Möglichkeit einer Abschöpfung durch den Arbeitgeber dienen soll.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20156 vom 03.09.2015