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BFG: Hauptwohnsitzbefreiung bei ImmoESt trotz verzögertem Auszug

EStG § 30 Abs 2 Z 1 lit a

Die Beurteilung einer angemessenen Frist zwischen der Veräußerung des alten Wohnsitzes und dessen tatsächlicher Aufgabe kann entgegen der Verwaltungsmeinung (vgl nicht verlängerbare Toleranzfrist von einem Jahr für die Aufgabe des Hauptwohnsitzes in Rz 6641 EStR 2000) nicht an absoluten zeitlichen Vorgaben festgemacht werden. Im vorliegenden Fall eines Neubaus - die Anschaffung des Grundstücks für den neuen Hauptwohnsitz erfolgte vor der Veräußerung des alten Hauptwohnsitzes und erst dann begann die Herstellung des neuen Hauses - ist es für die Inanspruchnahme der Hauptwohnsitzbefreiung daher nicht schädlich, wenn es nur aufgrund von Einsprüchen der Nachbarn eingetretener Verzögerungen beim Neubau nicht gelungen ist, binnen einem Jahr (hier: eineinhalb Jahre) nach Abschluss des Kaufvertrags den neuen Hauptwohnsitz fertigzustellen und zu beziehen.

BFG 28. 10. 2014, RV/6100633/2014

Sachverhalt: Die verfahrensgegenständliche Doppelhaushälfte stand im gemeinsamen Eigentum der Bf und ihres Ehemannes und diente seit 13 Jahren als Hauptwohnsitz der Familie. Die Ehegatten erwarben im Februar 2012 ein Grundstück mit einem alten Haus und planten, dieses Altgebäude abzureißen und ein neues Haus zu errichten, in dem der neue Hauptwohnsitz der Familie begründet werden sollte. Rund drei Monate später begannen sie, den bisherigen Hauptwohnsitz der Familie (die gegenständliche Doppelhaushälfte) zum Verkauf anzubieten. Binnen kurzer Frist meldeten sich Interessenten, die auch bereit waren, der Bf und ihrem Ehemann eine längere Frist bis zur Übergabe zuzugestehen.

Obwohl das neu zu errichtende Haus zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Bau war, planten die Bf und ihr Ehemann damals, im Sommer 2013 in das neue Gebäude zu übersiedeln. Sicherheitshalber wurde jedoch in dem schließlich Anfang Juli 2012 abgeschlossenen Kaufvertrag eine längere Frist für den letztmöglichen Zeitpunkt der Übergabe (31. 12. 2013) ausbedungen.

Unmittelbar nach Abschluss des Kaufvertrags im Juli 2012 wurden die Pläne für das neu zu errichtende Haus eingereicht. Die Baugenehmigung wurde jedoch - nach Einsprüchen der Nachbarn gegen die Bauführung - erst im November 2012 erteilt. Der Baubeginn erfolgte noch im Dezember 2012 mit dem Abriss des Altgebäudes. Durch die verzögerte Erteilung der Baugenehmigung und den daraus resultierenden verzögerten Baubeginn kam es in der Folge auch zu einer Verzögerung in der Fertigstellung des neuen Hauses, die ursprünglich für Sommer 2013 geplant war. Die Bauvollendungsanzeige wurde am 23. 12. 2013 erstellt. Daher mussten die Bf und ihr Ehemann die vereinbarte Frist für die Übergabe des Altgebäudes zur Gänze ausnutzen. Die Schlüsselübergabe für die veräußerte Doppelhaushälfte erfolgte am letzten Tag der Frist und zwar am 31. 12. 2013.

Strittig ist im gegenständlichen Verfahren betreffend die Besteuerung der Grundstücksveräußerung vor dem BFG Salzburg, ob die Aufgabe des Hauptwohnsitzes in einer angemessenen Frist nach der Veräußerung erfolgt ist.

Keine starre Frist

Das FA interpretiert unter Bezugnahme auf Rz 6641 EStR 2000 die Bestimmung des § 30 Abs 2 Z 1 lit a EStG so, dass die Aufgabe des Hauptwohnsitzes, die für die Inanspruchnahme dieser Befreiung erforderlich ist, zeitnahe zur Veräußerung erfolgen müsse. Dabei dürfte die in den EStR 2000 genannte Zeitgrenze (ein Jahr) keinesfalls überschritten werden. Dem folgend erblickt das FA in der Übergabe der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft rund eineinhalb Jahre nach Abschluss des Kaufvertrags einen Verstoß gegen diese Steuerbefreiung.

Diesem Abstellen auf einen bestimmten, nicht verlängerbaren Zeitraum zur Beurteilung einer angemessenen Frist zwischen der Veräußerung des alten Wohnsitzes und dessen tatsächlicher Aufgabe im Einzelfall kann sich das BFG nicht anschließen:

Da die Schaffung eines Hauptwohnsitzes nicht nur im Kauf einer neuen bereits bewohnbaren Liegenschaft bestehen kann, sondern auch die Errichtung eines neuen Wohnobjekts umfasst, kann ein zeitliches Auseinanderfallen zwischen der Veräußerung des alten Hauptwohnsitzes und dem Bezug des neuen Hauptwohnsitzes im Einzelfall eine notwendige Folge der Veräußerung des alten Hauptwohnsitzes sein. Das BFG geht davon aus, dass der Gesetzgeber für den Tatbestand der Hauptwohnsitzbefreiung vor allem einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen der Veräußerung und der Aufgabe des alten Hauptwohnsitzes herstellen wollte.

Dabei kann der Zeitraum zwischen der Veräußerung des alten Hauptwohnsitzes und dem Bezug des neuen Hauptwohnsitzes aber entgegen der Ansicht des FA keine absolute Bedeutung haben, vielmehr hängt es vom jeweils zu beurteilenden Sachverhalt ab, ob diese Befreiung zusteht. Die Zeitpunkte des Verkaufs des alten Hauptwohnsitzes und der Begründung des neuen Hauptwohnsitzes bzw die dazwischen vergangene Zeit sind nach dem Verständnis des BFG nur ein erstes Indiz bei einer derartigen Überprüfung dieses inhaltlichen Zusammenhangs.

Innerer Zusammenhang - angemessene Frist

Zu welch widersinnigem Ergebnis ein Abstellen auf eine bestimmte, nicht verlängerbare Frist führen würde, wird gerade im gegenständlichen Fall deutlich, in dem eine Bauführung ohne Verzögerung wohl „fristgerecht“ gewesen wäre. Wenn aber die Errichtung eines neuen Hauptwohnsitzes geplant war, der Erwerb des Grundstücks dafür bereits vor der Veräußerung des alten Hauptwohnsitzes erfolgt ist, in weiterer Folge nach Maßgabe der finanziellen und rechtlichen Möglichkeiten die Errichtung des neuen Hauptwohnsitzes nachdrücklich betrieben wurde und es nur aufgrund von Verzögerungen, die die Bf nicht zu vertreten hat, nicht gelungen ist binnen einem Jahr nach Abschluss des Kaufvertrags den neuen Hauptwohnsitz zu errichten und für derartige Verzögerungen bereits im Kaufvertrag Vorsorge getroffen wurde, kann bei diesem Sachverhalt das BFG keine Handlungen der Bf erblicken, die für die Inanspruchnahme der Hauptwohnsitzbefreiung schädlich wären.

Der inhaltliche Zusammenhang zwischen der Veräußerung des alten Wohnsitzes und Schaffung des neuen Wohnsitzes ist mehr als deutlich. Nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls war die Frist in diesem Fall aber länger, das BFG erachtet diese Frist aber trotzdem als angemessen.

Wesentlich für die Beurteilung, ob die Veräußerung des alten Wohnsitzes und die Begründung des neuen Wohnsitzes in angemessener Zeit erfolgt ist, sind nach dem Verständnis des BFG somit die im Zeitablauf gesetzten Schritte des Veräußerers zwischen der Veräußerung des alten und dem Bezug des neuen Hauptwohnsitzes (so Urtz [Hrsg], Die neue Immobiliensteuer2, 84 f). Mit diesen kann dargelegt werden, dass trotz des zeitlichen Auseinanderklaffens zwischen Veräußerung und Aufgabe des Hauptwohnsitzes geplant ist, dass der alte Hauptwohnsitz aufgegeben wurde, um einen neuen Hauptwohnsitz zu schaffen. (Revision zulässig)

Anmerkung der Redaktion:

Durch das Erfordernis der Aufgabe des Hauptwohnsitzes sollen jene Fälle von der Anwendung der Hauptwohnsitzbefreiung ausgeschlossen werden, in denen ein Steuerpflichtiger sein Eigenheim in zwei Wohneinheiten teilt, eine dieser Wohnungen dann veräußert und den Hauptwohnsitz in der zweiten behält. Unter Hinweis auf obige Literaturmeinung von Urtz hat zuvor auch das BFG Linz (Erkenntnis vom 27. 3. 2014, RV/5100229/2014) in der Verlängerung der vereinbarten Weiternutzung der von Bf verkauften Eigentumswohnung von einem Jahr (ab Verkauf) auf ein Jahr und 27 Tage, weil die anstatt der bisher als Hauptwohnsitz dienende Eigentumswohnung angeschaffte neue Wohnung wegen Neuerrichtung noch nicht bezugsfertig war, keine Umgehung des gesetzgeberischen Willens gesehen und der Beschwerde Folge gegeben.

Weniger großzügig hat das BFG Wien (Erkenntnis vom 7. 11. 2014, RV/7100571/2014) im umgekehrten Fall der Aufgabe des Hauptwohnsitzes vor dessen Veräußerung im Hinblick auf das Erfordernis der durchgehenden Nutzung entschieden, da es insofern der gegenüber der Verwaltungspraxis (Rz 6641 EStR 2000) strengeren Judikatur des VwGH folgt. Demnach muss das Eigenheim „bis zur Veräußerung“ als Hauptwohnsitz gedient haben, womit eine Aufgabe des Hauptwohnsitzes vor der Veräußerung der Hauptwohnsitzbefreiung entgegensteht. (Sabine Sadlo)

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 18580 vom 11.12.2014