News

BFG zur Frage der Einheitlichkeit der Leistung bei einem Tierbestattungsunternehmen und dem anwendbaren Steuersatz

Bearbeiter: Michael Gleiss

UStG: § 10 Abs 2 Z 7

Abstract

Das BFG hatte über eine Beschwerde eines im Bereich der Tierbestattung tätigen Unternehmens zu entscheiden. Strittig war, ob die von der Bf angebotenen Leistungen als einheitliche Leistung iSd UStG gelten. Darüber hinaus war fraglich, ob die Leistungen als Müllbeseitigung iSd § 10 Abs 2 Z 7 UStG qualifizieren und daher dem begünstigten Steuersatz iHv 10 % unterliegen. Das BFG nahm eine einheitliche Leistung an, weil aus der Perspektive eines Durchschnittsverbrauchers die Leistungen derart ineinandergreifen, dass sie als Teile einer Gesamtleistung mit eigenem Charakter anzusehen sind. Zudem verneinte das BFG die Anwendung des begünstigen Steuersatzes nach § 10 Abs 2 Z 7 UStG, da weder der subjektive noch der objektive Abfallbegriff erfüllt waren. Die für zulässig erklärte Revision wurde bereits erhoben.

BFG 4. 12. 2023, RV/3100523/2021

Sachverhalt

Die Bf erbrachte in den streitgegenständlichen Jahren 2015 und 2016 Leistungen im Bereich der Tierbestattung. Dazu zählten insb Einzel- und Sammelkremierungen, die zu Pauschalpreisen angeboten wurden. Im Pauschalpreis der Einzelkremierung war ua enthalten: „Pietätvolle Abholung“ des verstorbenen Tieres im Aluminiumsarg, gekühlte Überstellung ins (von einem dritten betriebenen) Tierkrematorium samt Kremierung, Behördengänge sofern erwünscht (zB Abmeldung von der Hundeabgabe), Rückführung der Asche, Erstellung eines Kremierungszertifikates und einer Erinnerungsparte, individuelle Zeremoniengestaltung. Außerdem bot die Bf diverse Zusatzleistungen zu den Kremierungen zum Pauschalpreis sowie Erdbestattungen und den Verkauf von Urnen und Särgen an.

Die von der Bf ausgestellten Rechnungen wurden zunächst mit 20 % Umsatzsteuer ausgestellt. Ab dem zweiten Halbjahr 2016 wurden die Rechnungen für Einzel- und Sammelkremierungen sodann mit einem Steuersatz iHv 10 % ausgewiesenen, dies betraf den gesamten Rechnungsbetrag. In weiterer Folge wurden die bestehenden Rechnungen für Einzel- und Sammelkremierungen der Jahre 2015 und 2016 abgeändert, indem statt dem Steuersatz in Höhe von 20 % der 10%-ige Steuersatz angegeben wurde. Gleichzeitig wurden die Nettobeträge entsprechend erhöht, sodass der Bruttobetrag unverändert blieb. Die abgeänderten Rechnungen wurden anschließend mit dem Hinweis, dass dies „aufgrund geänderter gesetzlicher Vorgaben“ erfolge, an die Kunden versendet. Das FA folgte jedoch dieser von der Bf vorgenommenen Würdigung nicht und unterwarf die Leistungen dem Normalsteuersatz. Über die anschließend erhobene Beschwerde hatte infolge eines Vorlageantrags das BFG zu entscheiden.

Entscheidung des BFG

Grundsätzlich unterliegt jede einzelne Leistung der Umsatzsteuer, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Wenn Umsätze jedoch als Leistungsbündel einzuordnen sind, ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, weil einheitliche Dienstleistungen im Sinne eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden sollen (Hinweis auf EuGH 25. 2. 1999, C-349/96, Card Protection Plan Ltd, Rz 28 ff). Innerstaatlich ergibt sich dies aus dem Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Maßgebend für die Beurteilung, ob eine einheitliche Leistung vorliegt, sind die charakteristischen Merkmale des Umsatzes. Dafür ist auf die Verkehrsauffassung aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers abzustellen (Hinweis auf EuGH 27. 10. 2005, C-41-04, Levob Verzekeringen und OV Bank, Rz 20).

Die Kremierung von Haustieren kann unzweifelhaft auch unabhängig von anderen Leistungen erbracht werden. Jedoch nimmt die Bf – mangels eigenem Tierkrematorium – die Kremierung nicht selbst vor, sondern kauft diese Leistung zu. Darüber hinaus werden auch die beschriebenen Zusatzleistungen erbracht. Aufgrund dieser Leistungen unterscheidet sich die erbrachte Leistung nach Ansicht des BFG erheblich von der bloßen Vornahme der Kremierung. Die angebotenen Leistungen greifen nämlich derart ineinander, dass sie als Teile einer Gesamtleistung mit eigenem Charakter anzusehen sind (Hinweis auf VwGH 27. 2. 2001, 99/13/0161). Dies entspricht dem BFG zufolge auch der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers: Die Leistungsempfänger beauftragen die Bf nämlich gerade deshalb, weil die Kremierung zusammen mit anderen Leistungen erbracht wird, um einen würdevollen Abschied vom Haustier vorzunehmen.

Zum anwendbaren Steuersatz führt das BFG aus, dass nach § 10 Abs 2 Z 7 UStGdie mit dem Betrieb von Unternehmen zur Müllbeseitigung und zur Abfuhr von Spülwasser und Abfällen regelmäßig verbundenen sonstigen Leistungen“ dem begünstigten Steuersatz unterliegen. Der Begriff „Müll“ ist nach hA weit zu verstehen und umfasst sowohl den subjektiven als auch den objektiven Abfallbegriff: Demnach liegt Müll vor, wenn sich der Eigentümer endgültig entledigen will und andererseits, wenn die Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse liegt (Hinweis auf Ruppe/Achatz; UStG5 § 10 Tz 112 und VwGH 28. 11. 2007, 2005/15/0034).

Der subjektive Abfallbegriff ist nach Ansicht des BFG durch verstorbene Haustiere im vorliegenden Fall nicht erfüllt. So streben die Besitzer des verstorbenen Tieres, die die Bf beauftragen, zumindest in den Fällen der Rückführung der Asche, gerade nicht an, sich endgültig des Haustieres zu entledigen. Aber auch in den übrigen Fällen tritt dem BFG zufolge die Entledigung hinter die „pietät- und würdevolle Verabschiedung“ zurück. Dies ist dadurch erkennbar, dass eine bloße Entledigung nach Ermittlungen des BFG zu deutlich geringeren Kosten möglich wäre, wenn die Tierbesitzer das verstorbene Tier bei einer Tierkörperverwertungsanstalt abgeben würden.

Weiters wird auch der objektive Abfallbegriff nicht erfüllt: So enthalten §§ 18 und 19 der Tiermaterialien-VO (BGBl II 2008/484) weitreichende Ausnahmen der Ablieferungspflicht für tote Heimtiere. So ist insbesondere auch das Vergraben auf dem Grund des Tierhalters sowie auf einem Tierfriedhof erlaubt, sofern dies nicht durch andere Rechtsvorschriften verboten wird. Daher ist nicht davon auszugehen, dass die Behandlung von verstorbenen Tieren als Abfall in der geltenden Rechtsordnung geboten ist.

Somit ist nach Ansicht des BFG die Kremierung eines Haustieres auch dann nicht als Müllbeseitigung iSd § 10 Abs 2 Z 7 UStG anzusehen, wenn dies eine selbstständige Leistung wäre. Dies muss umso mehr gelten, wenn – wie im vorliegenden Fall – eine einheitliche Leistung vorliegt, deren charakteristisches Element gerade nicht die bloße Vornahme einer Kremierung ist. Auch kein anderer Tatbestand eines ermäßigten Steuersatzes kommt in Betracht. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass die Mitgliedstaaten gem Art 98 iVm Anhang III Z 16 der Mehrwertsteuersystem-RL „Dienstleistungen von Bestattungsinstituten und Krematorien, einschließlich der Lieferung von damit im Zusammenhang stehenden Gegenständen“ entweder einem ermäßigten Steuersatz unterwerfen oder echt von der Umsatzsteuer befreien können. Da der Gesetzgeber jedoch von dieser Ermächtigung in Bezug auf die Bestattung von Menschen nicht Gebrauch gemacht hat, würde es dem BFG zufolge einen „unerträglichen Wertungswiederspruch“ darstellen, wenn die Leistungen der Bf dem begünstigten Steuersatz unterliegen würden. Somit ist der Normalsteuersatz anzuwenden.

Die Revision lies das BFG mit dem Hinweis zu, dass weder zur Rechtsfrage, ob die Leistungen von Tierbestattungsunternehmen einheitliche Leistungen sind, noch ob diese Leistungen dem ermäßigten Steuersatz für Müllbeseitigung unterliegen können, Rsp des VwGH und des EuGH existiert. Die Revision wurde bereits erhoben (Ro 2024/15/0006).

Conclusio

Der Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung ist im Umsatzsteuerrecht keine systematische Notwendigkeit, sondern eine pragmatische Lösung, die „gekünstelte Aufspaltung“ verhindern soll (Ruppe/Achatz, UStG5 § 10 Tz 35). Dafür ist der EuGH Rsp zufolge, neben der Sicht des Durchschnittsverbrauchers und den Interessen der Partei, auch der Gesamtzusammenhang relevant, in dem die Leistungen erbracht werden (siehe zB Zechner, Plattformbasierte Dienstleistungen und Umsatzsteuer [2023] 117). Der Gesamtzusammenhang lässt im vorliegenden Fall wohl darauf schließen, dass die im Rahmen der Tierbestattung angebotenen Leistungen als einheitlich angesehen werden. Dafür wird auch maßgebend sein, dass – worauf auch das BFG hinweist –die erbrachten Leistungen eher denen eines herkömmlichen Bestattungsunternehmens ähneln und somit über die bloße Kremierung hinausgehen.

Bei der Beurteilung der Frage des anwendbaren Steuersatzes ist maßgebend, ob die Körper der verstorbenen Tiere als „Müll“ iSd § 10 Abs 2 Z 7 UStG in Frage kommen. Nach Mehlhardt erfüllen Tierkörper den Müllbegriff (Melhardt, Umsatzsteuer-Handbuch 2024, Rz 1322). Überzeugender erscheint demgegenüber die vom BFG vorgenommene, auf Ruppe zurückgehende und vom VwGH (VwGH 28. 11. 2007, 2005/15/0034) aufgegriffene Differenzierung zu sein, wonach Müll iSd Steuerbefreiung den subjektiven (der Eigentümer möchte sich endgültig einer Sache entledigen) und den objektiven (die Behandlung als Abfall liegt im öffentlichen Interesse) Abfallbegriff umfasst. Hier kommt das BFG im zu beurteilenden Fall zum Schluss, dass die verstorbenen Haustiere weder subjektive noch objektiv als Müll iSd § 10 Abs 2 Z 7 UStG anzusehen sind. Da die für zulässig erklärte Revision (Ro 2024/15/0006) bereits erhoben wurde, kann die Entscheidung des VwGH mit Spannung erwartet werden.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35352 vom 25.04.2024