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Busfahrer mit rosafarbenem Haarband - kein Kündigungsgrund

Bearbeiter: Bettina Sabara

ABGB § 16

EMRK Art 8

VKG: § 8f Abs 1 Satz 3 VKG iVm § 7 Abs 3

Betreibt der Arbeitgeber einen öffentlichen Linienverkehr, so wird seinem berechtigten Interesse am äußeren Erscheinungsbild der Mitarbeiter durch das Tragen einer Uniform bereits Rechnung getragen und ist die Einzelweisung an einen Buslenker, den Dienst ohne rosafarbenes Haarband zu verrichten, nicht gerechtfertigt, wenn die Argumente des Arbeitgebers (nicht nachvollziehbar dargelegte Zweifel an der Professionalität und Seriosität des Buslenkers durch die Fahrgäste; im Gefahrenfall mangelnde Erkennbarkeit, wer der Fahrer ist) ein Überwiegen der betrieblichen Interessen gegenüber den durch die Weisung beeinträchtigten Persönlichkeitsrechten nicht erkennen lassen.

Durch die Weigerung, das rosafarbene Haarband abzulegen, verletzt der sich in Elternteilzeit befindende Buslenker keine vertraglichen Pflichten, weshalb seiner Kündigung keine Zustimmung zu erteilen ist.

OGH 24. 9. 2015, 9 ObA 82/15x

Sachverhalt

Der beklagte Arbeitnehmer ist beim klagenden Arbeitgeber als Kraftfahrer im städtischen Linienverkehr beschäftigt und befindet sich in Elternteilzeit. Mit Dienstanweisung vom 11. 3. 2009 hat der Arbeitgeber Richtlinien für das Tragen der neuen Dienstkleidung für die Mitarbeiter des Fahrbetriebs festgelegt. Damit soll der Auftritt nach außen in einem einheitlichen Erscheinungsbild gewährleistet werden.

Seit Beginn des Dienstverhältnisses bis Juni 2014 trug der Arbeitnehmer seine Haare immer als Pferdeschwanz, der mit einem schwarzen dünnen Haarband zusammengehalten wurde. Seit Juni 2014 trug er im Dienst ein rosafarbenes Haarband. Am 11. 8. 2014 wurde er vom Arbeitgeber mehrmals aufgefordert, das Haarband abzunehmen. Der Arbeitnehmer leistete dieser Weisung aber mit den Worten „Sicher net!“ keine Folge. Daraufhin wurde er vom Dienst suspendiert.

Mit seiner Klage begehrt der Arbeitgeber die gerichtliche Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung des Arbeitnehmers. Dieser habe trotz mehrmaliger Ermahnung durch das Tragen eines rosafarbenen Haarbandes gegen die Dienstanweisung und die mündliche Weisung verstoßen, das Haarband abzunehmen. Die Vorinstanzen teilten die Ansicht des Arbeitgebers.

Klage auf Zustimmung zur Kündigung

Dem Arbeitnehmer kommt aufgrund der Inanspruchnahme von Elternteilzeit nach § 8 Abs 1 VKG der Kündigungs- und Entlassungsschutz gemäß § 8f Abs 1 VKG zu. Wurde die Klage auf Zustimmung zur Kündigung nach Ablauf des ersten Lebensjahres des Kindes gestellt, kann das Gericht nach § 8f Abs 1 Satz 3 VKG iVm § 7 Abs 3 VKG und § 10 Abs 4 MSchG die Zustimmung zur Kündigung auch dann erteilen, wenn der Dienstgeber den Nachweis erbringt, dass die Kündigung durch Umstände begründet ist, die in der Person des Dienstnehmers gelegen sind und die betrieblichen Interessen nachteilig berühren, oder durch betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Dienstnehmers entgegenstehen, und die Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses dem Dienstgeber unzumutbar ist.

Weisungsrecht und Interessenabwägung

Innerhalb des durch den Dienstvertrag vorgegebenen Rahmens wird die Arbeitspflicht durch das Direktions- oder Weisungsrecht des Dienstgebers konkretisiert. Eine Anordnung ist dann als gerechtfertigt anzusehen, wenn sie sich innerhalb der Grenzen hält, die durch den Dienstvertrag und den sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten gezogen werden (vgl OGH 11. 5. 2010, 9 ObA 75/09h, ARD 6081/2/2010), und wenn die ideellen und materiellen Interessen des Arbeitnehmers gewahrt bleiben. Gegebenenfalls hat bei Kollision eine Abwägung der gegenseitigen Interessen zur Prüfung der Rechtfertigung einer Weisung stattzufinden.

Besonders heikel sind individuelle Weisungen des Arbeitgebers, die - wie hier - Persönlichkeitsrechte eines Arbeitnehmers (§ 16 ABGB und Art 8 EMRK) berühren, wie jene, die das äußere Erscheinungsbild des Arbeitnehmers betreffen. Hier ist bei der Interessenabwägung besondere Vorsicht geboten.

Bekleidungsvorschriften im Betrieb

Die Vorinstanzen legten ihren Entscheidungen ein Urteil des OGH zugrunde, wonach die Bekleidung ein Teil der Privatsphäre jedes Arbeitnehmers ist, der durch § 16 ABGB und Art 8 EMRK geschützt ist (vgl OGH 11. 2. 1999 8 ObA 195/98d, ARD 5019/2/99); massiv vom Verständnis der Bevölkerung abweichende Bekleidungsusancen eines Arbeitnehmers könnten aber im Einzelfall durch individuelle Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers untersagt werden, wenn der Arbeitgeber (eine Bank) sehr wesentlich auf das Vertrauen der Kunden angewiesen ist und dieses ua auch dadurch erworben und erhalten wird, dass im Kundenbereich des Arbeitgebers von den Angestellten eine dem Verständnis der Bevölkerung entsprechende Kleidung getragen bzw bestimmte Accessoires, wie dicke goldene Halsketten, von männlichen Angestellten nicht sichtbar getragen werden.

Einschränkungen der Persönlichkeitsrechte

Aus dem Persönlichkeitsschutz (§§ 16 und 17 ABGB, Art 8 EMRK) wird ein Recht der einzelnen natürlichen Person auf eine Privatsphäre abgeleitet. Auch im dienstlichen Bereich hat der Arbeitnehmer eine Privatsphäre, die es ihm gestattet, zB seine Kleidung und seinen Schmuck frei zu wählen. Ebenso unterfallen die Wahl der Haartracht (insbesondere Haarlänge), Piercings oder Tätowierungen dem Persönlichkeitsrecht. Nach Kreil (Haar- und Barttracht: Persönlichkeitsschutz contra Weisungsrecht, RdW 2006/655, 704) werden die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers durch Vorschriften bezüglich Haartracht, Piercings und Tätowierungen stärker eingeschränkt als durch Vorgaben bei der Dienstkleidung, weil erstere auch in die Freizeit nachwirken. Grenzen der Persönlichkeitsrechte ergeben sich nach Ansicht von Kreil aber auch hier, wenn das Äußere des Arbeitnehmers von weiten Bevölkerungskreisen als unkorrekt oder unseriös wahrgenommen wird und somit erwarten lässt, dass der Arbeitnehmer bei der Dienstausübung nicht ernst genommen wird oder ihm das erforderliche Vertrauen nicht entgegengebracht wird.

Einschränkungen der in Rede stehenden Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers können ihre Grundlage im Gesetz, dem KV, einer erzwingbaren BV (§ 97 Abs 1 Z 1 ArbVG) oder dem Arbeitsvertrag haben. Mit Vorgaben zur Kleidung werden verschiedene Zwecke verfolgt - vom Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer über den Ausdruck einer berufstypischen Kleiderordnung bis hin zum Wiedererkennungswert des Unternehmens.

Kein Überwiegen betrieblicher Interessen

Im Anlassfall leitet der Arbeitgeber sein Weisungsrecht aus dem Arbeitsvertrag ab. Er stellt nicht in Abrede, dass im Betrieb kein generelles Trageverbot von Haarbändern oder Kopfbedeckungen besteht, zumal auch Kraftfahrerinnen genehmigt wird, ein Haarband, einen Haarreifen oder ein Gummiband zu tragen, sofern diese unauffällig und dezent sind. Auch das Berufungsgericht legte seiner Entscheidung zugrunde, dass die schriftliche Dienstanweisung zur allgemeinen Bekleidungsordnung kein ausdrückliches Verbot der Verwendung von Haarbändern oder Kopftüchern enthält. Nicht weiter strittig ist zwischen den Parteien, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner langen, dichten und buschigen Haare ein Haarband, einen Haargummi, einen Haarreifen oder Ähnliches tragen muss. Der Arbeitgeber will aber mit seiner an den Arbeitnehmer gerichteten Anordnung erreichen, dass dieser im Dienst kein rosafarbenes Haarband trägt. Mit dieser Einzelweisung greift er aber in die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers nach § 16 ABGB und Art 8 EMRK ein, sein persönliches Erscheinungsbild nach eigenem Ermessen festzulegen.

Die vom Arbeitgeber vorgetragenen Argumente zur Begründung der betrieblichen Erforderlichkeit dieser Weisung lassen ein Überwiegen der betrieblichen Interessen des Arbeitgebers gegenüber den Persönlichkeitsrechten des Arbeitnehmers nicht erkennen. Der Arbeitgeber sieht seine betrieblichen Interessen letztlich nur durch die Farbauswahl des zwar funktionellen, seiner Meinung nach zu auffallenden Haarbandes des Arbeitnehmers beeinträchtigt. Weshalb aber Fahrgäste an der Professionalität und Seriosität eines im öffentlichen Verkehr tätigen Buslenkers zweifeln sollten, nur weil dieser ein farblich auffallendes Haarband trägt, wurde vom Arbeitgeber nicht nachvollziehbar dargelegt. Es steht auch nicht fest, dass Kunden wegen des Tragens eines rosafarbenen Haarbandes nicht mit dem vom Arbeitgeber gelenkten Linienbus mitgefahren wären oder ihr Vertrauen in den Arbeitnehmer verloren haben oder verlieren würden. Dem Arbeitgeber ist durchaus zuzugestehen, dass er ein berechtigtes Interesse an einem möglichst einheitlichen äußeren Erscheinungsbild seiner Mitarbeiter im Fahrdienst hat. Dieses wird hier aber ohnehin durch die Bekleidungsvorschriften (Uniform) gewährleistet, an die sich auch der Arbeitnehmer unstrittig hält. Den vom Arbeitgeber vorgetragenen Sicherheitsaspekten, wonach gerade im Gefahrenfall erkennbar sein soll, wer der Fahrer ist, wird schon durch die Uniform ausreichend Rechnung getragen. Eine relevante Steigerung der Sicherheit durch das Tragen eines nach Meinung des Arbeitgebers dezenterfarbigen Haarbandes ist im Verfahren nicht hervorgekommen.

Weisung nicht gerechtfertigt

Die Vorstellungen der Gesellschaft von der „angemessenen Bekleidung“ und Ausstattung einzelner Berufsgruppen und damit dem Erscheinungsbild nach außen unterliegen naturgemäß dem Wandel der Zeit und sind selbst zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht in allen Bevölkerungsschichten gleich. Allgemein gültige Aussagen, die über den Einzelfall hinaus von Bedeutung sind, sind daher kaum möglich. Fest steht aber, dass der Eingriff des Arbeitgebers in die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers sehr gute Gründe braucht, um gerechtfertigt zu sein. Diese liegen hier nicht vor.

Zusammengefasst überwiegen die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers nicht die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers in Bezug auf das Tragen eines Haarbandes (in der von ihm gewählten Farbe). Die Einzelweisung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, den Dienst als Buslenker im öffentlichen Linienverkehr ohne rosafarbenes Haarband zu verrichten, war daher nicht gerechtfertigt. Der Arbeitnehmer hat durch seine Weigerung keine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt. Die gerichtliche Zustimmung zur Kündigung nach § 10 Abs 4 MSchG wird nicht erteilt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20418 vom 20.10.2015