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COVID-19: „Gefälligkeitsattest“ bei Maskenbefreiung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

COVID-19-NotMV: § 12, § 15, § 16

Die Ausnahme von der Verpflichtung zum Tragen des Mund-Nasen-Schutzes (hier bei einer Versammlung) gem § 15 Abs 5 der 3. COVID-19-NotMV knüpft nicht bloß daran an, dass der Betroffene über ein ärztliches Attest verfügt, sondern ob ihm die Erfüllung dieser Verpflichtung aus gesundheitlichen Gründen nicht zugemutet werden kann. Die glaubhaft zu machende Tatsache ist demnach nicht die Existenz einer von einem Arzt ausgestellten Bestätigung, sondern die Unzumutbarkeit der Erfüllung der Tragepflicht aus gesundheitlichen Gründen.

Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde. Im Hinblick auf den erforderlichen Überzeugungsgrad der Behörde (Beweismaß) reicht jedoch die Glaubhaftmachung. Der Betreffende hat die Behörde daher lediglich von der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsache zu überzeugen. Die Bescheinigungsmittel sind hier jedoch eingeschränkt: Um seiner Obliegenheit zur Glaubhaftmachung zu entsprechen, muss der Betroffene eine von einem in Österreich zur selbstständigen Berufsausübung berechtigten Arzt ausgestellte Bestätigung vorweisen (vgl § 16 Abs 2 der 3. COVID-19-NotMV). Bei einer derartigen Bestätigung handelt es sich um ein ärztliches Zeugnis iSd § 55 ÄrzteG 1998, das vom Arzt nur nach gewissenhafter ärztlicher Untersuchung und nach genauer Erhebung der im Zeugnis zu bestätigenden Tatsachen nach seinem besten Wissen und Gewissen ausgestellt werden darf.

Diese Norm (wie die 3. COVID-19-NotMV insgesamt) schränkt die Berechtigung der Behörde aber nicht ein, das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs 5 der 3. COVID-19-NotMV umfassend zu prüfen und dabei auch die vorgelegte Bestätigung auf ihren Beweiswert hin zu würdigen.

Nur wenn die ärztliche Bestätigung unbedenklich war, hätte der Betroffene seine Obliegenheit zur Glaubhaftmachung iSd § 16 Abs 2 der 3. COVID-19-NotMV erfüllt. Von einer unbedenklichen Bestätigung konnte der Betroffene aber jedenfalls dann nicht ausgehen, wenn er davon Kenntnis hatte, dass die ärztliche Bestätigung ohne gewissenhafte ärztliche Untersuchung und ohne genaue Erhebung der darin bestätigten Tatsachen erstellt worden war, etwa wenn ein solcher „Attest“ online bestellt und ohne Untersuchung ausgestellt worden wäre.

Bestand für die Behörde Grund zur Annahme, dass es sich bei der Bestätigung um ein „Gefälligkeitsattest“ handle, das entgegen den Voraussetzungen des § 55 ÄrzteG ausgestellt wurde, so reichte diese Bestätigung zur Glaubhaftmachung iSd § 16 Abs 2 der 3. COVID-19-NotMV nicht aus. In diesem Fall war die Behörde berechtigt, den Betroffenen zur Vorlage eines (weiteren) unbedenklichen ärztlichen Attests aufzufordern und im Falle, dass dieser Aufforderung unentschuldigt nicht nachgekommen wurde, eine Bestrafung vorzunehmen.

VwGH 7. 2. 2022, Ra 2021/03/0277

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 32127 vom 25.02.2022