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Digitale Autobahn-Vignetten – Verbot der Weiterveräußerung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 861, § 879

AEUV: Art 102

FAGG: § 4

KartG 2005: § 5

UWG: § 1

Im vorliegenden Fall (Sicherungsverfahren) veräußert die Bekl (eine deutsche Gesellschaft) über ihre Website digitale Mautprodukte der Kl (Unternehmen der öffentlichen Hand, das die Finanzierung, die Planung, den Bau und die Erhaltung von österreichischen Bundesstraßen samt Infrastruktur betreibt und von den Benutzern zeit- und fahrleistungsabhängige Mauten einhebt) mit einem Aufpreis.

Die Allgemeinen Nutzungsbedingungen (ANB) der Kl zielen auf Untersagung des Vertriebs desselben Produkts, wie es die Kl direkt an Verbraucher verkauft. Sie enthielten durchgehend ein Weiterveräußerungsverbot, das ab 3. 2. 2022 lediglich iSd einstweiligen Verfügung zu 16 Ok 1/21i (= RdW 2022/137) eingeschränkt wurde. Kartellrechtlich wurde das Verbot der Weiterveräußerung grds nicht beanstandet. Von dieser Beurteilung abzugehen besteht kein Anlass.

Das Weiterveräußerungsverbot ist auch bei Abwägung der jeweiligen Rechtspositionen der Vertragsparteien nicht gröblich benachteiligend für die Bekl, entsteht doch der Kl durch die Weiterveräußerung desselben Produkts (der in ihrem Webshop erhältlichen digitalen Vignette) mit einem Aufpreis schon dadurch ein Nachteil, dass sich Kunden, die aufgrund der Aufmachung des Angebots der Bekl der Auffassung sind, mit der Kl zu kontrahieren, bei dieser über den Umstand des Aufpreises („Serviceentgelt“) beschweren. Die Kl hat dadurch einen erhöhten Kundenbetreuungsaufwand und erleidet einen Imageschaden. Das Verbot der Weiterveräußerung des unveränderten Produkts (mit Aufpreis, ohne jeglichen Vorteil für den Endkunden) in den ANB der Kl ist daher nicht zu beanstanden (vgl 16 Ok 1/21i). Die Kl stellt solcherart ihre Entscheidungshoheit über die Gestaltung ihres Vertriebsnetzes für den schlichten Weitervertrieb ihrer digitalen Mautprodukte sicher.

Nach dem bescheinigten Sachverhalt verstößt die Bekl gegen das vertraglich (in den ANB der Kl) vereinbarte Weiterveräußerungsverbot in Bezug auf das unveränderte Produkt (unter Rücknahme einer zuvor abgegebenen Unterlassungserklärung). Lauterkeitswidrig iSv § 1 UWG ist ein Vertragsbruch nach der Rsp (nur) dann, wenn sich die Sittenwidrigkeit aus besonderen Umständen ergibt. Diese liegen im vorliegenden Fall in den Nachteilen für die Kl durch erhöhten Kundenbetreuungsaufwand und Imageschaden, die einem Behinderungswettbewerb nahekommen. Die beanstandete Lauterkeitsrechtsverletzung durch die Bekl ist daher zu bejahen.

OGH 17. 10. 2023, 4 Ob 51/23p

Hinweis:

Im Kartellverfahren wegen Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung trug das KOG der Kl (dortige Antragsgegnerin) zu 16 Ok 1/21i (= RdW 2022/137) mittels einstweiliger Verfügung auf, der Bekl Zugang zum Webshop der Kl zu gewähren, um ihr den Erwerb von digitalen Mautprodukten, „jedoch nur für den Eigenbedarf und für die gewerbliche Weiterveräußerung von digitalen Mautprodukten mit einem Gültigkeitsbeginn von weniger als 18 Tagen ab Kauf“ (neues Produkt) an Verbraucher zu ermöglichen.

Entscheidung

Soweit das Herkunftslandprinzip des Art 3 der RL 2000/31/EG (E-CommerceRL) anwendbar ist, darf die Anwendung dieses Rechts zu keinen strengeren Anforderungen führen, als sie im Recht jenes Staats vorgesehen sind, in dem der Diensteanbieter niedergelassen ist. Das Herkunftslandprinzip der E-CommerceRL wird aber durch eine Reihe von Ausnahmen durchbrochen und gilt nicht hinsichtlich der Informationspflichten nach dem FAGG gegenüber Verbrauchern. Die Bekl muss diese Bestimmungen daher bei ihrer Tätigkeit gegenüber österreichischen Verbrauchern einhalten.

Dem Gebot des § 4 Abs 1 iVm § 7 Abs 1 FAGG, die von diesen Bestimmungen erfassten Informationen in klarer und verständlicher Weise zu erteilen, steht es nicht grundsätzlich entgegen, wenn die Informationen (nur) in den AGB enthalten sind oder sich hinter einem aufklappbaren Textteil bzw einem Pop-up-Fenster verbergen, sofern der Webauftritt so gestaltet ist, dass iZm der Produktpräsentation sichergestellt wird, dass der Verbraucher ausreichend deutlich (und rechtzeitig) auf den Auffindungsort und die Art der Information hingewiesen wird (5 Ob 110/19s = RdW 2020/258).

Die AGB der Bekl, deren Kenntnisnahme die Kunden vor der kostenpflichtigen Bestellung bestätigen müssen, enthalten eine Bestimmung, wonach die Preise neben einer Servicegebühr die Mautgebühren der Kl beinhalten, wobei zu den aktuellen Gebühren auf deren Seite verwiesen wird. Während des Bestellvorgangs wird hingegen lediglich der Pauschalpreis angezeigt. Informationen zur Gebühr der Kl erlangt der Kunde nur über mehrere Verweise ausgehend vom Ende der Startseite der Bekl.

Wenn das RekursG nach den Umständen des Einzelfalls davon ausgegangen ist, dass in der erst über mehrfaches Scrollen und mehrfache Verweise auffindbaren Information keine klare und verständliche Informationserteilung iSd Rsp vorliegt, liegt darin keine aufzugreifende Fehlbeurteilung. Soweit sich die Bekl mit ihrer („großzügigeren“) Interpretation des § 4 Abs 1 Z 4 FAGG auf eine vertretbare Rechtsansicht berufen, scheitert diese schon an der Vorjudikatur zu 4 Ob 96/19z (= RdW 2020/265).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34895 vom 28.12.2023