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Dirigent: Beschäftigung in Deutschland – Mittelpunkt der Lebensinteressen

Bearbeiter: Birgit Bleyer

DBA-Deutschland, BGBl 1955/221 idF BGBl 1994/361: Art 16

DBA-Deutschland, BGBl III 2002/182: Art 4

EStG § 4 Abs 4

1. Übt ein Dirigent in Deutschland eine nichtselbstständige Tätigkeit als Generalmusikdirektor aus und verbringt er 90 % des Jahres außerhalb Österreichs, dürfen nicht sämtliche Auslandsauftritte des Dirigenten (hier ua in China, Italien oder Ägypten) zu einem „Unternehmensort“ in Österreich am Standort seiner Künstleragentur und Wohnort seiner Managerin zugeordnet werden, nur weil der Dirigent mit ihr persönliche Beziehungen unterhält.

2. Auch wenn der Frack eines Dirigenten bei „privaten Anlässen wie etwa Ballbesuchen“ Verwendung finden könnte, ändert dies nichts daran, dass sich dieses Bekleidungsstück seiner objektiven Beschaffenheit nach - auch mit Rücksicht auf geänderte Lebensgewohnheiten - von solcher Bekleidung unterscheidet, wie sie üblicherweise im Rahmen der privaten Lebensführung Verwendung findet. Da der Frack somit nicht zur so genannten „bürgerlichen Bekleidung“ zugeordnet werden kann, ist ein Betriebsausgaben- und Vorsteuerabzug möglich.

VwGH 25. 11. 2015, 2011/13/0091

Entscheidung

Im Beschwerdefall hat der Bf im Jahr 1997 ein Auslandsdienstverhältnis in Deutschland (mit Wohnsitznahme in Deutschland) angetreten, das – trotz befristeter, jeweils aber verlängerter Verträge – über 10 Jahre gedauert hat. Damit lag für die Beurteilung des Mittelpunkts der Lebensinteressen iSd DBA-Deutschland nach Ansicht des VwGH bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung insgesamt ein Zeitraum vor, der nicht mehr ein Indiz für ein Bestehen des Mittelpunkts der Lebensinteressen in Österreich bildete. Der Befristung von Verträgen kommt außerdem keine wesentliche Bedeutung zu, wenn diese erfahrungsgemäß immer wieder verlängert werden, so der VwGH.

Unstrittig waren mit dem Dienstverhältnis in Deutschland ua vertragliche Anwesenheitspflichten am Ort des Orchesters verbunden und die Verträge verpflichteten den Bf beispielsweise zu einer Zusammenarbeit mit dem Orchester an zumindest 150 Tagen pro Jahr.

Nach dem Vorbringen in der Beschwerde hat der Bf in den Streitjahren 2000 bis 2005 nur 4 % bis 9 % der Gesamteinkünfte aus selbstständiger Tätigkeit als Dirigent in Österreich erzielt, wobei er sich dazu – auch nicht durchgehend, sondern über das ganze Jahr verteilt – nur rund 14 bis maximal 30 Tage in Österreich aufgehalten habe.

Demgegenüber hat die belangte Behörde auch sämtliche Auslandsauftritte des Bf als Dirigent (ua in China, Italien oder Ägypten) mit der Begründung seinem „Unternehmensort Mödling“ zugeordnet, dass sich in Mödling unstrittig der Sitz der Künstleragentur der Managerin des Bf befindet und sich der Bf am Wohnort der Managerin wegen seiner persönlichen Beziehung zu ihr aufgehalten habe.

Mit der Zuordnung sämtlicher Auslandsauftritte des Bf als Dirigent im Rahmen der Prüfung der wirtschaftlichen Beziehungen zu einem „Unternehmensort“ Mödling hat die belangte Behörde aber nach Ansicht des VwGH in Wahrheit die persönlichen Beziehungen des Bf zu seiner Managerin (und damit zum Wohnort in Österreich) auch im Rahmen der wirtschaftlichen Beziehungen als maßgebend erachtet und solcherart in unzulässiger Weise doppelt berücksichtigt.

Damit hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid bereits im Rahmen der Prüfung der wirtschaftlichen Beziehungen und somit auch des Bestehens ausschlaggebender beruflicher Gründe für eine stärkere Bindung des Bf an den Ort seiner nichtselbstständigen Tätigkeit als Generalmusikdirektor in Deutschland mit Rechtswidrigkeit belastet. (Bescheid aufgehoben)

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20958 vom 22.01.2016