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Diskriminierungsschutz nur bei Behinderung - nicht bei „bloßer“ Krankheit

Bearbeiter: Bettina Sabara

GlBG § 12 Abs 7

BEinstG: § 7f, § 7k

Das Vorliegen einer Krankheit stellt keinen Diskriminierungstatbestand dar, sodass die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses in der Probezeit nicht allein wegen einer Krankheit angefochten werden kann, sondern nur dann, wenn gleichzeitig auch eine Behinderung iSd BEinstG vorliegt. Die Anfechtung der Auflösung eines (Probe-)Arbeitsverhältnisses wegen Behinderung ist allerdings nur dann möglich, wenn zuvor in der Sache ein Schlichtungsverfahren beim Sozialministeriumservice gemäß § 7k BEinstG durchgeführt wurde.

OGH 29. 9. 2015, 8 ObA 62/15y

Sachverhalt

Der Pressemitteilung des OGH ist zu entnehmen, dass die Klägerin mit der beklagten Marktgemeinde ein Arbeitsverhältnis mit einer Probezeit vereinbart hatte. Die Klägerin arbeitete aber nur wenige Tage, weil bei ihr eine psychische Krankheit festgestellt wurde, die auch stationäre Krankenhausaufenthalte erforderte. Der Arbeitgeber löste das Arbeitsverhältnis während der Probezeit auf.

Ein Schlichtungsverfahren nach dem BEinstG hat die Klägerin nicht eingeleitet.

Vorliegend begehrt die Klägerin, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses für rechtsunwirksam zu erklären. Das Arbeitsverhältnis sei nur wegen ihrer Krankheit aufgelöst worden und die Auflösung während der Probezeit wegen einer schweren Krankheit sei diskriminierend. § 12 Abs 7 GlBG sei analog anzuwenden.

Entscheidung

Krankheit allein kein Diskriminierungstatbestand

In seinen Entscheidungsgründen hält der OGH ua fest, dass die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses auch während der Probezeit (auch bei einem Lehrverhältnis während der Probezeit nach § 15 Abs 1 BAG und auch bei einem begünstigten Behinderten während der Probezeit nach § 8 Abs 1 BEinstG) grds wegen einer Diskriminierung wegen eines sonstigen geschützten Merkmals - außer jenem der Behinderung - gemäß § 12 Abs 7 GlBG angefochten werden kann.

Allerdings kennt das Gesetz - so der OGH - schon keinen besonderen Kündigungsschutz wegen einer krankheits- oder unfallsbedingten Arbeitsverhinderung - umso mehr müsse dies für die jederzeit mögliche Auflösung während der Probezeit gelten (vgl OGH 21. 1. 2004, 9 ObA 154/03t, ARD 5492/10/2004). Die Auflösung eines (Probe-)Arbeitsverhältnisses wegen Krankheit falle grundsätzlich nicht unter den Schutzbereich der RL 2000/78/EG und auch nach der Rsp des EuGH könnten Krankheit und Behinderung nicht ohne weiteres miteinander gleichgesetzt werden (vgl EuGH 11. 4. 2013, C-335/11, HK Danmark, ARD 6319/9/2013).

Eine Krankheit allein erfüllt nach Ansicht des OGH also keinen Diskriminierungstatbestand.

Anfechtung nach BEinstG?

Im Folgenden geht der OGH darauf ein, dass nach der Rsp des EuGH eine heilbare oder unheilbare Krankheit unter den Begriff „Behinderung“ iSd RL 2000/78/EG fallen kann, wenn sie eine Einschränkung mit sich bringt, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist, die in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren den Betreffenden an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, hindern können, und wenn diese Einschränkung von langer Dauer ist (vgl EuGH 11. 4. 2013, C-335/11, HK Danmark, ARD 6319/9/2013).

Mit Bezug auf den Anlassfall ist nach Ansicht des OGH aber zu berücksichtigen, dass die Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben betr Diskriminierung in der Arbeitswelt (insb RL 2006/54/EG und RL 2000/78/EG) einerseits im GlBG erfolgt ist und andererseits hinsichtlich des geschützten Merkmals der Behinderung im BEinstG, insbesondere in den §§ 7a bis 7r BEinstG. Die Anfechtung der Auflösung eines (Probe-)Arbeitsverhältnisses wegen Behinderung sei daher nur unter den besonderen verfahrensrechtlichen Kautelen des BEinstG möglich, und zwar nicht nur bei einem begünstigten Behinderten (§ 7 Abs 3 BEinstG), sondern auch bei einer festgestellten Behinderung von unter 50 % oder einer sonst tatsächlich bestehenden Behinderung iSd § 3 BEinstG (§ 7f iVm § 7k BEinstG).

Bei der Klägerin handelt es sich um keine begünstigte Behinderte und sie hat das obligatorische Schlichtungsverfahren nach dem BEinstG nicht eingehalten. Dementsprechend gesteht die Klägerin ausdrücklich zu, dass die Voraussetzungen für eine Anfechtung der Auflösung ihres Probearbeitsverhältnisses nach den Bestimmungen des BEinstG nicht erfüllt sind, sie beruft sich aber auf einen Analogieschluss zu § 12 Abs 7 GlBG. Einen solchen hält allerdings der OGH mangels planwidriger Gesetzeslücke für nicht tragfähig (vgl OGH 29. 9. 2014, 8 ObA 57/14m, ARD 6423/9/2014): Der Gesetzgeber hat für die Rechtsfolgen bei Auflösung eines (Probe-)Arbeitsverhältnisses wegen einer Behinderung spezielle Regelungen vorgesehen, wobei zwischen § 12 Abs 7 GlBG und § 7f Abs 1 BEinstG eine inhaltliche Übereinstimmung besteht.

Dass die besonderen verfahrensrechtlichen Kautelen des BEinstG für die Anfechtung der Auflösung eines (Probe-)Arbeitsverhältnisses wegen einer Behinderung den unionsrechtlichen Vorgaben entsprechen, bestätigt der OGH abschließend: Nach dem Umsetzungsspielraum des Art 9 Abs 1 RL 2000/78/EG können die Mitgliedstaaten ausdrücklich auch ein Schlichtungsverfahren vorsehen, in dem aufgrund besonderer Sachkunde auf die Erfordernisse etwa bei der Feststellung einer Behinderung in angemessener Weise besonders bedacht werden kann.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20462 vom 28.10.2015