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Ehrverletzendes Posting auf Internetmedienplattform – Redaktionsgeheimnis?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

ABGB § 1330

ECG: § 16, § 18

EMRK Art 10

MedienG § 31

Wurde eine Person durch ein Posting auf einer Internetmedienplattform angeblich in ihrer Ehre verletzt oder in ihrem Kredit geschädigt (§ 1330 ABGB) und begehrt sie vom Betreiber der Plattform die Bekanntgabe von Namen, Adresse und E-Mail-Adresse des Posters, kann sich der Betreiber der Plattform nicht auf das Redaktionsgeheimnis berufen, wenn das Posting in keinerlei Zusammenhang mit einer journalistischen Tätigkeit steht. Es muss nämlich zumindest irgendeine Tätigkeit, Kontrolle oder Kenntnisnahme eines Medienmitarbeiters intendiert sein, damit der Schutz des § 31 MedienG (Schutz des Redaktionsgeheimnisses) in Anspruch genommen werden kann. Der bloße Umstand, dass ein Computerprogramm aufgrund von Schlagworten die Beiträge vor Veröffentlichung prüft, reicht aber nicht aus, den erforderlichen Zusammenhang mit einer journalistischen Tätigkeit herzustellen.

Mangels eines derartigen Zusammenhangs mit der journalistischen Tätigkeit liegt aber auch kein unzulässiger Eingriff in das Recht der freien Meinungsäußerung nach Art 10 EMRK oder das Redaktionsgeheimnis nach § 31 MedienG vor, wenn der Betreiber der Plattform die Daten des Posters gem § 18 Abs 4 ECG bekannt geben muss, sobald dessen Verurteilung nach § 1330 ABGB möglich erscheint.

OGH 15. 12. 2014, 6 Ob 188/14m

Entscheidung

Nach stRsp kann ein Diensteanbieter iSd § 16 ECG nur dann für Rechtsverletzungen seiner Kunden in Anspruch genommen werden, wenn die Rechtsverletzungen auch für einen juristischen Laien ohne weitere Nachforschungen offenkundig sind (RIS-Justiz RS0114374). Ob dies der Fall ist, hängt regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher idR keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RIS-Justiz RS0114374 [T4]).

Gem § 18 Abs 4 ECG haben die Diensteanbieter Namen und Adresse eines Nutzers ihres Dienstes auf Verlangen dritten Personen zu übermitteln, sofern diese ein überwiegendes rechtliches Interesse an der Feststellung der Identität eines Nutzers und eines bestimmten rechtswidrigen Sachverhalts sowie überdies glaubhaft machen, dass die Kenntnis dieser Informationen eine wesentliche Voraussetzung für die Rechtsverfolgung bildet“.

Nach Ansicht des OGH ist zwar nach den Gesetzesmaterialien (817 BlgNR 21. GP) auch für Zwecke des § 18 Abs 4 ECG auf die Fähigkeiten und das Wissen eines juristischen Laien abzustellen. Daraus könne aber – so der OGH – nicht abgeleitet werden, dass bei § 16 ECG und bei § 18 Abs 4 ECG eine völlige Gleichsetzung hinsichtlich der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen erfolgen könnte:

-Bei § 16 ECG gehe es darum, dass der Diensteanbieter von der Haftung freigestellt ist, wenn er sich keiner Tatsachen oder Umstände bewusst ist, aus denen eine rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird. Hiefür sei nach den Gesetzesmaterialien und herrschender Auffassung auf die Fähigkeiten eines juristischen Laien abzustellen.
-Bei § 18 Abs 4 ECG bestehe weiters die Besonderheit, dass es nicht darauf ankommt, ob der Laie von sich aus erkennen kann, dass ein rechtswidriger Sachverhalt vorliegt, sondern ob ihm gegenüber die Glaubhaftmachung eines rechtswidrigen Sachverhalts gelungen ist. Entscheidend ist daher, ob ein juristischer Laie nach entsprechendem Hinweis erkennen kann, dass eine Verurteilung nach § 1330 ABGB nicht gänzlich auszuschließen ist (6 Ob 133/13x, LN Rechtsnews 16894 vom 13. 3. 2014 = RdW 2014/445). Diese Voraussetzung sei aber im vorliegenden Fall, in dem der Kl als „einer der größten Verbrecher der 2ten Republik“ bezeichnet wurde, zweifelsfrei zu bejahen.

Der OGH betonte abschließend, dass es im vorliegenden Verfahren nicht um eine endgültige Beurteilung von Ansprüchen nach § 1330 ABGB geht, sondern lediglich eine grobe Prüfung zu erfolgen hat, ob aufgrund der vom Kl geltend gemachten Verletzungen eine Verurteilung nach § 1330 ABGB nicht gänzlich auszuschließen ist; denn § 18 Abs 4 ECG setze doch nur die Glaubhaftmachung des überwiegenden rechtlichen Interesses des Kl voraus.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19024 vom 25.02.2015