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Einvernehmliche Auflösung nach Drohung mit Entlassung

Bearbeiter: Bettina Sabara

ABGB § 870

Erfährt der Dienstgeber, dass eine Kindergärtnerin während ihres Krankenstandes an einem Tag bei ihr zu Hause zwei Malkurse abgehalten hat, und droht ihr deswegen mit der Entlassung für den Fall, dass sie nicht sofort am selben Tag die einvernehmliche Auflösung ihres Dienstverhältnisses unterschreibt, so liegt dann, wenn der Dienstgeber die gesundheitliche Belastung durch die beiden Malkurse für die Dienstnehmerin und die möglichen Auswirkungen auf den Heilungsprozess nicht geprüft hat und daher vom Vorliegen eines Entlassungsgrundes nicht überzeugt sein kann, eine ungerechtfertigte Drucksituation vor, die eine Anfechtung der unter diesen Umständen unterschriebenen einvernehmlichen Auflösung rechtfertigt.

OGH 28. 6. 2016, 8 ObA 37/16y

Sachverhalt

Aus der Pressemitteilung des OGH ergibt sich folgender Sachverhalt:

Die Klägerin war bei der beklagten Stadtgemeinde als Kindergärtnerin beschäftigt. Aufgrund eines grippalen Infekts befand sie sich eine Woche lang bis Karfreitag 2015 im Krankenstand. Am dienstfreien Dienstag teilte sie der Kindergartenleiterin mit, dass sie die restliche Woche nicht mehr zur Arbeit gehen werde, da sie in der Vorwoche 39 Grad Fieber gehabt habe. Der Krankenstand der Klägerin wurde verlängert.

Am Nachmittag des Mittwochs der zweiten Krankenstandswoche hielt die Klägerin bei ihr zu Hause zunächst einen Malkurs mit sechs Kindern und dann einen Malkurs mit vier Erwachsenen ab. Am darauffolgenden Montag trat die Klägerin ihren gewohnten Dienst wieder an.

Nachdem die Abhaltung der Malkurse dem Stadtamtsdirektor zur Kenntnis gelangt war, bat er die Klägerin nach Rücksprache mit dem Bürgermeister zu einem Gespräch. Dabei erklärte er, dass ihr Verhalten ein schwerwiegendes Vergehen darstelle, das eine Entlassung rechtfertige. Ihr werde eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses angeboten. Sollte sie damit nicht einverstanden sein, so werde die Entlassung ausgesprochen. Die Klägerin entschuldigte sich und bat um einen Tag Bedenkzeit. Dies wurde vom Stadtamtsdirektor mit dem Hinweis abgelehnt, dass er eine Entlassung schnell aussprechen müsse. Schließlich erklärte sich die Klägerin mit einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses einverstanden.

Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Aufhebung der einvernehmlichen Auflösungsvereinbarung sowie die Feststellung des aufrechten Bestands des Dienstverhältnisses.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und gab ihrer Klage statt. Der OGH bestätigte diese Entscheidung und führt dazu Folgendes aus:

Entscheidung:

Beurteilung einer Drucksituation

Zur Ausübung eines ungerechtfertigten Drucks auf den Dienstnehmer zum Abschluss einer Auflösungsvereinbarung ist das Berufungsgericht von den zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen.

Schließt der Dienstnehmer unter dem Eindruck der Ankündigung des Dienstgebers, ihn zu entlassen, eine Auflösungsvereinbarung, so kommt es in dieser Hinsicht darauf an, ob für den Dienstgeber zum Zeitpunkt der Androhung der Entlassung plausibel und objektiv ausreichende Gründe für deren Ausspruch gegeben waren. Entscheidend ist, ob der Dienstgeber den Dienstnehmer zu einer einvernehmlichen Auflösung drängen will, weil er von seiner Rechtsposition nicht überzeugt ist (vgl OGH 26. 6. 2014, 8 ObA 26/14b, ARD 6414/8/2014).

Dazu kommt die Obliegenheit des Dienstgebers, vor dem Ausspruch der Entlassung zu prüfen, ob sich der Dienstnehmer tatsächlich eines pflichtwidrigen Verhaltens schuldig gemacht hat. Dementsprechend hat er zumindest zu versuchen, den Sachverhalt unter Beiziehung des Dienstnehmers aufzuklären.

Die Beurteilung, ob nach diesen Grundsätzen für den Dienstnehmer eine Drucksituation bestanden hat, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Das Berufungsgericht hat mit seiner Entscheidung den ihm eingeräumten Beurteilungsspielraum im Anlassfall nicht überschritten.

Androhung der Entlassung nicht gerechtfertigt

Nach den Feststellungen wurde der Krankenstand der Klägerin (wegen eines grippalen Infekts) verlängert; sie war vor allem in der Vorwoche krank. Die gesundheitliche Belastung für die Klägerin aufgrund der beiden Malkurse, die sie zu Hause abgehalten hatte, wurde vom Dienstgeber nicht geprüft. Bei dem Gespräch über die Auflösung des Dienstverhältnisses wurde der Klägerin gegenüber erklärt, dass ihr Verhalten eine Entlassung rechtfertige; auch von Nachteilen bei der Arbeitssuche war die Rede. Entscheidend kommt hinzu, dass der Klägerin die von ihr gewünschte Bedenkzeit von einem Tag ohne sachlichen Grund nicht gewährt wurde, zumal eine Entlassung vom Stadtamtsdirektor nicht wirksam hätte ausgesprochen werden können und daher eine Befassung zumindest des Bürgermeisters erforderlich gewesen wäre.

Davon ausgehend hält sich die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, wonach die Androhung der Entlassung – ohne Aufklärung der gesundheitlichen Belastungen durch die beiden Malkurse und der möglichen Auswirkungen auf den Heilungsprozess, wobei sich die Krankenstandsdauer laut Krankmeldung nicht verlängert habe – über das erlaubte Maß hinausgegangen sei, im Rahmen der Rechtsprechung. Dem Klagebegehren ist daher stattzugeben.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 22028 vom 22.07.2016