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Energieanbieterwechsel-Kampagne des VKI - kein Wettbewerbsverstoß

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

UWG § 1

Vertretbare Rechtsauffassung: Ein lauterkeitsrechtlicher Unterlassungsanspruch gegen den Verein für Konsumenteninformation (VKI) scheitert wegen fehlendem Handeln im geschäftlichen Verkehr (ungeachtet der als bloßer Reflex zu wertenden faktischen Förderung des Bestbieters/Kooperationspartners), wenn der VKI eine sogenannte Energieanbieterwechsel-Kampagne organisierte,

-die „Bewegung in den Energiemarkt“ bringen und die Strom- und Gasanbieter zu einer Senkung der Energiepreise bewegen sollte,
-wobei jene Energieanbieter, die sich an dieser Aktion beteiligten, Angebote für Strom- oder Gasverträge legten,
-sich mehr als 260.000 angemeldete Konsumenten an der Kampagne interessiert zeigten und
-der VKI den Großteil dieser Teilnehmer vom Gastarif des „Bestbieters“ unter Bekanntgabe der möglichen Ersparnis bei einem Tarifwechsel verständigte.

OGH 17. 2. 2015, 4 Ob 7/15f

Entscheidung

Kein (eigenes) Interesse am wirtschaftlichen Erfolg einzelner Energieanbieter

Im Rahmen der Rsp hält sich nach Ansicht des OGH die Auffassung des RekursG, dass die bekl P mit der Aktion - ihrem statutarischen gemeinnützigen Zweck entsprechend - die wirtschafts- und sozialpolitischen Interessen ihrer Mitglieder (= Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, Österreichischer Gewerkschaftsbund und Republik Österreich) und der österreichischen Konsumenten an niedrigen Energiepreisen verfolgt habe, sodass diese Zielsetzung gegenüber der mit der Aktion verbundenen Förderung des Bestbieters eindeutig überwogen habe. Diese Rechtsansicht stelle keine vom OGH zu lösende Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dar, zumal es von den Umständen des Einzelfalls abhängt, ob ein Handeln im geschäftlichen Verkehr vorliegt (vgl 4 Ob 38/12k, LN Rechtsnews 13183 vom 8. 6. 2012 = RdW 2012/502).

Das RekursG sei jedenfalls vertretbar davon ausgegangen, dass die bekl P kein (eigenes) Interesse am wirtschaftlichen Erfolg einzelner Energieanbieter hat, so der OGH. Das korrespondiere auch mit dem auf den Verbraucherschutz und damit auf das öffentliche Interesse ausgerichteten Vereinszweck der bekl P (vgl 1 Ob 54/06g, LN Rechtsnews 2073 vom 12. 12. 2006 = RdW 2007/20).

Anwendung der Rsp zu neutralen Produktvergleichen

Bei der Beurteilung des (fehlenden) Interesses der bekl P an der Förderung des Bestbieters orientierte sich das Rekursgericht an der zu neutralen Produktvergleichen ergangenen Rsp des erk Senats (vgl etwa 4 Ob 171/11t; 4 Ob 222/11t, LN Rechtsnews 12933 vom 20. 4. 2012 = RdW 2012/483; 4 Ob 165/11k, LN Rechtsnews 13092 vom 22. 5.2012 = RdW 2012/330). Diese Judikatur ist nach Ansicht des OGH auch für den hier zu beurteilenden Fall einschlägig, zumal die aus einem Produktvergleich resultierende faktische Förderung des Testsiegers durchaus mit den positiven Effekten der Energieanbieterwechsel-Kampagne für den Bestbieter zu vergleichen ist. Das von der bekl P im Anlassfall durchgeführte Bieterverfahren zur Ermittlung des günstigsten Angebots habe ja im Ergebnis zu einem - vom Lauterkeitsrecht nach der referierten Rsp nicht erfassten - Produktvergleich der Anbieter geführt, die sich an der Kampagne beteiligten.

Dass sich an diesen Produktvergleich sodann noch Aufforderungen der Bekl an die teilnehmenden Verbraucher angeschlossen haben, nunmehr den Anbieter zu wechseln, ändere nichts am Gesamtcharakter der Kampagne und deren überwiegend wettbewerbsfremder Zielsetzung.

Die kl P vermochte auch mit ihrem Hinweis auf die Beteiligung eines unternehmerischen Kooperationspartners an der Kampagne keine Fehlbeurteilung des RekursG aufzuzeigen: Die vom RekursG als überwiegende Zielsetzung qualifizierte Verfolgung von Verbraucherinteressen wird nämlich - so der OGH - nicht durch den Umstand relativiert, dass sich der beklagte Verein bei der logistischen Umsetzung der Kampagne der Unterstützung Dritter bediente. Auch die Förderung des Wettbewerbs des Kooperationspartners könne daher vertretbar als bloßer Reflex der Kampagne beurteilt werden.

Kein Vorabenscheidungsersuchen

Für die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH zu Art 3 Abs 1 iVm Art 2d der RL 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (RL-UGP) bestand kein Anlass, zumal der erkennende Senat die richtlinienkonforme Auslegung des Begriffs „Handeln im geschäftlichen Verkehr“ für hinreichend klar erachtete. Der vom RekursG hervorgehobene Erwägungsgrund 7 der RL-UGP, wonach sich diese RL nicht auf Geschäftspraktiken bezieht, die vorrangig anderen Zielen dienen, decke die Rsp des OGH, an der sich das RekursG jedenfalls vertretbar orientiert habe.

Dem widerspricht nach Auffassung des OGH auch nicht die Entscheidung EuGH 3. 10. 2013, C-59/12, BKK Mobil Oil, LN Rechtsnews 15947 vom 4. 10. 2013, wonach in den persönlichen Anwendungsbereich der RL-UGP auch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts fällt, die mit einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe wie der Verwaltung eines gesetzlichen Krankenversicherungssystems betraut ist. Dieser Entscheidung lag zugrunde, dass eine Krankenkasse des deutschen Rechtssystems ihren Versicherungsnehmern gegenüber wirtschaftlich tätig ist und daher als „Gewerbetreibende“ iSd RL-UGP zu qualifizieren ist. Eine solche wirtschaftliche Tätigkeit der bekl P wurde hier aber nicht aufgezeigt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19304 vom 14.04.2015