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Erhebliche Ehrverletzung auf „Wunschzettel“ – Entlassung

Bearbeiter: Bettina Sabara

AngG: § 27 Z 6

GewO 1859: § 82 lit g

Im vorliegenden Fall war der Arbeitnehmer bereits rund 25 Jahre beim Arbeitgeber tätig und fühlte sich nach einer Versetzung in hohem Maß gekränkt und wütend. Bei einem Gewinnspiel des Arbeitgebers („Wunschzettel ans Christkind“) schrieb er auf den „Wunschzettel“: „1.) Pfählt N****; 2.) hängt P**** + Co; 3.) hört auf zu lügen, betrügen + diskriminieren“. Bei P und N handelt es sich um den Personalleiter und den Vorstandsvorsitzenden. Diese Entgleisung geht über den zulässigen Rahmen sachlicher Kritik über die beruflichen Umstände des Arbeitnehmers hinaus und ist objektiv geeignet, in erheblichem Maße ehrverletzend zu wirken. Wurde diese Wirkung auch tatsächlich hervorgerufen, was hier der sofortige Ausspruch der Entlassung und die sofortige Strafanzeige bestätigen, und liegt der Entgleisung auch kein unmittelbar vorangehendes Verhalten des Arbeitgebers zugrunde, das die Beleidigung als noch irgendwie entschuldbar erscheinen ließe, so macht es die Schwere des Anlassfalls für den Arbeitgeber unzumutbar, den Arbeitnehmer in seinem Unternehmen weiter zu beschäftigen und der Ausspruch der Entlassung ist auch ohne vorausgegangene Verwarnung gerechtfertigt. Dass die namentlich beleidigten Personen infolge der Größe des Unternehmens den Arbeitnehmer bis dahin möglicherweise noch nicht kannten, nimmt den Ehrverletzungen nicht die Erheblichkeit.

OGH 15. 5. 2019, 9 ObA 29/19h -> zu OLG Wien 9 Ra 57/18w, ARD 6647/10/2019 (Änderung)

Sachverhalt

Der Kläger war beim beklagten Arbeitgeber seit 1991 beschäftigt und seit 2008 begünstigter Behinderter iSd BEinstG. Nach langjährigem Einsatz als Portier wurde ihm im April 2015 mitgeteilt, dass er nunmehr dem *****markt dienstzugeteilt sei. Dem Überbringer dieser Nachricht gegenüber (Leiter einer Organisationseinheit, Mag. S) äußerte der Kläger „I grob die ein“. Mag. S. und P, Leiter des *****marktes, fühlten sich durch die Aussage des Klägers nicht bedroht, weil sie ihn und seine mitunter harsche Ausdrucksweise schon lange kannten.

Ebenfalls im Jahr 2015 schlug der Kläger einer Juristin der Personalabteilung gegenüber einen Ton an, der eine andere Mitarbeiterin der Personalabteilung verstörte. Bedroht fühlte sie sich jedoch nicht. Anlässlich eines Schlichtungsgesprächs beim Sozialministeriumservice im Dezember 2015 verweigerte der Kläger dem Vertreter des Arbeitgebers den Handschlag zur Begrüßung und äußerte ua, dass er ihm den Tod wünsche.

Der Kläger pflegte grundsätzlich eine „sehr direkte“ Kommunikation und verwendete dabei mitunter heftige Worte. Seine Dienstzuteilung zum *****markt empfand er als Ungerechtigkeit. Dies brachte er ua durch das Tragen eines Ansteckers mit der Aufschrift „Unzufriedener unterbezahlter Mitarbeiter“ zum Ausdruck. Der Kläger wurde während aufrechten Dienstverhältnisses nicht wegen unangemessenen oder beleidigenden Verhaltens gegenüber Mitarbeitern oder Vorgesetzten ermahnt.

Im Jahr 2016 veranstaltete der Arbeitgeber ein Gewinnspiel und sandte allen Mitarbeitern im Wege der Mitarbeiterzeitung eine Postkarte mit der vorgedruckten Überschrift „MEIN WUNSCHZETTEL ANS CHRISTKIND“ zu. Um auf seine unbefriedigende berufliche Situation hinzuweisen, schrieb der Kläger auf diese Postkarte handschriftlich:

„1. PFÄHLT N… (Name auf der Postkarte ausgeschrieben)

2. HÄNGT P... (Name auf der Postkarte ausgeschrieben) + CO

3. HÖRT AUF ZU LÜGEN BETRÜGEN + DISKRIMINIEREN“

Der Kläger hielt es nicht ernstlich für möglich, dass sich die genannten Personen, der Personalleiter Ing. N und der Vorstandsvorsitzende DI Dr. P vor ihm fürchten könnten.

Unmittelbar nach Einlangen dieses „Wunschzettels“ wurde der Kläger am 20. 9. 2016 entlassen und Ing. N und DI Dr. P erstatteten Strafanzeige gegen den Kläger. Das Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft eingestellt.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses über den Entlassungszeitpunkt hinaus. Die Entlassung sei unberechtigt erfolgt.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt. Das BerufungsG ging ua davon aus, dass es sich bei diesem „Wunschzettel ans Christkind“ weder um eine ernst gemeinte Drohung noch um eine erhebliche Ehrverletzung gehandelt habe.

Der OGH gab der Revision des Arbeitgebers Folge und wies das Klagebegehren in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen ab.

Entscheidung

Entlassungsgrund erhebliche Ehrverletzung

Der Kläger unterliegt der Dienstordnung (DO) des Arbeitgebers, die seit Inkrafttreten des Poststrukturgesetzes (PTSG) zum 1. 5. 1996 als Kollektivvertrag gilt (§ 19 Abs 4 PTSG).

Nach § 50 Abs 1 DO liegt ein wichtiger Grund für eine Entlassung insbesondere vor, wenn der Bedienstete sich einer besonders schweren Verletzung der Dienstpflichten oder einer Handlung oder Unterlassung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Dienstgebers unwürdig erscheinen lässt, insbesondere wenn er sich Tätlichkeiten oder erhebliche Ehrverletzungen gegen Vorgesetzte oder Mitbedienstete zuschulden kommen lässt oder wenn er sich in seiner dienstlichen Tätigkeit oder im Zusammenhang damit von dritten Personen Vorteile zuwenden lässt (§ 50 Abs 2 lit b DO; Anm: vgl sinngemäß § 27 Z 6 AngG bzw § 82 lit g GewO 1859).

Unter den Begriff Ehrverletzungen fallen alle Handlungen und Äußerungen, die geeignet sind, das Ansehen und die soziale Wertschätzung des Betroffenen durch Geringschätzung, Vorwurf einer niedrigen Gesinnung, üble Nachrede, Verspottung oder Beschimpfung herabzusetzen und auf diese Weise das Ehrgefühl des Betroffenen, wenn er davon erfährt, zu verletzen. Die Ehrenbeleidigung muss objektiv geeignet sein, im erheblichen Maße ehrverletzend zu wirken und muss im konkreten Fall diese Wirkung auch hervorgerufen haben (vgl OGH 19. 12. 2002, 8 ObA 221/02m, ARD 5403/11/2003). Entscheidend ist, ob die Ehrenbeleidigung nach ihrer Art und nach den Umständen, unter denen sie erfolgt, von einem Menschen mit normalen Ehrgefühl nicht anders als mit dem Abbruch der Beziehungen beantwortet werden kann (vgl OGH 14. 11. 2001, 9 ObA 269/01a, ARD 5323/38/2002).

Erhebliche Ehrverletzungen verlieren nach der Rechtsprechung nur dann den Charakter eines Entlassungsgrundes, wenn die Umstände des Falls die Beleidigung als noch entschuldbar erscheinen lassen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Ehrverletzung des Dienstnehmers infolge einer Provokation durch unangemessenes, unmittelbar vorhergehendes Verhalten des Dienstgebers erfolgte oder ganz allgemein die vom Dienstnehmer begangene Ehrverletzung als situationsbedingt entschuldbare Fehlreaktion zu werten ist. In diesen Fällen einer verständlichen Erregung oder Entrüstung ist die Schuldintensität derart gering, dass dem Dienstgeber eine Weiterbeschäftigung des Dienstnehmers zumutbar ist (vgl OGH 26. 2. 2014, 9 ObA 21/14z, ARD 6395/15/2014).

Kein Freibrief für persönliche Beleidigungen

Nach diesen Grundsätzen der Rechtsprechung hat der Kläger durch seine Einträge auf dem „Wunschzettel an das Christkind“ den Entlassungsgrund der erheblichen Ehrverletzung verwirklicht. Sich vom „Christkind“ den Tod oder die Tötung zweier namentlich genannter Vorgesetzter zu wünschen, hatte mit einer noch sozialadäquaten Darlegung der Unzufriedenheit mit einer bestimmten beruflichen Situation nichts zu tun, sondern war nur kränkend und herabwürdigend, wozu die ebenfalls beleidigende, nicht näher substantiierte Aufforderung kam, das Lügen, Betrügen und Diskriminieren zu beenden. Diese schriftlichen Äußerungen des Klägers waren objektiv geeignet, in erheblichem Maße ehrverletzend zu wirken. Dass die Äußerungen auf die angesprochenen Vorgesetzten des Klägers im Besonderen und den Arbeitgeber im Allgemeinen auch diese Wirkung hervorgerufen haben, bestätigt nicht nur die unmittelbar nach Bekanntwerden des Vorfalls ausgesprochene Entlassung des Klägers, sondern auch die sofortige Strafanzeige gegen den Kläger.

Das Recht auf freie Meinungsäußerung, auf das der Kläger pocht, stellt keinen Freibrief für persönliche Beleidigungen und Verunglimpfungen dar (vgl OGH 17. 10. 2002, 8 ObA 196/02k, ARD 5381/10/2003). Die schriftlichen Äußerungen des Klägers gehen weit über den zulässigen Rahmen sachlicher Kritik über die beruflichen Umstände des Klägers hinaus. Ihnen lag auch kein unmittelbar vorangehendes Verhalten des Arbeitgebers zugrunde, das die Beleidigung als noch irgendwie entschuldbar erscheinen ließe. Die beleidigenden Äußerungen des Klägers erfolgten auch nicht in der Situation einer unmittelbaren Provokation bzw plötzlichen, situationsbedingten verständlichen Entrüstung des Klägers.

Dass der Kläger vom Arbeitgeber wegen seiner früheren harschen und beleidigenden Ausdrucksweise nicht verwarnt worden war, ist richtig, hier aber für die Bejahung des Entlassungsgrundes der erheblichen Ehrverletzung nicht entscheidend (vgl OGH 11. 5. 2006, 8 ObA 21/06f, ARD 5712/15/2006). Nach der Rechtsprechung können auch einmalige empfindliche Ehrverletzungen – wie sie hier vorliegen – einen Entlassungsgrund darstellen (vgl OGH 8. 2. 1996, 8 ObA 303/95, ARD 4769/36/96). Die Schwere des Anlassfalls machte es für den Arbeitgeber unzumutbar, den Kläger in seinem Unternehmen weiter zu beschäftigen.

Bei dieser Beurteilung ist die Größe des Unternehmens kein entscheidender Aspekt, richten sich doch die Beleidigungen des Klägers gegen den Vorstandsvorsitzenden und den Personalleiter, sohin gegen den Arbeitgeber in seiner Gesamtheit. Dass die namentlich beleidigten Personen den Kläger bis dahin möglicherweise noch nicht kannten, nimmt den Ehrverletzungen nicht die Erheblichkeit.

Die Entlassung erfolgte daher zu Recht.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 27823 vom 21.08.2019