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EuGH: Bankenrettung - Beteiligung von Anteilseignern und Nachranggläubigern

Bearbeiter: Barbara Tuma

AEUV Art 107 bis 109

RL 2012/30/EU: Art 29 ua

1. Die „Bankenmitteilung“ der Kommission (Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen ab dem 1. 8. 2013 auf Maßnahmen zur Stützung von Banken im Kontext der Finanzkrise; ABl 2013 C 216, S 1) ist gültig, sie hat jedoch keine Bindungswirkung gegenüber den Mitgliedstaaten. Durch diese Mitteilung beschränkt sich die Kommission bloß selbst in der Ausübung ihres Ermessens; die Mitgliedstaaten können aber weiterhin auch geplante staatliche Beihilfen anmelden, die den Kriterien der „Bankenmitteilung“ nicht entsprechen, und die Kommission kann solche Vorhaben in Ausnahmefällen genehmigen.

2. Soweit die „Bankenmitteilung“ für die Genehmigung einer staatlichen Beihilfe eine Beteiligung von Anteilseignern und Inhabern nachrangiger Titel an den Lasten voraussetzt (Rn 40 bis 46 der „Bankenmitteilung“), sieht der EuGH keinen Konflikt mit einschlägigen Vorschriften und Grundsätzen, und zwar weder mit Art 107 bis 109 AEUV, noch mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes, dem Eigentumsrecht oder Art 29, 34, 35 und 40 bis 42 der RL 2012/30/EU (KapitalerhaltungsRL). Die Maßnahmen der Umwandlung oder Abschreibung von Hybridkapital und nachrangigen Schuldtiteln, wie sie in Rn 44 der „Bankenmitteilung“ vorgesehen sind, dürfen jedoch nicht über das hinausgehen, was zur Schließung einer Kapitallücke der betroffenen Bank erforderlich ist.

EuGH 19. 7. 2016, C-526/14, Kotnik ua

Sachverhalt

Zu einem slowenischem Vorabentscheidungsersuchen.

Im Zuge der weltweiten Finanzkrise ab dem Jahr 2007 stellte die Banka Slovenije (Slowenische Zentralbank) im September 2013 bei fünf slowenischen Banken Kapitallücken fest; diese Banken verfügten nicht mehr über ausreichendes Vermögen zur Befriedigung ihrer Gläubiger und zur Deckung des Wertes der Einlagen. Am 17. 12. 2013 erließ die Slowenische Zentralbank Beschlüsse über außerordentliche Maßnahmen zur Rekapitalisierung zweier Banken, zur Rettung der dritten Bank und zur Liquidation der beiden übrigen Banken. Diese Maßnahmen beruhten auf dem slowenischen Gesetz über das Bankwesen und umfassten die Liquidation von Eigenkapital der Aktionäre sowie von Hybridkapital und nachrangigen Schuldtiteln.

Am 18. 12. 2013 genehmigte die Kommission die vorab von den slowenischen Behörden angemeldeten staatlichen Beihilfen an die fünf betroffenen Banken.

Mehrere natürliche Personen, aber auch der Staatsrat und der Ombudsmann der Republik Slowenien stellten Anträge auf Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes über das Bankwesen, auf dessen Grundlage die Maßnahmen erlassen worden waren. Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass die Bestimmungen des Gesetzes über das Bankwesen die Umsetzung der Bankenmitteilung in nationales Recht zum Gegenstand haben. Nach Auffassung des vorlegenden Verfassungsgerichts sind daher die Rügen der Bf im Ausgangsverfahren tatsächlich gegen die Bankenmitteilung gerichtet. Die Bf sind der Ansicht, dass diese Mitteilung nicht nur gegen die slowenische Verfassung verstoße, sondern auch gegen Art 17 GRC und gegen die Richtlinien 2012/30/EU und 2001/24/EG.

Der EuGH hat für Recht erkannt:

1.Die Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen ab dem 1. 8. 2013 auf Maßnahmen zur Stützung von Banken im Kontext der Finanzkrise („Bankenmitteilung“) ist dahin auszulegen, dass sie keine Bindungswirkung gegenüber den Mitgliedstaaten hat.
2.Die Art 107 bis 109 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie den Rn 40 bis 46 der Bankenmitteilung nicht entgegenstehen, soweit diese für die Genehmigung einer staatlichen Beihilfe eine Beteiligung von Anteilseignern und Inhabern nachrangiger Titel an den Lasten voraussetzen.
3.Der Grundsatz des Vertrauensschutzes und das Eigentumsrecht sind dahin auszulegen, dass sie den Rn 40 bis 46 der Bankenmitteilung nicht entgegenstehen, soweit diese für die Genehmigung einer staatlichen Beihilfe eine Beteiligung von Anteilseignern und Inhabern nachrangiger Titel an den Lasten voraussetzen.
4.Die Art 29, 34, 35 und 40 bis 42 der RL 2012/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. 10. 2012 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften iSd Art 54 Abs 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, sind dahin auszulegen, dass sie den Rn 40 bis 46 der Bankenmitteilung nicht entgegenstehen, soweit diese für die Genehmigung einer staatlichen Beihilfe eine Beteiligung von Anteilseignern und Inhabern nachrangiger Titel an den Lasten voraussetzen.
5.Die Bankenmitteilung ist dahin auszulegen, dass die Maßnahmen der Umwandlung oder Abschreibung von Hybridkapital und nachrangigen Schuldtiteln, wie sie in Rn 44 dieser Mitteilung vorgesehen sind, nicht über das hinausgehen dürfen, was zur Schließung einer Kapitallücke der betroffenen Bank erforderlich ist.
6.Art 2 siebter Gedankenstrich der RL 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. 4. 2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten ist dahin auszulegen, dass die Lastenverteilungsmaßnahmen, wie sie in den Rn 40 bis 46 der Bankenmitteilung vorgesehen sind, unter den Begriff der „Sanierungsmaßnahmen“ iS dieser Bestimmung fallen.

Anmerkung:

Die genannten Bestimmungen der RL 2012/30/EU betreffen va die Änderung des Grundkapitals einer Bank (grds nur mit Beschluss der Hauptversammlung). Der EuGH stellt hier somit klar, dass auch eine zwangsweise Änderung (dh ohne Zustimmung der Hauptversammlung) möglich ist.

Die Frage nach der Eigenschaft der Maßnahmen als „Sanierungsmaßnahmen“ iSd RL 2001/24/EG bezog sich im Kern offensichtlich auf die Anerkennung von nationalen Sanierungsmaßnahmen durch die anderen Mitgliedstaaten.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 22008 vom 20.07.2016