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EuGH: Energieabgabenvergütung – formell rechtswidrige Umgestaltung

Bearbeiter:

VO (EG) 800/2008: Art 3 Abs 1, Art 25

EAVG: § 2 Abs 1, § 4 Abs 7

Um in den Genuss einer Ausnahme von der Pflicht zur Anmeldung von Beihilfemaßnahmen nach Art 108 Abs 3 AEUV zu kommen, obliegen den Mitgliedstaaten nach der Freistellungsverordnung (EG) 800/2008 bestimmte formelle Voraussetzungen. Eine Missachtung dieser Voraussetzungen führt zur Unwirksamkeit der beanspruchten Freistellung.

§ 2 Abs 1 iVm § 4 Abs 7 EAVG in der durch das BBG 2011 geänderten Fassung enthält den gemäß Art 3 Abs 1 VO (EG) 800/2008 zwingenden Verweis auf die Freistellungsverordnung nicht. Damit wurde diese Beihilferegelung nicht entsprechend auf Art 25 VO (EG) 800/2008 für Umweltschutzbeihilfen gestützt und war daher nicht von der Anmeldepflicht freigestellt.

EuGH 21. 7. 2016, C-493/14, Dilly’s Wellnesshotel

Zum Vorabentscheidungsersuchen BFG 31. 10. 2014, RE/5100001/2014

Ausgangsfall:

Ende 2011 stellte Dilly’s Wellnesshotel einen Antrag auf Energieabgabenvergütung für das Jahr 2011. Dieser wurde vom Finanzamt abgewiesen, weil nach der Neuregelung durch das BBG 2011, BGBl I 2010/111, die Energieabgabenvergütung ab dem 1. 1. 2011 nur noch Produktionsbetrieben gewährt werde. Auch die Berufung von Dilly’s Wellnesshotel wurde abschlägig beschieden.

Der VwGH vertrat allerdings die Ansicht, dass die Energieabgabenvergütung Dienstleistungsunternehmen für Januar 2011 noch zuzusprechen sei, weil die Freistellungsanzeige an die Kommission verspätet übermittelt worden sei (vgl VwGH 19. 3. 2013, 2013/15/0053).

Im fortgesetzten Verfahren nach der aufhebenden VwGH-Entscheidung brachte Dilly’s Wellnesshotel eine Berufungsergänzung ein und beantragte im Wesentlichen, dem Antrag auf Energieabgabenvergütung für Januar bis Dezember 2011 vollinhaltlich stattzugeben: Falls die Anwendung von § 2 Abs 1 iVm § 4 Abs 7 EAVG gegen das Unionsrecht verstoße, sei die Neuregelung durch das BBG 2011 nicht anwendbar und Dienstleistungsbetriebe müssten für das gesamte Jahr 2011 und darüber hinaus in den Genuss der Energieabgabenvergütung kommen.

Mit seinen Vorlagefragen äußerte das BFG Zweifel an der Vereinbarkeit der Neuregelung der Energieabgabenvergütung durch das BBG 2011 mit der VO (EG) 800/2008.

Entscheidung

Zwingender Charakter und Transparenzerfordernis

Nach der allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung für Beihilfen (EG) 800/2008 ist eine Beihilferegelung gemäß Art 3 Abs 1 in Kapitel I („Gemeinsame Vorschriften“) dieser Verordnung nur dann von der Anmeldepflicht freigestellt, wenn diese Regelung ua einen ausdrücklichen Verweis auf diese Verordnung unter Angabe des Titels sowie einen ausdrücklichen Verweis auf die Fundstelle im Amtsblatt der Europäischen Union enthält. Der zwingende Charakter eines solchen Verweises auf die VO (EG) 800/2008 in einer Beihilferegelung für die Möglichkeit eines Mitgliedstaats, sich für diese Regelung auf eine Freistellung nach dieser Verordnung zu berufen, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von Art 3 Abs 1 dieser Verordnung, der bestimmt, dass Beihilferegelungen, die ua „alle Voraussetzungen“ erfüllen, die in Kapitel I der VO (EG) 800/2008 genannt sind, von der Anmeldepflicht freigestellt sind, wenn alle Einzelbeihilfen auf der Grundlage solcher Regelungen „alle Voraussetzungen“ der VO (EG) 800/2008 erfüllen und wenn diese Regelung einen „ausdrücklichen Verweis“ auf diese Verordnung enthält.

Ein ausdrücklicher Verweis in einer Beihilfemaßnahme auf die VO (EG) 800/2008 erlaubt den Empfängern und ihren Wettbewerbern, die Gründe nachzuvollziehen, aus denen diese Maßnahme durchgeführt werden kann, obwohl sie bei der Kommission weder angemeldet noch von ihr genehmigt wurde. Ein solcher Verweis ermöglicht es somit nicht nur der Kommission, ihre Kontrolle auszuüben, sondern informiert auch die betroffenen Dritten über die geplanten Beihilfemaßnahmen, damit sie gegebenenfalls ihre Verfahrensrechte wahrnehmen können.

Folgen des fehlenden Verweises im EAVG

Nach alledem ist festzustellen, dass die in Art 3 Abs 1 VO (EG) 800/2008 genannte Voraussetzung, dass eine Beihilferegelung einen ausdrücklichen Verweis auf diese Verordnung enthalten muss, um von der in Art 108 Abs 3 AEUV vorgesehenen Anmeldepflicht freigestellt zu werden, keine bloße Formalität darstellt, sondern ihr vielmehr ein zwingender Charakter zukommt, so dass ihre Missachtung der Gewährung einer Freistellung von dieser Pflicht nach dieser Verordnung entgegensteht.

Der EuGH hat daher für Recht erkannt:

Art 3 Abs 1 der VO (EG) 800/2008 der Kommission vom 6. 8. 2008 zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem gemeinsamen Markt in Anwendung der Artikel [107 und 108 AEUV] (allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung) ist dahin auszulegen, dass das Fehlen eines ausdrücklichen Verweises auf diese Verordnung unter Angabe des Titels sowie eines ausdrücklichen Verweises auf die Fundstelle im Amtsblatt der Europäischen Union in einer Beihilferegelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden der Annahme entgegensteht, dass diese Regelung gemäß Art 25 Abs 1 dieser Verordnung die Voraussetzungen für eine Freistellung von der in Art 108 Abs 3 AEUV vorgesehenen Anmeldepflicht erfüllt.

Anmerkung:

Für den Fall, dass die Änderung von der Europäischen Kommission nicht genehmigt werden sollte, sieht die bedingte Inkrafttretensregelung des § 4 Abs 7 EAVG zu § 2 Abs 1 EAVG vor, dass die bisherige Rechtslage unverändert bleibt und sowohl Produktionsbetriebe als auch Dienstleistungsbetriebe Anspruch auf eine Energieabgabenvergütung haben.

Im Anschluss an den vom EuGH nun festgestellten Verstoß gegen Unionsrecht wegen des fehlenden Verweises im EAVG selbst auf die EU-Freistellungsverordnung stellt sich nun innerstaatlich somit die Auslegungsfrage, ob die Energieabgabenvergütung im gesamten Jahr 2011 von Dienstleistungsbetrieben noch bezogen werden kann (so Kapferer/Lebenbauer in ÖStZ 2016/289) oder ob ab Februar 2011 der Genehmigungsvorbehalt des § 4 Abs 7 EAVG faktisch mit der Veröffentlichung durch die Kommission im EU-ABl 2011/C 288/02, S 21, erfüllt wurde (so Pfau in ÖStZ 2016/478). (Sabine Sadlo)

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 22026 vom 22.07.2016