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EuGH: Erschöpfung des Verbreitungsrechts

RL 2001/29/EG: Art 4

Gem Art 4 Abs 2 RL 2001/29/EG erschöpft sich das Verbreitungsrecht des Urhebers in der Gemeinschaft „in Bezug auf das Original oder auf Vervielfältigungsstücke eines Werks nur, wenn der Erstverkauf dieses Gegenstands oder eine andere erstmalige Eigentumsübertragung in der Gemeinschaft durch den Rechtsinhaber oder mit dessen Zustimmung erfolgt“ (Erschöpfungsgrundsatz). Die Zustimmung des Urhebers erstreckt sich nicht auf die Verbreitung eines sein Werk verkörpernden Gegenstands, wenn dieser Gegenstand nach seinem erstmaligen Inverkehrbringen in einer Weise verändert wurde, dass er eine neue Reproduktion des Werks darstellt.

Die Regel der Erschöpfung des Verbreitungsrechts des Urhebers ist daher nicht anwendbar, wenn ein Poster mit dem Werk eines berühmten Malers zwar mit Zustimmung des Rechtsinhaber im EWR in Verkehr gebracht wird, aber in der Folge das Trägermedium ersetzt wird, etwa indem die Reproduktion von dem Papierposter auf eine Leinwand übertragen wird und die Reproduktion in ihrer neuen Form erneut in Verkehr gebracht wird.

EuGH 22. 1. 2015, C-419/13, Art & Allposters International, zu einem niederländischen Vorabentscheidungsersuchen.

Ausgangsfall

Pictoright ist eine niederländische Verwertungsgesellschaft von Urheberrechten und ist berechtigt, die Urheberrechte der von ihr vertretenen Rechtsinhaber in deren Namen zu verwerten, insb durch Erteilung von Lizenzen und durch die Verfolgung von Verletzungen dieser Rechte. Die Poster der Werke berühmter Maler, auf die sich die Urheberrechte der von Pictoright vertretenen Rechtsinhaber beziehen, wurden mit deren Zustimmung im EWR in Verkehr gebracht.

Klosters bietet über ihre Websites Poster und andere Reproduktionen von Werken berühmter Maler an, deren Urheberrechte Pictoright verwertet. Bei den ua angebotenen Postern auf Leinwand wird zunächst auf einem Papierposter des gewählten Werks eine Lage Kunststoff (Laminat) aufgebracht. Dann wird die Abbildung auf dem Poster unter Einsatz eines chemischen Verfahrens vom Papier auf die Leinwand übertragen. Schließlich wird die Leinwand auf einen Holzrahmen gespannt. Nach diesem Vorgang ist die Abbildung des Werks vom Papierträger verschwunden. Klosters bezeichnet dieses Verfahren und sein Ergebnis als „Leinwandtransfer“.

Pictoright ging davon aus, dass die Reproduktionen urheberrechtlich geschützter Werke in Form von Leinwandtransfers ohne Zustimmung der ihr angeschlossenen Urheberrechtsinhaber verkauft werden, und erhob eine Unterlassungsklage.

Rechtlicher Rahmen - Gemeinschaftsrecht:

RL 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. 5. 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft

Bearbeiterin: Sabine Kriwanek

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 18812 vom 23.01.2015