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EuGH: Firmenwertabschreibung für ausländische Gruppenmitglieder

Bearbeiter: Sabine Sadlo

KStG: § 9 Abs 7 (idF vor AbgÄG 2014)

§ 9 Abs 7 KStG idF StRefG 2005, BGBl I 2004/57, hat es einer Muttergesellschaft im Rahmen der Gruppenbesteuerung erlaubt, beim Erwerb einer Beteiligung an einer inländischen Gesellschaft, die Mitglied der Gruppe wird, eine Firmenwertabschreibung von bis zu 50 % der Anschaffungskosten der Beteiligung vorzunehmen, nicht aber beim Erwerb einer Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft. Dies ist mit der Niederlassungsfreiheit unvereinbar. Es werden dabei nämlich Situationen ungleich behandelt, die objektiv miteinander vergleichbar sind, und diese Ungleichbehandlung ist weder zur Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten noch zur Wahrung der Kohärenz des österreichischen Steuersystems gerechtfertigt.

EuGH 6. 10. 2015, C-66/14, Finanzamt Linz

Sachverhalt

Im Jahr 2005 hatte eine österreichische Gesellschaft 100 % der Anteile an einer in der Slowakei ansässigen Gesellschaft erworben. Die inländische Holdinggesellschaft ab 2005 und die ausländische Tochtergesellschaft ab 2006 waren Gruppenmitglieder iSd § 9 KStG. In den Körperschaftsteuererklärungen 2006 bis 2010 wurde von der österreichischen Gesellschaft im Zusammenhang mit dieser Beteiligung eine Firmenwertabschreibung gemäß § 9 Abs 7 KStG iHv jeweils einem Fünfzehntel der Hälfte des Kaufpreises mit Hinweis darauf geltend gemacht, dass die Einschränkung der Firmenwertabschreibung auf inländische Beteiligungen gemäß dieser Vorschrift gegen die Niederlassungsfreiheit verstoße und somit unionsrechtswidrig sei.

Im Rahmen des folgenden Rechtsstreits hat der VwGH ein Vorabentscheidungsersuchen eingereicht (siehe LN Rechtsnews 16918 vom 18. 3. 2014; zu den Schlussanträgen der Generalanwältin siehe LN Rechtsnews 19355 vom 22. 4. 2015).

Objektive Vergleichbarkeit der Situationen

Durch die Begrenzung der Firmenwertabschreibung nach § 9 Abs 7 KStG auf Beteiligungen an unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften wird eine Ungleichbehandlung geschaffen zwischen einer Muttergesellschaft, die eine Beteiligung an einer inländischen Gesellschaft erwirbt, und einer Muttergesellschaft, die eine Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft erwirbt, obwohl sich diese beiden Kategorien von Gesellschaften im Hinblick auf das Ziel der Regelung, nämlich der Schaffung eines steuerlichen Anreizes zur Gruppenbildung, in einer vergleichbaren Situation befinden. Die Rechtfertigung einer solchen Benachteiligung eines grenzüberschreitenden Sachverhalts kann sich deshalb nur aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses ergeben.

Keine Rechtfertigung iZm Besteuerungsbefugnis

Österreich hält die Ungleichbehandlung ua durch den Grundsatz einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten für gerechtfertigt, weil Österreich für die Besteuerung der Gewinne der ausländischen Gruppenmitglieder die Befugnis fehle.

Dem hält der EuGH entgegen, dass § 9 Abs 7 KStG der Muttergesellschaft die Vornahme der Firmenwertabschreibung unabhängig davon erlaubt, ob die Gesellschaft, an der eine Beteiligung erworben wird, Gewinne oder Verluste erzielt. Was die Gewährung dieses Steuervorteils angeht, betrifft diese Regelung also nicht die Ausübung der Besteuerungshoheit in Bezug auf die Gewinne und Verluste der Gesellschaft, an der eine Beteiligung erworben wird, und damit auch nicht die Aufteilung einer Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten.

Aus demselben Grund ist das – auf ein Abzugsverbot für Aufwendungen im Zusammenhang mit steuerbefreiten Erträgen im österreichischen Steuersystem abstellende – Vorbringen zurückzuweisen, dass bei steuerneutralen Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften die Versagung des steuerlichen Vorteils in Form der Firmenwertabschreibung gerechtfertigt sei.

Keine Rechtfertigung iZm Kohärenz des Steuersystems

Außerdem macht Österreich geltend, dass die Ungleichbehandlung durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sei, die Kohärenz des Steuersystems zu wahren. Ein solches Argument kann jedoch nur Erfolg haben, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung besteht, wobei die Unmittelbarkeit dieses Zusammenhangs im Hinblick auf das Ziel der fraglichen Regelung beurteilt werden muss:

Steuerliche Zurechnung des Ergebnisses

Aus demselben Grund, der bereits oben zur fehlenden Besteuerungsbefugnis für die Gewinne ausländischer Gesellschaften angeführt worden ist, kann nicht angenommen werden, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem steuerlichen Vorteil in Form der Firmenwertabschreibung und der Steuerlast in Form der steuerlichen Zurechnung eines Gewinns der Gesellschaft, an der eine Beteiligung erworben wurde, zur Muttergesellschaft besteht, selbst wenn die Muttergesellschaft stets nur Gewinne und keine Verluste erzielen würde.

Gewinnbesteuerung bei Veräußerung der Beteiligung

Österreich macht geltend, bei Steuerneutralität der Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft (Anm d Red: aufgrund der Regelung des § 10 Abs 2 und 3 KStG zu internationalen Schachtelbeteiligungen) erfolge diese Besteuerung nicht, so dass es gerechtfertigt sei, den in einem unmittelbaren Zusammenhang zu dieser Besteuerung stehenden steuerlichen Vorteil nicht zu gewähren.

Jedoch ist zum einen darauf hinzuweisen, dass der steuerliche Vorteil in Form der Firmenwertabschreibung sich für die Muttergesellschaft unmittelbar auswirkt, während die Belastung in Form der Besteuerung der Gewinne bei einer Veräußerung der Beteiligung an der inländischen Gesellschaft entfernter und mehr vom Zufall abhängig ist. Insoweit werden zudem strategische Beteiligungen regelmäßig auf Dauer gehalten. Unter diesen Umständen ist die Tatsache, dass der Gewinn bei einer Veräußerung der Beteiligung besteuert werden kann, nicht als Erwägung der steuerlichen Kohärenz anzusehen, mit der die Verweigerung dieses steuerlichen Vorteils gerechtfertigt werden könnte, wenn die Muttergesellschaft eine Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft, die Gruppenmitglied wird, erwirbt.

Zum anderen ist die Muttergesellschaft nach nationalem Recht selbst dann nicht zur Firmenwertabschreibung berechtigt, wenn sie gemäß § 10 Abs 3 Z 1 KStG ihre Option zugunsten der Steuerwirksamkeit einer Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft ausübt und somit die Veräußerung einer solchen Beteiligung besteuert wird.

Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit

Da somit nicht hervorgeht, dass die in Rede stehende Ungleichbehandlung durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt wäre, ist sie mit der Niederlassungsfreiheit unvereinbar.

Aus diesen Gründen hat der EuGH für Recht erkannt:

Art 49 AEUV steht einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegen, die es im Rahmen der Gruppenbesteuerung einer Muttergesellschaft erlaubt, beim Erwerb einer Beteiligung an einer inländischen Gesellschaft, die Mitglied einer solchen Gruppe wird, eine Firmenwertabschreibung von bis zu 50 % der Anschaffungskosten der Beteiligung vorzunehmen, ihr dies beim Erwerb einer Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft aber versagt.

Anmerkung:

Wie der EuGH an mehrerer Stellen hervorhebt, hatten die von Österreich vorgetragenen Argumente vor allem deshalb keinen Erfolg, weil § 9 Abs 7 KStG (idF vor AbgÄG 2014) der Muttergesellschaft, die eine Gruppe mit einer inländischen Tochtergesellschaft bilden möchte, die Vornahme der Firmenwertabschreibung unabhängig davon erlaubt, ob die Gesellschaft, an der eine Beteiligung neu erworben wird, Gewinne oder Verluste erzielt. Unter diesen Umständen kann aber die Anrechnung oder Nichtanrechnung der Gewinne und Verluste einer Gesellschaft, an der eine Beteiligung erworben wird, auf die Einkünfte einer Muttergesellschaft nicht als ein maßgebliches Kriterium für die Beurteilung der Unionsrechtskonformität angesehen werden.

Die vom VwGH darüber hinaus aufgeworfene Frage zur Vereinbarkeit der Firmenwertabschreibung des § 9 Abs 7 KStG (idF vor AbgÄG 2014) mit dem Recht der staatlichen Beihilfen hat der EuGH als unzulässig erklärt: Der Schuldner einer Abgabe könne sich nämlich nicht darauf berufen, dass die Befreiung anderer Unternehmen eine staatliche Beihilfe darstelle, um sich der Zahlung dieser Abgabe zu entziehen.

Zu beachten ist, dass mit dem AbgÄG 2014, BGBl I 2014/13, ARD 6388/23/2014, die im Rahmen der Gruppenbesteuerung eröffnete Möglichkeit abgeschafft wurde, beim Erwerb von Beteiligungen (Share-Deal) an inländischen Gesellschaften, die Gruppenmitglieder werden, eine Firmenwertabschreibung vorzunehmen. Somit kommt als Konsequenz dieses EuGH-Urteils eine Ausdehnung der Regelung auf Beteiligungen an Körperschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten zur Herstellung der Unionsrechtskonformität nur mehr bei Anschaffungen vor dem 1. 3. 2014 in Betracht. (Sabine Sadlo)

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20364 vom 09.10.2015