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EuGH-GA: Firmenwertabschreibung betr ausländische Gruppenmitglieder

Bearbeiter: Sabine Sadlo

KStG: § 9 Abs 7 (idF vor AbgÄG 2014)

AEUV: Art 49, Art 54, Art 107, Art 108

Nach Ansicht der Generalanwältin gibt das Unionsrecht einer inländischen Muttergesellschaft mit einer ausländischen Tochtergesellschaft ein Recht zur Inanspruchnahme der Firmenwertabschreibung im Rahmen der Gruppenbesteuerung. Eine Regelung wie § 9 Abs 7 Satz 2 KStG, die eine Firmenwertabschreibung auf den Erwerb inländischer Beteiligungen durch juristische Personen im Rahmen der Gruppenbesteuerung begrenzt, begründet einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit, kann aber - mangels selektiven Charakters für „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“ - nicht außerdem als verbotene Beihilfe an Konzerne eingeordnet werden.

Schlussanträge der Generalanwältin vom 16. 4. 2015 zu C-66/14, Finanzamt Linz zum Vorabentscheidungsersuchen des VwGH 2013/15/0186, ARD 6391/23/2014

Sachverhalt

Erhält eine steuerliche Gruppe iSd § 9 KStG neue Mitglieder, wird der sog Firmenwert der neu erworbenen Beteiligung abgeschrieben. Das bedeutet in der Regel über einen Zeitraum von 15 Jahren eine stetige Minderung der Einkünfte des Konzerns, die bis zur Hälfte des Kaufpreises der Beteiligung ausmachen kann. Von dieser Regelung ausgeschlossen sind jedoch der Erwerb ausländischer Beteiligungen (hier: an einer slowakischen Gesellschaft) sowie der Erwerb durch Steuerpflichtige, die als natürliche Personen gezwungenermaßen oder als juristische Personen aus eigenem Entschluss den Regelungen zur Gruppenbesteuerung nicht unterliegen.

Ob diese verschiedenen Ausschlüsse mit dem Unionsrecht vereinbar sind, stellt nun der VwGH in zweierlei Hinsicht in Frage: zum einen in Bezug auf das Durchführungsverbot für Beihilfen, zum anderen im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit.

Entscheidung

Anmerkung:

Mit dem AbgÄG 2014, BGBl I 2014/13, ARD 6388/23/2014, wurde die Firmenwertabschreibung auf Beteiligungen, die nach dem 28. 2. 2014 angeschafft werden, abgeschafft. Für Beteiligungen, die vor dem 1. 3. 2014 angeschafft wurden, können nach § 26c Z 47 KStG idF AbgÄG 2014 aus Gründen des Vertrauensschutzes noch offene Fünfzehntel aus der Firmenwertabschreibung auch künftig geltend gemacht werden, sofern die Einbeziehung dieser Körperschaft in die Unternehmensgruppe spätestens für ein Wirtschaftsjahr dieser Körperschaft erfolgt, das im Kalenderjahr 2015 endet.

Worauf die Generalanwältin jedenfalls ausdrücklich hinweist: Dem EuGH bietet sich in dieser österreichischen Rechtssache „die außergewöhnliche Gelegenheit, das Verhältnis zwischen den Grundfreiheiten und der Beihilfenkontrolle zu klären, soweit Ungleichbehandlungen im Steuerrecht der Mitgliedstaaten auf dem Prüfstand stehen.“ (Sabine Sadlo)

Verstoß gegen Niederlassungsfreiheit?

Im vorliegenden Verfahren wurden von der Republik Österreich eine Reihe von steuerlichen Belastungen des österreichischen Steuersystems vorgetragen, für die der steuerliche Vorteil der Berücksichtigung eines Verlusts - wie der vorliegenden Firmenwertabschreibung beim Erwerb einer Beteiligung - die „Gegenleistung“ darstellen könnte.

Im Rahmen der Prüfung eines Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit stellt die Generalanwältin jedoch erstens fest, dass sich Muttergesellschaften, die eine inländische Beteiligung erwerben, in einer vergleichbaren Situation befinden wie solche, die eine Beteiligung in einem anderen Mitgliedstaat erwerben. Zweitens kann die Ungleichbehandlung der Muttergesellschaften ihr zufolge auch nicht zur Wahrung der Kohärenz des österreichischen Steuersystems gerechtfertigt werden:

-Die Zurechnung des Gewinns einer nur inländischen Tochtergesellschaft zu ihrer Muttergesellschaft steht nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Abschreibung des Firmenwerts der Beteiligung an ihr. Dass die Gewinne ausländischer Tochtergesellschaften im Rahmen der Gruppenbesteuerung nicht zugerechnet werden, vermag somit die vorliegende Beschränkung nicht zu rechtfertigen.
-Die Firmenwertabschreibung kann auch dann nicht in Anspruch genommen werden, wenn der Steuerpflichtige gemäß § 10 Abs 3 Z 1 KStG seine Option zugunsten der Steuerwirksamkeit einer ausländischen Beteiligung ausübt und somit die Veräußerung einer solchen Beteiligung besteuert wird. Folglich kann auch die nach österreichischem Recht grundsätzlich bestehende Steuerneutralität der Beteiligung an einer ausländischen Tochtergesellschaft nicht die Versagung einer Firmenwertabschreibung für solche Beteiligungen rechtfertigen.
-Der Rechtfertigungsgrund der Wahrung der Kohärenz des mitgliedstaatlichen Steuersystems kann weiters nicht im Hinblick auf das Ziel der Gleichstellung des Erwerbs einer Beteiligung an einer rechtlich selbstständigen Tochtergesellschaft mit dem Erwerb einer rechtlich unselbständigen Betriebsstätte zur Anwendung gelangen. Denn auch bei ausländischen Betriebsstätten wird eine Firmenwertabschreibung berücksichtigt, wenn die Einkünfte dieser Betriebsstätte nach dem jeweiligen DBA in Österreich nach der Anrechnungsmethode besteuert werden.

Da somit ein Verstoß der österreichischen Regelung gegen die Niederlassungsfreiheit gegeben ist, ist auch zu klären, ob das Unionsrecht einem Steuerpflichtigen (wie hier IFN-Holding) im Ergebnis ein Recht zur Inanspruchnahme der Firmenwertabschreibung gibt oder ob ihr das Durchführungsverbot für Beihilfen entgegensteht.

Verstoß gegen Beihilfenverbot?

Der VwGH hält eine selektive Begünstigung durch die vorliegende Regelung in mehrfacher Hinsicht für möglich, nämlich durch die unterschiedliche Behandlung

1.juristischer gegenüber natürlichen Personen,
2.Körperschaftsteuerpflichtiger innerhalb gegenüber solchen außerhalb der Gruppenbesteuerung sowie
3.Steuerpflichtiger innerhalb der Gruppenbesteuerung mit einer inländischen gegenüber solchen mit einer ausländischen Beteiligung.

Zu 1. und 2.:

Mit Ausnahme solcher Konstellationen, in denen die Selektivität einer Beihilfe in einer Begünstigung inländischer gegenüber ausländischen Sachverhalten begründet sein kann, sind im Rahmen der Prüfung der Selektivität höhere Anforderungen an die Feststellung der Vergleichbarkeit der Situationen zu stellen.

Während bei den Grundfreiheiten die Vergleichbarkeit der Situationen insb im Steuerrecht nach der Rechtsprechung regelmäßig zu bejahen ist, kann Gleiches nicht für die Selektivität steuerlicher Vorteile gelten. Denn anders als bei der Beschränkung einer Grundfreiheit betrifft die Selektivität regelmäßig eine Ungleichbehandlung von Unternehmen desselben Staats und nicht zwischen in- und ausländischen Unternehmen. Nur bei der Benachteiligung grenzüberschreitender gegenüber rein inländischen Sachverhalten gebieten aber die Verträge ihrer Bestimmung gemäß eine besonders strenge Sicht.

Anhand dieses Maßstabs befinden sich nach dem österreichischen Steuersystem juristische und natürliche Personen nicht in einer vergleichbaren Situation.

Die vorliegende Regelung zur Firmenwertabschreibung ist somit auch nicht aus dem Grund als selektiv einzustufen, weil dieser steuerliche Vorteil nur Gesellschaften zugänglich ist, die der Gruppenbesteuerung unterliegen:

-Nach dem Sinn und Zweck der Gruppenbesteuerung soll eine Konzernmutter zusammen mit ihren Beteiligungen wie ein einziger Steuerpflichtiger behandelt werden. Dazu werden die Ergebnisse, welche die rechtlich eigenständigen Tochtergesellschaften erwirtschaften, mit dem Ergebnis der Muttergesellschaft zusammengerechnet. Unter diesen Umständen kann im Rahmen der Konzernbesteuerung ein Bedürfnis bestehen, die Bewertung von Beteiligungen anders zu regeln als außerhalb der Konzernbesteuerung, um eine doppelte Verlustberücksichtigung zu verhindern.
-Indem die österreichische Gruppenbesteuerung für das Steuerrecht die rechtliche Selbstständigkeit der erworbenen Gesellschaft durch die Zurechnung ihres Ergebnisses zur Muttergesellschaft teilweise aufhebt, wird außerdem der Erwerb einer Beteiligung dem Erwerb einer Betriebsstätte angenähert. Insofern befinden sich im Hinblick auf das Ziel der Regelung Beteiligungen im Rahmen der Gruppenbesteuerung in einer anderen rechtlichen Situation als solche außerhalb der Gruppenbesteuerung.
-Es kommt hinzu, dass jede Gesellschaft, die eine Beteiligung erwirbt, wählen kann, ob sie mit der erworbenen Gesellschaft eine steuerliche Gruppe bildet und damit den Vorteil einer Firmenwertabschreibung genießt. Entscheidet sich eine Gesellschaft vor diesem Hintergrund jedoch gegen die Bildung einer steuerlichen Gruppe, so befindet sie sich allein aufgrund dieser Entscheidung nicht in einer vergleichbaren Situation.

Zu 3.: Abschließend tritt die Generalanwältin auch noch gegen ein zu weitgehendes Verständnis von einer anhand ihrer spezifischen Eigenarten privilegierten Gruppe ein. Da im Steuerrecht die übrigen Voraussetzungen des Art 107 Abs 1 AEUV nahezu immer erfüllt sind, ist ein behutsamer Umgang mit dem somit entscheidenden Kriterium der Selektivität einer nationalen Regelung geboten. Betrifft die Regelung weder eine oder mehrere einzeln identifizierbare Branchen, die nach ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit abgegrenzt werden können, noch einzeln identifizierbare Unternehmen, wie es der Wortlaut des Art 107 Abs 1 AEUV vorgibt, so kann grundsätzlich nicht von der Selektivität der Regelung ausgegangen werden.

Deshalb stellt im vorliegenden Fall auch die Begrenzung der Firmenwertabschreibung auf den Erwerb inländischer Beteiligungen keine Begünstigung „bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige“ iSd Art 107 Abs 1 AEUV dar.

Entscheidungsvorschlag

Nach alledem schlägt Generalanwältin Kokott dem EuGH vor, auf die beiden Vorlagefragen des VwGH wie folgt zu antworten:

1.Art 108 Abs 3 Satz 3 iVm Art 107 Abs 1 AEUV sowie Art 88 Abs 3 Satz 3 iVm Art 87 Abs 1 EG [Durchführungsverbot für Beihilfen] stehen einer nationalen Maßnahme wie der im Ausgangsverfahren maßgeblichen nicht entgegen, nach der eine - die Steuerbemessungsgrundlage und damit die Steuerlast verringernde - Firmenwertabschreibung bei Anschaffung einer inländischen Beteiligung im Rahmen der Gruppenbesteuerung vorzunehmen ist, während bei Anschaffung einer Beteiligung in anderen Fällen der Einkommens- und Körperschaftbesteuerung eine derartige Firmenwertabschreibung nicht zulässig ist.
2.Art 49 iVm Art 54 AEUV sowie Art 43 iVm Art 48 EG [Niederlassungsfreiheit] stehen Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie denen im Ausgangsverfahren maßgeblichen entgegen, nach denen bei Anschaffung einer inländischen Beteiligung im Rahmen der Gruppenbesteuerung eine Firmenwertabschreibung vorzunehmen ist, während bei Anschaffung einer Beteiligung an einer nicht ansässigen Körperschaft eine derartige Firmenwertabschreibung nicht vorgenommen werden darf.
Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19355 vom 22.04.2015