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EuGH-GA: Inkassobüro als „Kreditvermittler“?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

RL 2008/48/EG: Art 2, Art 3

Nach Ansicht der Generalanwältin zu einem Vorabentscheidungsersuchen des OGH ist ein Inkassounternehmen ein Kreditvermittler iSv Art 3 Buchst f RL 2008/48/EG [über Verbraucherkreditverträge], wenn es offene Forderungen gegen Entgelt einzieht und dabei den säumigen Kreditnehmern im Namen der Kreditgeber Ratenzahlungsvereinbarungen anbietet.

Kreditverträge, die die unentgeltliche Stundung einer bestehenden Forderung zum Gegenstand haben, sind vom Geltungsbereich der Verbraucherkredit-RL nicht umfasst (Art 2 Abs 2 Buchst j RL 2008/48/EG). Diese Ausnahme liegt aber nicht vor, wenn für die Ratenzahlungsvereinbarung zwar kein weiteres gesondertes Entgelt verlangt wird, das „Entgelt“ aber in den Inkassokosten und Zinsen besteht, die der Kreditnehmer schon nach dem ursprünglichen Kreditvertrag oder nach den nationalen Rechtsvorschriften zahlen muss.

Schlussanträge der Generalanwältin 21. 7. 2016, C-127/15, Verein für Konsumenteninformation

Sachverhalt

Zum Vorabentscheidungsersuchen OGH 17. 2. 2015, 4 Ob 199/14i, siehe LN Rechtsnews 19289 vom 10. 4. 2015 = RdW 2015/263.

Die RL 2008/48/EG wurde in Österreich durch das Verbraucherkreditgesetz (VKrG) umgesetzt. Die Verpflichtung zur Erteilung vorvertraglicher Informationen gem Art 5 RL 2008/48/EG findet sich in § 6 VKrG. Sie gilt auch für Kreditverträge, mit denen ein Zahlungsaufschub oder eine Ratenzahlung gewährt wird (§ 25 VKrG). Von der Möglichkeit der beschränkten Anwendung gem Art 2 Abs 6 RL 2008/48/EG wurde im VKrG kein Gebrauch gemacht.

Der klagende Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat gegen das Inkassounternehmen INKO eine Unterlassungsklage erhoben, die auf Unterlassung des Abschlusses von Ratenzahlungsvereinbarungen („Rückzahlungsvereinbarung“) gegen Entgelt ohne vorherige vorvertragliche Information der Verbraucher gem den §§ 6 und 25 VKrG gerichtet ist.

INKO wendet sich im Namen des Kreditgebers an den Kreditnehmer und bietet diesem eine Rückzahlungsvereinbarung an. Der Kreditnehmer wird aufgefordert, binnen drei Tagen entweder den offenen Betrag in voller Höhe zu zahlen oder ein Formular („Rückzahlungsvereinbarung“) auszufüllen und an INKO zurückzusenden. Mit der Rückzahlungsvereinbarung erkennt der Kreditnehmer die offene Forderung und den Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens aus dem ursprünglichen Kreditvertrag an (1), erklärt sich mit einem Tilgungsplan einverstanden (2), verpflichtet sich, den geschuldeten Betrag in monatlichen Raten zu zahlen (3), und erklärt sich damit einverstanden, dass Zahlungen zuerst auf die Gebühren von INKO und dann auf die Forderung des Kreditnehmers und die Zinsen angerechnet werden (4). Die Gebühren und die Zinsen (Inkassokosten) stellen das Entgelt für die von INKO erbrachten Dienstleistungen dar.

In seinem Vorabentscheidungsersuchen weist der OGH ua darauf hin, dass der VKI nicht dargetan habe, dass INKO Zinsen und ein Entgelt für ihre Tätigkeit verlange, die über das hinausgingen, was den Kreditgebern nach österreichischem Recht geschuldet wäre, wenn sich diese ohne die Mitwirkung von INKO mit einer Ratenzahlung einverstanden erklärt hätten.

Entscheidung

Die Generalanwältin schlägt dem EuGH vor, die Vorlagefragen wie folgt zu beantworten:

-Ein Inkassounternehmen, das offene Forderungen gegen Entgelt einzieht und dabei Kreditnehmern, die sich in Verzug befinden, im Namen der Kreditgeber Ratenzahlungsvereinbarungen anbietet, ist ein Kreditvermittler iSv Art 3 Buchst f der RL 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. 4. 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der RL 87/102/EWG des Rates.
-Ein Kreditvertrag, der die unentgeltliche Stundung einer bestehenden Forderung zum Gegenstand hat, iSv Art 2 Abs 2 Buchst j der RL 2008/48/EG liegt nicht vor, wenn es im ursprünglichen Kreditvertrag heißt, dass der Kreditnehmer bei Verzug die Inkassokosten zu tragen hat, und der Kreditnehmer in der Folge mit dem Kreditgeber unter Vermittlung eines Inkassounternehmens eine Ratenzahlungsvereinbarung abschließt; dies gilt auch dann, wenn der Kreditnehmer bereits die im ursprünglichen Kreditvertrag festgelegten Inkassokosten zu zahlen hat oder in anderer Weise nach den nationalen Rechtsvorschriften zur Zahlung dieser Kosten verpflichtet ist.
Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 22025 vom 22.07.2016