News

EuGH: Konsumentenschutz - Vermutung des Mangels bereits bei Lieferung

Bearbeiter: Barbara Tuma

RL 1999/44/EG: Art 5

1. Auch wenn sich keine der Parteien ausdrücklich auf ihre Verbrauchereigenschaft berufen hat, hat das nationale Gericht diese Frage zu prüfen, sofern es über die dafür nötigen rechtlichen und tatsächlichen Anhaltspunkte verfügt oder darüber auf ein einfaches Auskunftsersuchen hin verfügen kann. Ob der Verbraucher anwaltlich vertreten ist oder nicht, ändert daran nichts.

2. Art 5 Abs 3 RL 1999/44/EG (Vermutung der Mangelhaftigkeit bereits zum Zeitpunkt der Lieferung, wenn sie binnen 6 Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar wird) ist als eine Norm anzusehen, die einer zwingenden nationalen Bestimmung gleichwertig ist; das nationale Gericht muss daher von Amts wegen jede Bestimmung seines innerstaatlichen Rechts anwenden, mit der Art 5 Abs 3 RL 1999/44/EG umgesetzt wurde.

3. Die innerstaatlich vorgesehene Frist für den Verbraucher zur Unterrichtung des Verkäufers über den Mangel darf nicht kürzer als zwei Monate ab Feststellung des Mangels sein und die Unterrichtung muss sich nur auf das Vorliegen der Vertragswidrigkeit erstrecken und darf nicht Beweisregeln unterliegen, die dem Verbraucher die Ausübung seiner Rechte unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

4. Für die Vermutung der Vertragswidrigkeit bereits zum Zeitpunkt der Lieferung muss der Verbraucher nur den Beweis erbringt, dass das verkaufte Gut nicht vertragsgemäß ist (dh zB nicht die vereinbarten Eigenschaften aufweist oder sich nicht für den Gebrauch eignet, der von einem derartigen Gut gewöhnlich erwartet wird) und sich diese Vertragswidrigkeit binnen 6 Monaten nach Lieferung tatsächlich herausgestellt hat. Der Verbraucher muss weder den Grund der Vertragswidrigkeit noch den Umstand beweisen, dass deren Ursprung dem Verkäufer zuzurechnen ist.

Zur Widerlegung der Vermutung steht dem Verkäufer nur der Beweis offen, dass der Grund oder Ursprung der Vertragswidrigkeit in einem Umstand liegt, der nach der Lieferung des Gutes eingetreten ist.

EuGH 4. 6. 2015, C-497/13, Faber; zu einem niederländischen Vorabentscheidungsersuchen

Entscheidung

Mitteilung des Mangels

Betreffend den Inhalt der Unterrichtung des Verkäufers über das Vorliegen eines Mangels hält der EuGH in seinen Entscheidungsgründen ua fest, dass der Verbraucher in diesem Stadium nicht verpflichtet sein kann, den Beweis zu erbringen, dass eine Vertragswidrigkeit das von erworbene Gut tatsächlich beeinträchtigt. Unter Berücksichtigung der Unterlegenheit, in der er sich hinsichtlich des Kenntnisstands über die Eigenschaften dieses Gutes und dessen Zustand im Zeitpunkt des Verkaufs gegenüber dem Verkäufer befindet, könne der Verbraucher auch nicht verpflichtet sein, den genauen Grund für diese Vertragswidrigkeit anzugeben.

Damit die Mitteilung für den Verkäufer von Nutzen ist, muss sie aber nach Ansicht des EuGH eine Reihe von Angaben enthalten, deren Genauigkeitsgrad zwangsläufig je nach den Umständen des Einzelfalls (Art des fraglichen Gutes, Inhalt des Kaufvertrags, konkretes Auftreten der behaupteten Vertragswidrigkeit) unterschiedlich sein wird.

Der Nachweis, dass die Unterrichtung des Verkäufers tatsächlich erfolgt ist, unterliegt - so der EuGH - grundsätzlich den nationalen Bestimmungen in diesem Bereich, die jedoch den Grundsatz der Effektivität beachten müssen; auch hier darf ein Mitgliedstaat keine Anforderungen vorsehen, die die Ausübung der Rechte aus der RL 1999/44/EG durch den Verbraucher unmöglich machen oder übermäßig erschweren würden.

Der EuGH hat für Recht erkannt:

1.Die RL 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. 5. 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter ist dahin auszulegen, dass in einem Rechtsstreit über einen Vertrag, der möglicherweise in den Geltungsbereich dieser RL fällt, das mit dem Rechtsstreit befasste nationale Gericht, sofern es über die dafür nötigen rechtlichen und tatsächlichen Anhaltspunkte verfügt oder darüber auf ein einfaches Auskunftsersuchen hin verfügen kann, die Frage zu prüfen hat, ob der Käufer als Verbraucher eingestuft werden kann, selbst wenn er sich nicht ausdrücklich auf diese Eigenschaft berufen hat.
2.Art 5 Abs 3 der RL 1999/44/EG ist dahin auszulegen, dass er als eine Norm anzusehen ist, die einer nationalen Bestimmung, die im innerstaatlichen Recht zwingend ist, gleichwertig ist, und dass das nationale Gericht von Amts wegen jede Bestimmung seines innerstaatlichen Rechts anwenden muss, die seine Umsetzung in innerstaatliches Recht sicherstellt.
3.Art 5 Abs 2 der RL 1999/44/EG ist dahin auszulegen, dass er nicht einer nationalen Bestimmung entgegensteht, nach der der Verbraucher für die Inanspruchnahme seiner Rechte aus dieser RL den Verkäufer rechtzeitig über die Vertragswidrigkeit unterrichten muss, vorausgesetzt, dass der Verbraucher für diese Unterrichtung über eine Frist von nicht weniger als zwei Monaten ab dem Zeitpunkt seiner Feststellung der Vertragswidrigkeit verfügt, dass sich diese Unterrichtung nur auf das Vorliegen dieser Vertragswidrigkeit erstrecken muss und dass sie nicht Beweisregeln unterliegt, die dem Verbraucher die Ausübung seiner Rechte unmöglich machen oder diese übermäßig erschweren.
4.Art 5 Abs 3 der RL 1999/44/EG ist dahin auszulegen, dass die Regel, wonach vermutet wird, dass die Vertragswidrigkeit bereits zum Zeitpunkt der Lieferung des Gutes bestand,
  • zur Anwendung gelangt, wenn der Verbraucher den Beweis erbringt, dass das verkaufte Gut nicht vertragsgemäß ist und dass die fragliche Vertragswidrigkeit binnen 6 Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar geworden ist, dh sich ihr Vorliegen tatsächlich herausgestellt hat. Der Verbraucher muss weder den Grund der Vertragswidrigkeit noch den Umstand beweisen, dass deren Ursprung dem Verkäufer zuzurechnen ist;
  • von der Anwendung nur dadurch ausgeschlossen werden kann, dass der Verkäufer rechtlich hinreichend nachweist, dass der Grund oder Ursprung der Vertragswidrigkeit in einem Umstand liegt, der nach der Lieferung des Gutes eingetreten ist.

Hinweis: Die Änderung der RL 1999/44/EG durch die RL 2011/83/EU betrifft nicht ihren Art 5.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19622 vom 08.06.2015