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EuGH: Markenrechtsverletzung auf Marktplatz – Vorgehen gegen Standplatzvermieter

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

RL 2004/48/EG: Art 11

Nach Art 11 Satz 3 der RL 2004/48/EG [zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums] müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass auch eine „Mittelsperson“ – unabhängig von ihrer etwaigen eigenen Verantwortlichkeit – vom Rechteinhaber gezwungen werden kann, Maßnahmen zu treffen, mit denen Rechtsverletzungen abgestellt werden und erneuten Verletzungen vorgebeugt wird. Art 11 Satz 3 der RL 2004/48/EG definiert „Mittelspersonen“ als Personen, „deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden“.

Ein Mieter von Markthallen, der die verschiedenen Verkaufsflächen in diesen Hallen an Händler untervermietet, von denen einige ihren Stand zum Verkauf von Fälschungen von Markenerzeugnissen nutzen, fällt unter den Begriff der „Mittelsperson“ iSd Art 11 Satz 3 RL 2004/48/EG und kann somit zu entsprechenden Abhilfe- und Vorbeugungsmaßnahmen gezwungen werden. Hinsichtlich der Vorbeugungsmaßnahmen kann von der Mittelsperson zwar keine generelle und ständige Überwachung ihrer Kunden verlangt werden, wohl aber Maßnahmen, die verhindern, dass derselbe Händler erneut derartige Markenrechtsverletzungen begeht.

EuGH 7. 7. 2016, C-494/15, Tommy Hilfiger Licensing ua

Sachverhalt

Zu einem tschechischem Vorabentscheidungsersuchen.

Delta Center ist Mieterin des Marktplatzes „Pražská tržnice“ (Prager Markthallen). Sie hat die verschiedenen an diesem Platz angesiedelten Verkaufsflächen an Händler untervermietet.

Die Kl sind Hersteller und Vertreiber von Markenerzeugnissen. Nachdem sie festgestellt hatten, dass Fälschungen ihrer Erzeugnisse in diesen Prager Markthallen verkauft wurden, beantragten sie ua, Delta Center zu verpflichten, den Abschluss oder die Verlängerung von Mietverträgen über Verkaufsflächen in den genannten Markthallen mit Personen zu unterlassen, die gem einer rechts- bzw bestandskräftigen Entscheidung eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde die im Antrag bezeichneten Markenrechte verletzt oder gefährdet haben.

Strittig ist, ob es sich bei Delta Center um eine Mittelsperson iSd Art 11 Satz 3 RL 2004/48/EG handelt. Fraglich war für das vorlegende Gericht nämlich, ob der Betreiber eines physischen Marktplatzes ebenso wie der Betreiber von Online-Marktplätzen gem der RL 2004/48/EG gerichtlich dazu gezwungen werden kann, die von den Händlern begangenen Markenrechtsverletzungen abzustellen und Maßnahmen zur Verhinderung erneuter Verstöße zu ergreifen (zu Online-Marktplätzen siehe bereits EuGH 12. 7. 2011, C-324/09 = LN Rechtsnews 11372 vom 13. 7. 2011 = RdW 2011/505).

Entscheidung

Nach Ansicht des EuGH ist es unbeachtlich, ob die Verkaufsstellen auf einem Online-Marktplatz oder einem physischen Marktplatz wie etwa Markthallen zur Verfügung gestellt werden. Der RL 2004/48/EG ist nämlich nicht zu entnehmen, dass ihr Anwendungsbereich auf den elektronischen Handel beschränkt wäre.

Weiters stellt der EuGH klar, dass die Voraussetzungen für eine Anordnung des Gerichts an eine Mittelsperson, die Verkaufsflächen in Markthallen vermietet, die gleichen Voraussetzungen sind, wie sie in der E C-324/09 für gerichtliche Anordnungen gegenüber Mittelspersonen auf einem Online-Marktplatz aufgestellt wurden (siehe EuGH 12. 7. 2011, C-324/09, LN Rechtsnews 11372 vom 13. 7. 2011 = RdW 2011/505): Diese gerichtlichen Anordnungen müssen daher wirksam und abschreckend sowie gerecht und verhältnismäßig sein. Sie dürfen somit nicht übermäßig kostspielig sein und auch keine Schranken für den rechtmäßigen Handel errichten. Auch kann von der Mittelsperson keine generelle und ständige Überwachung ihrer Kunden verlangt werden, wohl aber Maßnahmen, die dazu beitragen, dass nicht derselbe Händler erneut derartige Verletzungen begeht. Die Anordnungen können zudem nur erlassen werden, wenn sie ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Schutz des geistigen Eigentums und der Vermeidung von Schranken für den rechtmäßigen Handel sicherstellen.

Der EuGH hat für Recht erkannt:

1.Art 11 Satz 3 der RL 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. 4. 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums ist dahin auszulegen, dass ein Mieter von Markthallen, der die verschiedenen in diesen Hallen befindlichen Verkaufsflächen an Händler untervermietet, von denen einige ihren Stand zum Verkauf von Fälschungen von Markenerzeugnissen nutzen, unter den Begriff der „Mittelsperso[n] …, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden“, iSd genannten Bestimmung fällt.
2.Art 11 Satz 3 der RL 2004/48/EG ist dahin auszulegen, dass die Voraussetzungen, denen die an eine Mittelsperson, die eine Vermietungsdienstleistung von Verkaufsflächen in Markthallen anbietet, gerichtete gerichtliche Anordnung iS dieser Bestimmung unterliegt, mit jenen identisch sind, die der Gerichtshof im Urteil vom 12. 7. 2011, L’Oréal ua (C-324/09, EU:C:2011:474), für gerichtliche Anordnungen gegenüber Mittelspersonen auf einem Online-Marktplatz aufgestellt hat.
Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21951 vom 08.07.2016