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EuGH: MwSt-Befreiung für Umtausch in „Bitcoin“

Bearbeiter: Birgit Bleyer / Bearbeiter: Barbara Tuma

RL 2006/112/EG: Art 135

Da die virtuelle Währung „Bitcoin“ keinem anderen Zweck als dem der Verwendung als Zahlungsmittel dient und sie in dieser Eigenschaft von bestimmten Wirtschaftsteilnehmern akzeptiert wird, stellen Dienstleistungen, die im Umtausch konventioneller Währungen in Einheiten der virtuellen Währung „Bitcoin“ und umgekehrt bestehen, grundsätzlich von der Mehrwertsteuer befreite Umsätze dar.

EuGH 22. 10. 2015, C-264/14, Hedqvist

Sachverhalt

David Hedqvist, ein schwedischer Staatsbürger, beabsichtigt die Erbringung von Dienstleistungen, die im Umtausch konventioneller Währungen in die virtuelle Währung „Bitcoin“ und umgekehrt bestehen. „Bitcoins“ sind eine virtuelle Währung, die im Internet für Zahlungen zwischen Privatpersonen sowie in bestimmten Internetshops verwendet wird. Die Nutzer können diese Währung auf der Grundlage eines Wechselkurses kaufen und verkaufen.

Vor der Durchführung solcher Umsätze beantragte Herr Hedqvist beim schwedischen Steuerrechtsausschuss einen Vorbescheid, um in Erfahrung zu bringen, ob beim An- und Verkauf von „Bitcoin“-Einheiten Mehrwertsteuer zu entrichten ist. Nach Auffassung dieser Kommission sind „Bitcoins“ ein Zahlungsmittel, das wie gesetzliche Zahlungsmittel verwendet wird. Die von Herrn Hedqvist geplanten Umsätze müssten daher von der Mehrwertsteuer befreit werden.

Die schwedische Steuerbehörde hingegen ist der Ansicht, dass die von Herrn Hedqvist geplanten Umsätze nicht unter die Steuerbefreiungen fallen, die in der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehen sind. Das Oberstes Verwaltungsgericht Schweden hat daher dem EuGH die Frage vorgelegt, ob solche Umsätze der Mehrwertsteuer unterliegen, und ob sie - falls dies der Fall sein sollte - von dieser Steuer befreit sind.

Maßgebliche unionsrechtliche Vorschriften:

Art 135 Abs 1 RL 2006/112/EG (MehrwertsteuerRL) bestimmt:

„(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer: ...

d)Umsätze - einschließlich der Vermittlung - im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren, mit Ausnahme der Einziehung von Forderungen;
e)Umsätze - einschließlich der Vermittlung -, die sich auf Devisen, Banknoten und Münzen beziehen, die gesetzliches Zahlungsmittel sind, mit Ausnahme von Sammlerstücken, dh Münzen aus Gold, Silber oder anderem Metall sowie Banknoten, die normalerweise nicht als gesetzliches Zahlungsmittel verwendet werden oder die von numismatischem Interesse sind;
f)Umsätze - einschließlich der Vermittlung, jedoch nicht der Verwahrung und der Verwaltung -, die sich auf Aktien, Anteile an Gesellschaften und Vereinigungen, Schuldverschreibungen oder sonstige Wertpapiere beziehen, mit Ausnahme von Warenpapieren und der in Art 15 Absatz 2 genannten Rechte und Wertpapiere;…“

Entscheidung

Dienstleistung gegen Entgelt

Im Ausgangsverfahren soll zwischen dem Unternehmen von Herrn Hedqvist und seinen Vertragspartnern ein synallagmatisches Rechtsverhältnis bestehen, in dessen Rahmen sich die Beteiligten wechselseitig verpflichten, Beträge in einer bestimmten Währung zu überlassen und den entsprechenden Gegenwert in einer beidseitig handelbaren virtuellen Währung zu erhalten oder umgekehrt. Die Gegenleistung für die Dienstleistung soll dabei der Spanne entsprechen, die das Unternehmen in die Berechnung des Wechselkurses einbezieht, zu dem es bereit ist, die jeweiligen Währungen zu verkaufen und anzukaufen.

Der EuGH hat bereits entschieden, dass es für die Ermittlung des entgeltlichen Charakters einer Dienstleistung ohne Belang ist, dass eine solche Vergütung nicht die Form der Zahlung einer Provision oder spezieller Gebühren annimmt (vgl EuGH 4. 7. 1998, C-172/96, First National Bank of Chicago, RN 33).

Nach Ansicht des EuGH ist daher davon auszugehen, dass es sich auch hier um die Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt iSv Art 2 Abs 1 Buchst c der MehrwertsteuerRL handelt.

MwSt-Befreiung

Mit den in Art 135 Abs 1 Buchst e der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen wird - so der EuGH - insb bezweckt, die im Rahmen der Besteuerung von Finanzgeschäften auftretenden Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage und der Höhe der abzugsfähigen Mehrwertsteuer zu beseitigen. Für Finanzgeschäfte hält der EuGH aber auch Umsätze, die sich auf nicht konventionelle Währungen beziehen (dh auf andere Währungen als solche, die in einem oder mehreren Ländern gesetzliche Zahlungsmittel sind), soweit diese Währungen von den an der Transaktion Beteiligten als alternatives Zahlungsmittel zu den gesetzlichen Zahlungsmitteln akzeptiert worden sind und sie keinem anderen Zweck als der Verwendung als Zahlungsmittel dienen. Auch die Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage und der Höhe der abzugsfähigen Mehrwertsteuer, könnten unabhängig davon identisch sein, ob es sich um den Umtausch von konventionellen Währungen handelt oder den Umtausch von solchen Währungen in virtuelle, beidseitig handelbare Währungen.

Im Ausgangsverfahren ist unstreitig, dass die virtuelle Währung „Bitcoin“ keinem anderen Zweck als dem der Verwendung als Zahlungsmittel dient und dass sie in dieser Eigenschaft von bestimmten Wirtschaftsteilnehmern akzeptiert wird. Aus dem Kontext und dem Zweck von Art 135 Abs 1 Buchst e der MehrwertsteuerRL zieht der EuGH daher die Schlussfolgerung, dass sich Art 135 Abs 1 Buchst e der Mehrwertsteuerrichtlinie auch auf Dienstleistungen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden bezieht, die im Umtausch konventioneller Währungen in Einheiten der virtuellen Währung „Bitcoin“ und umgekehrt bestehen und die gegen Zahlung eines Betrags ausgeführt werden, der der Spanne entspricht, die durch die Differenz zwischen dem Preis, zu dem der betreffende Wirtschaftsteilnehmer die Währungen ankauft und dem Preis, zu dem er sie seinen Kunden verkauft, gebildet wird.

Der EuGH hat für Recht erkannt:

1.Art 2 Abs 1 Buchst c der RL 2006/112/EG Mehrwertsteuerrichtlinie ist dahin auszulegen, dass Umsätze wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die im Umtausch konventioneller Währungen in Einheiten der virtuellen Währung „Bitcoin“ und umgekehrt bestehen und die gegen Zahlung eines Betrags ausgeführt werden, der der Spanne entspricht, die durch die Differenz zwischen dem Preis, zu dem der betreffende Wirtschaftsteilnehmer die Währungen ankauft, und dem Preis, zu dem er sie seinen Kunden verkauft, gebildet wird, gegen Entgelt erbrachte Dienstleistungen iS dieser Bestimmung darstellen.
2.Art 135 Abs 1 Buchst e der Mehrwertsteuerrichtlinie ist dahin auszulegen, dass Dienstleistungen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die im Umtausch konventioneller Währungen in Einheiten der virtuellen Währung „Bitcoin“ und umgekehrt bestehen und die gegen Zahlung eines Betrags ausgeführt werden, der der Spanne entspricht, die durch die Differenz zwischen dem Preis, zu dem der betreffende Wirtschaftsteilnehmer die Währungen ankauft, und dem Preis, zu dem er sie seinen Kunden verkauft, gebildet wird, von der Mehrwertsteuer befreite Umsätze iS dieser Bestimmung darstellen.
Art 135 Abs 1 Buchst d und f der Mehrwertsteuerrichtlinie ist dahin auszulegen, dass solche Dienstleistungen nicht in den Anwendungsbereich dieser Bestimmungen fallen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20451 vom 27.10.2015