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EuGH: Urheberrechtsverletzung im Internet - internat. Zuständigkeit

VO (EG) 44/2001: Art 5

Veröffentlicht ein Unternehmen auf seiner Website ein Foto ohne Zustimmung des Fotografen und kann die Website nicht nur im Sitzstaat des Unternehmens, sondern auch in einem anderen Mitgliedstaat (hier: Wohnsitzsstaat des Fotgrafen) abgerufen werden, kann der Fotograf das Unternehmen in diesem anderen Mitgliedstaat auf Schadenersatz wegen Verletzung seiner Urheberrechte verklagen, wenn die geltendgemachten Rechte auch dort geschützt sind. Dieses Gericht ist jedoch nur für die Entscheidung über den Schaden zuständig, der in diesem Mitgliedstaat (hier: Wohnsitzstaat des Fotografen) verursacht worden ist.

EuGH 22. 1. 2015, C-441/13, Hejduk

Zu einem Vorabentscheidungsersuchen des HG Wien.

Zu den Schlussanträgen des Generalanwalts siehe LN Rechtsnews 18006 vom 12. 9. 2014.

Rechtlicher Rahmen - Gemeinschaftsrecht:

VO (EG) 44/2001 des Rates vom 22. 12. 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen

Die VO (EG) 44/2001 wird grds mit 10. 1. 2015 durch die VO (EU) 1215/2012 abgelöst. Art 5 Nr 3 VO (EG) 44/2001 ist nunmehr in Art 7 Nr 2 VO (EU) 1215/2012 geregelt.

Entscheidung

Nach Art 5 Nr 3 VO (EG) 44/2001 kann eine Person in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Wohnsitzstaat verklagt werden, und zwar bei Geltendmachung von Ansprüchen aus einer unerlaubten Handlung vor dem Gericht des Ortes, „an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“. Nach der Rsp des EuGH ist mit dieser Wendung sowohl der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs als auch der Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens gemeint, sodass der Beklagte nach Wahl des Klägers vor dem Gericht eines dieser beiden Orte verklagt werden kann (vgl EuGH 5. 6. 2014, C-360/12, Coty Germany, EU:C:2014:1318, LN Rechtsnews 17421 vom 6. 6. 2014 = RdW 2014/412).

Ursächliches Geschehen am Sitz des Verletzers

In seinen Entscheidungsgründen stellt der EuGH ua klar, dass eine Anrufung des Gerichts im Wohnsitzstaat des Fotografen unter dem Anküpfungspunkt des ursächlichen Geschehens ausscheidet, weil das ursächliche Geschehen am Sitz des Unternehmens eintritt. In einem Fall wie dem vorliegenden (Verletzung von Urheber- und verwandten Schutzrechten durch die Veröffentlichung von Lichtbildern auf einer bestimmten Website ohne Zustimmung des Urhebers) sei nämlich als ursächliches Geschehen das Auslösen des technischen Vorgangs anzusehen, der zum Erscheinen der Lichtbilder auf dieser Website führt. Handlungen oder Unterlassungen, die möglicherweise eine solche Verletzung darstellen, könnten einen räumlichen Bezug nur zum Ort des Sitzes des Unternehmens haben, denn dort wurde die Entscheidung zur Veröffentlichung der Lichtbilder auf einer bestimmten Website getroffen und durchgeführt.

Schadenserfolg im Sitzstaat des Fotografen

Bei Anrufung des Gerichts im Wohnsitzstaat des Fotografen wird - so der EuGH - die Zuständigkeit somit über eine Anknüpfung an die Verwirklichung des geltend gemachten Schadenserfolgs begründet. Dem Vorbringen der Bekl im Ausgangsfall, dass ihre Website nicht auf den Wohnsitzstaat des Fotografen „ausgerichtet“ sei, hält der EuGH entgegen, dass es für die Bestimmung des Ortes der Verwirklichung des Schadenserfolgs unerheblich ist, dass die gegenständliche Website nicht für den Mitgliedstaat des vorlegenden Gerichts bestimmt ist. Der Schadenserfolg bzw die Gefahr seiner Verwirklichung ergebe sich hier daraus, dass die Lichtbilder über die Website im Wohnsitzstaat des Fotografen zugänglich sind.

Die Frage nach dem Umfang des geltend gemachten Schadens ist nach Ansicht des EuGH im Rahmen der Prüfung der gerichtlichen Zuständigkeit unerheblich, weil sie zur materiellen Prüfung der Klage gehört. In diesem Zusammenhang verweist der EuGH darauf, dass die Gerichte nach Art 5 Nr 3 der VO (EG) 44/2001 und dem Territorialitätsgrundsatz grundsätzlich (nur) für die Entscheidung über einen Schaden zuständig sind, der im Hoheitsgebiet ihres jeweiligen Mitgliedstaats im Hinblick auf Urheber- und verwandte Schutzrechte verursacht wurde, weil sie am besten beurteilen können, ob die vom betreffenden Mitgliedstaat gewährleisteten Rechte tatsächlich verletzt worden sind, und am besten die Natur des verursachten Schadens bestimmen können (vgl in diesem Sinne EuGH 3. 10. 2013, C-170/12, Pinckney, EU:C:2013:635, LN Rechtsnews 15948 vom 4. 10. 2013 = RdW 2013/627).

Der EuGH hat daher für Recht erkannt:

Art 5 Nr 3 der VO (EG) 44/2001 des Rates vom 22. 12. 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass im Fall der Geltendmachung einer Verletzung von Urheber- und verwandten Schutzrechten, die vom Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts gewährleistet werden, dieses Gericht in Anknüpfung an den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs für eine Klage auf Schadenersatz wegen Verletzung dieser Rechte durch die Veröffentlichung von geschützten Lichtbildern auf einer in seinem Bezirk zugänglichen Website zuständig ist. Dieses Gericht ist nur für die Entscheidung über den Schaden zuständig, der im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verursacht worden ist, zu dem es gehört.

Bearbeiterinnen: Sabine Kriwanek, Barbara Tuma

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 18811 vom 23.01.2015