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EuGH: Werbung vom Verbreitungsrecht des Urhebers erfasst

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

RL 2001/29/EG: Art 4

Nach Art 4 Abs 1 RL 2001/29/EG wird den Urhebern in Bezug auf das Original ihrer Werke oder auf Vervielfältigungsstücke davon das ausschließliche Recht verliehen, die Verbreitung an die Öffentlichkeit in beliebiger Form durch Verkauf oder auf sonstige Weise zu erlauben oder zu verbieten. Dem Abschluss des Kaufvertrags vorangehende Geschäfte oder Handlungen (wie Angebote zum Erwerb oder gezielte Werbung in Bezug auf das Original oder auf Vervielfältigungsstücke des Werkes) können ebenfalls unter den Verbreitungsbegriff fallen und ausschließlich den Inhabern des Urheberrechts vorbehalten sein. Für die Feststellung einer Verletzung des Verbreitungsrechts ist es unerheblich, dass auf diese Werbung nicht der Übergang des Eigentums an dem geschützten Werk oder seinen Vervielfältigungsstücken in der EU folgt, sofern die Werbung die Verbraucher des Mitgliedstaats, in dem das Werk urheberrechtlich geschützt ist, zu dessen Erwerb anregt.

EuGH 13. 5. 2015, C-516/13, Dimensione Direct Sales und Labianca; zu einem deutschen Vorabentscheidungsersuchen

Ausgangsfall

Knoll, die Klägerin des Ausgangsfall, gehört zur Knoll-Gruppe, deren Muttergesellschaft ihren Sitz in Pennsylvania (USA) hat. Die Unternehmensgruppe stellt hochwertige Möbel her und verkauft sie weltweit, ua Sessel und Tische nach den Entwürfen von Marcel Breuer oder Ludwig Mies van der Rohe (im Folgenden: geschützte Designs). Knoll ist für die Verwertung dieser in Deutschland geschützten Designs zur Geltendmachung der ausschließlichen urheberrechtlichen Ansprüche ihrer Muttergesellschaft ermächtigt.

Dimensione ist eine beschränkt haftende Gesellschaft, deren Geschäftsführer Herr Labianca ist. Sie vertreibt europaweit Designmöbel im Direktvertrieb und bietet auf ihrer Internetseite Möbel zum Erwerb an. In den Jahren 2005 und 2006 warb Dimensione auf ihrer in deutscher Sprache abrufbaren Internetseite, in verschiedenen deutschen Tageszeitungen und Zeitschriften sowie in einem Werbeprospekt für den Kauf von Möbeln, die geschützten Designs entsprechen, mit folgendem Hinweis: „Sie erwerben Ihre Möbel bereits in Italien, bezahlen aber erst bei Abholung oder Anlieferung durch eine inkassoberechtigte Spedition (wird auf Wunsch von uns vermittelt).“

Da Knoll der Ansicht war, dass es sich bei den von Dimensione angebotenen Möbeln um Nachahmungen oder Fälschungen der geschützten Designs handele, beantragte sie beim Landgericht Hamburg, Dimensione und Herrn Labianca zu verbieten, diese Möbel in Deutschland anzubieten; die Möbel seien als Werke der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützt und Dimensione verletze mit ihrer in Deutschland veröffentlichten Werbung für Vervielfältigungsstücke geschützter Designs ihr Recht und das ihrer Muttergesellschaft aus § 17 Abs 1 dUrhG.

Landgericht und Oberlandesgericht Hamburg gaben der Klage statt, der BGH setzte das Verfahren aus, weil der Erfolg des Verfahrens von der Auslegung des Art 4 Abs 1 RL 2001/29/EG abhänge: Seiner Ansicht nach umfasst das darin vorgesehene Verbreitungsrecht auch das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des geschützten Werkes der Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten (zu bewerben), und das Verbreitungsrecht werde auch dann verletzt, wenn die Werbung nicht zu einem Erwerb des angebotenen Gegenstandes führe.

Der EuGH hat für Recht erkannt:

Art 4 Abs 1 der RL 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. 5. 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass der Inhaber des ausschließlichen Verbreitungsrechts an einem geschützten Werk Angebote zum Erwerb oder gezielte Werbung in Bezug auf das Original oder auf Vervielfältigungsstücke des Werkes auch dann verbieten kann, wenn nicht erwiesen sein sollte, dass es aufgrund dieser Werbung zu einem Erwerb des Schutzgegenstands durch einen Käufer aus der Union gekommen ist, sofern die Werbung die Verbraucher des Mitgliedstaats, in dem das Werk urheberrechtlich geschützt ist, zu dessen Erwerb anregt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19498 vom 15.05.2015