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EuGVVO 2012: Heilung der internationalen und örtlichen Unzuständigkeit

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

EuGVVO 2012: Art 7, Art 24, Art 26

1. Außerhalb der ausschließlichen Zuständigkeiten des Art 24 EuGVVO 2012 wird das angerufene Gericht durch eine Streiteinlassung des Beklagten nachträglich zuständig. Dies gilt auch für den Fall, dass die EuGVVO 2012 die örtliche Zuständigkeit mitregelt. Durch die rügelose Einlassung wird nicht nur die internationale, sondern auch die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts begründet.

2. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass es sich beim Zahlungsversprechen aus einer Inhaberschuldverschreibung um eine freiwillige rechtliche Verpflichtung des Schuldners und damit um einen vertraglichen Anspruch iSd Art 7 Nr 1 EuGVVO 2012 handelt. Insoweit ist die Zuständigkeit nach der EuGVVO eröffnet.

Art 7 EuGVVO 2012 regelt - ebenso wie Art 18 EuGVVO 2012 für Verbrauchersachen - nicht nur die internationale, sondern auch die örtliche Zuständigkeit.

Der Ort des schädigenden Ereignisses im Sinne des Erfolgsorts liegt bei Schadenersatzklagen gemäß Art 7 Nr 2 EuGVVO dort, wo sich das Anlagekonto befindet. Damit ist aber nicht der Ort gemeint, an dem das Konto geführt wird, von dem aus die Anlage getätigt wurde.

OGH 31. 8. 2015, 6 Ob 122/15g

Entscheidung

Zudem hat der OGH zusammengefasst ua ausgesprochen:

-Nach Art 26 EuGVVO 2012 wird außerhalb der ausschließlichen Zuständigkeiten des Art 24 EuGVVO 2012 das angerufene Gericht durch eine Streiteinlassung des Beklagten nachträglich zuständig. Aus diesem Grund hat das Gericht die Klage auch dann zuzustellen, wenn es schon in limine litis zur Auffassung gelangt, unzuständig zu sein: eine sofortige a-limine-Zurückweisung der Klage kommt nicht in Betracht; vielmehr muss den Beklagten die Möglichkeit eingeräumt werden, sich auf das Verfahren vor dem (prorogabel unzuständigen) Gericht einzulassen.
Dies gilt auch für den Fall, dass die EuGVVO die örtliche Zuständigkeit mitregelt. Eine allfällige örtliche Unzuständigkeit könnte das Erstgericht nur im Fall der Nichteinlassung der beklagten Partei einwenden.
Nach der Wertung der EuGVVO geht die Möglichkeit der Heilung der Unzuständigkeit durch Einlassung des Beklagten dem obrigkeitlichen Interesse an der Einhaltung der objektiven Zuständigkeitsordnung vor. Ist aber die Klage sogar dann zuzustellen und nicht sofort zurückzuweisen, wenn diese - außerhalb der ausschließlichen Zuständigkeiten nach Art 24 EuGVVO 2012 - im falschen Land eingebracht wird, muss dies schon Kraft einfachen Größenschlusses auch dann gelten, wenn lediglich die örtliche Zuständigkeit in Rede steht.
-Zur RL über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen hat der EuGH zwar ausgesprochen, dass der Mindestschutz, wie ihn die Klauselrichtlinie gewähre, erfordere, dass ein nationales Gericht von Amts wegen prüfen könne und müsse, ob eine Klausel des ihm vorgelegten Verbrauchervertrags missbräuchlich im Sinn der Richtlinie sei, wenn es die Zulässigkeit einer bei den nationalen Gerichten einbrachten Klage prüfe (Rs Ozéano Grupo/Quintero ua, C-240/98). An dieser Entscheidung hat der EuGH auch in der Folge festgehalten (vgl EuGH 26. 10. 2006, C-168/05, Mostaza Claro, LN Rechtsnews 1894 vom 6. 11. 2006 = RdW 2006/703, zur Einrede des Schiedsvertrags, die zu einem Zuständigkeitsmangel des angerufenen Gerichts führen könnte).
Wenngleich daher in diesen Fällen tatsächlich eine a-limine-Zurückweisung in Betracht kommen kann, gilt dies nach dem Gesagten doch nur in jenen Fällen, wo dies der Schutz des beklagten Verbrauchers gegen missbräuchliche Klauseln erfordert. Für eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf andere Konstellationen, insbesondere auf jene Fälle, in denen - wie im vorliegen Fall - ein Verbraucher selbst die Klage erhebt, besteht keine Grundlage.
Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20804 vom 21.12.2015