News

Gerichtliches Finanzstrafrecht – Anwendung des VbVG

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

FinStrG: § 23, § 26, § 28a

VbVG: § 1, § 5, § 6, § 7

In Verbandsverantwortlichkeitssachen, denen gerichtlich strafbare Finanzvergehen zugrunde liegen, ist eine gänzlich bedingte Nachsicht der Geldbuße nicht möglich, weil § 6 VbVG eine solche nur für nach Tagessätzen bemessene Geldbußen vorsieht. Die Grenzen der Zulässigkeit teilweiser bedingter Nachsicht sind (nicht nach § 26 Abs 1 FinStrG, sondern) nach § 7 VbVG zu beurteilen. Die subsidiäre Anwendung des § 26 Abs 1 FinStrG kommt in diesem Bereich gerade nicht in Betracht.

§ 5 VbVG regelt die Bemessung der „Anzahl der Tagessätze“ und ist daher auf Verbandsgeldbußen nach dem FinStrG nicht unmittelbar anwendbar. Einer Heranziehung der in § 5 Abs 2 und 3 VbVG genannten Erschwerungs- und Milderungsgründe bei der Bemessung (auch) einer Verbandsgeldbuße nach dem FinStrG steht aber nichts entgegen, weil der subsidiär anzuwendende § 23 Abs 2 FinStrG hinsichtlich der besonderen Erschwerungs- und Milderungsgründe auf § 33 und § 34 StGB verweist und diese Bestimmungen bloß demonstrative Aufzählungen enthalten. Die Heranziehung der Erschwerungs- und Milderungsgründe des § 5 VbVG liegt sogar nahe, weil die besonderen Strafbemessungsgründe des StGB großteils ausschließlich auf natürliche Personen anwendbar sind und solcherart in Finanzstrafsachen nach dem VbVG nicht herangezogen werden können (§ 28a Abs 1 zweiter Satz FinStrG).

OGH 6. 11. 2014, 13 Os 56/14f

Entscheidung

Gemäß § 1 Abs 1 VbVG ist das VbVG auf Finanzvergehen nur insoweit anzuwenden, als es im FinStrG vorgesehen ist. Mit Blick auf diese Verweisungsnorm ordnet § 28a Abs 1 erster Satz FinStrG für das gerichtliche Finanzstrafrecht die Geltung des ersten und des zweiten Abschnitts des VbVG (§§ 1 bis 12 VbVG) mit der Maßgabe an, dass die Verbandsgeldbuße (abgesehen von hier nicht relevanten Sonderregelungen) „nach der für das Finanzvergehen ... angedrohten Geldstrafe“ zu bemessen ist. Damit wird ausgedrückt, dass die Buße nicht – wie in § 4 VbVG vorgesehen – nach dem Tagessatzsystem, sondern dem Sanktionensystem des FinStrG folgend zu bestimmen ist (EBRV 1187 BlgNR 22. GP 26, Lässig in WK2 FinStrG § 28a Rz 2), so der OGH.

Hieraus folgt nach Ansicht des OGH zunächst, dass in Verbandsverantwortlichkeitssachen, denen gerichtlich strafbare Finanzvergehen zugrunde liegen, eine gänzlich bedingte Nachsicht der Geldbuße nicht möglich ist, weil § 6 VbVG eine solche nur für nach Tagessätzen bemessene Geldbußen vorsieht (in diesem Sinn auch Fellner, FinStrG § 28a Rz 35; Kert in Leitner, Finanzstrafrecht 2006, 9 [33]; Reger/Nordmeyer/Hacker/Kuroki, FinStrG4 § 28a Rz 24 und Tannert, FinStrG § 28a Anm 15).

Keine Anhaltspunkte hingegen biete das Gesetz für die in der Beschwerde primär vertretene, auf eine vereinzelte Lehrmeinung (E. Steininger VbVG § 6 Rz 15) gestützte Variante, eine nach dem FinStrG verhängte Geldsummenbuße sei fiktiv auf eine nach dem Tagessatzsystem ausgemessene Buße umzurechnen und sei anhand dessen die allfällige Überschreitung der in § 6 Abs 1 erster Satz VbVG normierten Grenze (70 Tagessätze) und solcherart die Möglichkeit der Gewährung gänzlicher bedingter Strafnachsicht zu prüfen.

Als zutreffend erachtete der OGH hingegen den eventualiter vorgebrachten Einwand, die Grenzen der Zulässigkeit teilweiser bedingter Nachsicht seien (nicht nach § 26 Abs 1 FinStrG, sondern) nach § 7 VbVG zu beurteilen (so auch Fellner, FinStrG § 28a Rz 35; Kert in Leitner, Finanzstrafrecht 2006, 9 [34]; Reger/Nordmeyer/ Hacker/Kuroki, FinStrG4 § 28a Rz 24). Die Bestimmungen des ersten Abschnitts des FinStrG (§§ 1 bis 52 FinStrG) sind – so der OGH – nämlich nach § 28a Abs 1 zweiter Satz FinStrG neben jenen des ersten und des zweiten Abschnitts des VbVG (§ 28a Abs 1 erster Satz FinStrG) bloß „im Übrigen“ anzuwenden, womit das Gesetz eine subsidiäre Geltung der bezeichneten Normen (§§ 1 bis 52 FinStrG) anordne (Lässig in WK2 FinStrG § 28a Rz 4). Da aber § 7 VbVG die Gewährung teilbedingter Nachsicht der Verbandsgeldbuße – ohne Einschränkung auf das Tagessatzsystem – ausdrücklich regelt, komme die subsidiäre Anwendung des § 26 Abs 1 FinStrG in diesem Bereich gerade nicht in Betracht.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19155 vom 18.03.2015