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Geschäftsanteil einer englischen Limited an österr. GmbH

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

FBG § 40

GmbHG: § 75, § 93

Der Geschäftsanteil einer englischen Limited an einer im österreichischen Firmenbuch eingetragenen GmbH mit (Satzungs-)Sitz in Österreich stellt ein in Österreich und nicht im Vereinigten Königreich befindliches Vermögen dar.

OGH 19. 3. 2015, 6 Ob 178/14s

Entscheidung

Ungeklärte Frage im Ausgangsfall

Im vorliegenden Fall ging es um Gesellschaftsanteile, die eine in Großbritannien gelöschten Limited Company nach englischem Recht an einer in Österreich registrierten GmbH hält. Fraglich war, ob hinsichtlich des Vermögens einer gelöschten Limited, das außerhalb des Vereinigten Königreichs gelegen ist, eine staatliche Aneignung von „herrenlosem Vermögen“ („bona vacantia“) stattfinde, ob sohin auch ausländische Vermögenswerte von der englischen Krone übernommen würden und somit im vorliegenden Fall Gesellschaftsanteile der Antragsgegnerin (gelöschte englische Limited) an der Antragstellerin (österreichische GmbH) an die englische Krone übergegangen seien.

Dies ist nicht vom OGH zu klären, weshalb eine Verfahrensergänzung durch das ErstG notwendig ist.

Überlegungen zur Nachtragsliquidation

Für den Fall, dass ausländische Vermögenswerte nicht von der englischen Krone übernommen werden und somit die Gesellschaftsanteile der Antragsgegnerin an der Antragstellerin nicht an die englische Krone übergegangen sind, schließt sich der erkennende Senat jener Meinung an, wonach das in Österreich gelegene Vermögen der erloschenen Limited einer juristischen Person, die man als „Restgesellschaft“ bezeichnen könnte, zugewiesen würde (Bachner/Schacherreiter in GeS 2006, 295; Bachner/Gasser in ZfRV 2009, 117; Bachner in GeS 2012 226; Leible/Lehmann in GmbHR 2007, 1097; Krömker/Otte in BB 2008, 964; OLG Jena; OLG Düsseldorf; OLG Hamm).

Diese Restgesellschaft wäre mit der gelöschten Limited nicht ident, weil nach der Gründungstheorie im Unionsrecht der Verlust der Rechtsfähigkeit der Limited nach englischem Recht auch von den anderen Mitgliedstaaten zur Kenntnis zu nehmen ist (Bachner/Schacherreiter aaO 300; Bachner/Gasser aaO 119, 121 f; Leible/Lehmann aaO 1097 f; aA OLG Jena, OLG Düsseldorf und OLG Hamm, die jeweils ein Fortbestehen der gelöschten Limited als Restgesellschaft in Deutschland annehmen; Krömker/Otte aaO 964 f, die überdies auf die Restgesellschaft englisches Recht anwenden wollen).

Die Restgesellschaft wäre vielmehr eine von der österreichischen Rechtsordnung entwickelte Hilfskonstruktion, auf die österreichisches Gesellschaftsrecht anzuwenden wäre (im Ergebnis auch OLG Hamm für Deutschland). Sie hätte zunächst keine vertretungsbefugten Organe, verlieren doch - so der OGH - auch die ehemals für die Antragsgegnerin vertretungsbefugten Organe mit der „dissolution“ ihre Vertretungsbefugnis (Bachner/Schacherreiter aaO 300 f; Bachner aaO 226; im Ergebnis auch OLG Jena; Krömker/Otte aaO 965). Diese Situation wäre mit der Lage einer im österreichischen Firmenbuch gelöschten (Kapital-)Gesellschaft vergleichbar, bei der mit der Löschung (auch wenn der Löschungsbeschluss nicht rechtskräftig ist) die Vertretungsbefugnis der bis dahin vertretungsbefugten Organe wegfällt (RIS-Justiz RS0050186 [T5]). In einem solchen Fall hat das Firmenbuchgericht bei nachträglich aufgetauchtem Vermögen der gelöschten Gesellschaft auf Antrag eines Beteiligten einen Nachtragsliquidator zu bestellen (für die GmbH: § 93 Abs 5 GmbHG, § 40 Abs 4 FBG; Bachner/Gasser aaO 122; Bachner aaO 226; OLG Jena), so der OGH weiter.

Ausgehend davon, dass die gelöschte Gesellschaft eine Limited war, wären für die Restgesellschaft die am ehesten dazu ähnlichen Normen der Nachtragsliquidation für die GmbH analog anzuwenden (Leible/Lehmann aaO 1098; im Ergebnis auch OLG Jena; aA OLG Hamm, das die Restgesellschaft als OHG oder GesbR oder, im Fall einer Einpersonen-Limited, als Einzelunternehmen ansieht). Dadurch würde va das nicht sachgerechte Ergebnis vermieden, dass bei Annahme, die Restgesellschaft sei etwa eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die Gesellschafter (anders als die Gesellschafter der Limited) unbeschränkt als Gesamtschuldner für die Gesellschaftsschulden hafteten (vgl idF BGBl I 2014/83; vgl Leible/Lehmann aaO 1098; Krömker/Otte aaO 966).

In Analogie zur Nachtragsliquidation einer österreichischen GmbH wäre eine Fortsetzung (Reaktivierung) der Restgesellschaft zu einer werbenden Gesellschaft nicht möglich (6 Ob 330/98t, RdW 1999, 594; 6 Ob 216/05s, LN Rechtsnews 1000 vom 19. 4. 2006 = RdW 2006/409; 6 Ob 224/11a, LN Rechtsnews 12739 vom 21. 3. 2012 = RdW 2012/353; RIS-Justiz RS0112036; RS0120497; Bachner/Schacherreiter aaO 300; Bachner/Gasser aaO 117).

Vereinbarkeit mit Unionsrecht?

Inwieweit die dargestellte Lösung mit dem Unionsrecht vereinbar ist, bedurfte vorweg noch keiner abschließenden Klärung.

Dafür spräche nach Ansicht des OGH, dass es nach dem Verlust der Rechtsfähigkeit im Herkunftsstaat an einem Rechtssubjekt fehlt, das sich auf die Niederlassungsfreiheit berufen könnte. Die gelöschte Antragsgegnerin kann sich also nicht mehr darauf berufen, als Gesellschaft nach englischem Recht an der Niederlassungsfreiheit gem Art 49, 54 AEUV teilzuhaben (im Ergebnis auch OLG Hamm).

Aus Sicht des Unionsrechts bestünden daher keine Bedenken, auf das in Österreich gelegene Vermögen der Antragsgegnerin österreichisches Recht anzuwenden (Bachner/Schacherreiter aaO 300 f; Bachner/Gasser aaO 119 mwN, 121 f; für das deutsche Recht vgl Leible/Lehmann aaO 1097 f mwN).

Nachtragsliquidator

Es lägen somit die Voraussetzungen für die Bestellung eines Nachtragsliquidators gem § 93 Abs 5 GmbHG bzw § 40 Abs 4 FBG durch das ErstG vor.

Der Nachtragsliquidator würde nach Verwertung des Geschäftsanteils im Verhältnis zur Höhe des Erlöses angemessene Bemühungen unternehmen müssen, um (allenfalls auch in England) die letzten Gesellschafter und allfällige bisher unbefriedigte Gläubiger der Antragsgegnerin auszuforschen. Der Erlös wäre (nach Abzug der vom ErstG zu prüfenden angemessenen Entlohnung des Nachtragsliquidators) zuerst allfälligen Gläubigern der Antragsgegnerin (notfalls kridamäßig) auszufolgen, ein dann noch verbleibender Rest anteilig an die letzten Gesellschafter der Antragsgegnerin.

Sollten die Bemühungen zur Ausforschung vormaliger Gläubiger oder Gesellschafter der Antragsgegnerin erfolglos sein, wäre der (um den Entlohnungsanspruch des Nachtragsliquidators geminderte) Erlös gem § 91 Abs 4 GmbHG bei Gericht zu erlegen.

Die Auswahl der Person des Nachtragsliquidators wäre dem pflichtgemäßen Ermessen des ErstG anheimgestellt. Bei der beantragten Bestellung der Vertreterin der Antragstellerin (also der Vertretering der österreichischen GmbH) zur Nachtragsliquidatorin wären jedochInteressenkollisionen zu befürchten: Die Antragstellerin hätte ein Interesse an einer möglichst billigen Verwertung des Geschäftsanteils der Restgesellschaft, wäre doch insb kraft des Vorkaufsrechts der Mehrheitsgesellschafterin der Antragstellerin laut Gesellschaftsvertrag wahrscheinlich, dass die Mehrheitsgesellschafterin den Geschäftsanteil erwerben wolle und werde. Die Restgesellschaft hingegen hätte ein Interesse an einem möglichst hohen Erlös aus dem Verkauf ihres Geschäftsanteils.

Rechtliches Interesse an einer Nachtragsliquidation

Sollte sich die Rechtslage wie eben beschrieben herausstellen, sieht der OGH Ergänzungsbedarf auch noch in einem weiteren Aspekt:

Die Antragstellerin (die österreichische GmbH) müsste im fortgesetzten Verfahren ihr (rechtliches) Interesse an einer Nachtragsliquidation der Antragsgegnerin klarstellen; gelänge ihr dies nicht, wäre der Antrag mangels Beteiligtenstellung der Antragstellerin abzuweisen. Aufgrund des ergänzten Verfahrens wird auch die Art des Verfahrens und die (internationale) Zuständigkeit zu beurteilen sein.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20036 vom 11.08.2015