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GmbH-Gesellschaftsvertrag – sittenwidrige Abfindungsklausel

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB § 879

GmbHG: § 76, § 84

Regelt der Gesellschaftsvertrag einer GmbH die Abfindung ausscheidender Gesellschafter nicht, so hat der ausscheidende Gesellschafter Anspruch auf den vollen Wert – den Verkehrswert – des Geschäftsanteils. Die Frage, inwieweit hier Raum für abweichende Regelungen durch den Gesellschaftsvertrag besteht, wird in Lehre und Rsp unterschiedlich beantwortet. Jedenfalls nichtig ist aber eine Regelung im GmbH-Gesellschaftsvertrag, die ein Aufgriffsrecht betr den Geschäftsanteil eines Gesellschafters mit einer Abfindung unter dem Verkehrswert (nur) für den Fall vorsieht, dass über das Vermögen des Gesellschafters der Konkurs eröffnet wird (Festhalten an 6 Ob 142/05h, LN Rechtsnews 2893 vom 23. 5. 2007 = RdW 2007/493). Eine solche Regelung stellt nämlich eine sittenwidrige Benachteiligung der Gläubiger des Gesellschafters dar und Rechtsfolge dieser Sittenwidrigkeit ist die Nichtigkeit der betreffenden Satzungsbestimmung (§ 879 Abs 1 ABGB). Diese Nichtigkeit ist von Amts wegen wahrzunehmen und begründet ein Eintragungshindernis.

OGH 30. 3. 2016, 6 Ob 35/16i

Entscheidung

Der OGH wies in seiner Begründung ua darauf hin, dass durch die Normierung eines Aufgriffsrechts gezielt für Fall der Insolvenz eines Gesellschafters die Gläubiger des Gesellschafters im Fall seiner Insolvenz schlechter gestellt werden, als sie außerhalb der Insolvenz stünden. Damit wird die Befriedigung der Gläubiger gerade in einer Situation beeinträchtigt, in der sie auf den Zugriff auf den durch die Gesellschaftsanteile repräsentierten Vermögenswert am meisten angewiesen sind. Ein redlicher Schuldner würde eine derartige Vereinbarung nicht abschließen, weil sich diese Vereinbarung nur zu Lasten der Befriedigung der Gläubiger auswirkt, dem aber kein schutzwürdiges Interesse der Gesellschaft gegenübersteht. Aus § 76 Abs 4 GmbHG ergebe sich die Wertung des Gesetzes, dass die Gläubigerbefriedigung den Interessen der Gesellschaft vorgeht und die Gläubiger jedenfalls den Schätzwert des Anteils erhalten sollen.

Für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit ist eine Gesamtabwägung erforderlich, in deren Rahmen – so der OGH – auch zu beachten ist, dass die Insolvenz eines Gesellschafters bei der GmbH für die Gesellschaft weniger nachteilig ist als bei einer Personengesellschaft, weil die Gesellschafter nicht persönlich haften, sodass die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft nicht in gleichem Ausmaß von jener der Gesellschafter abhängt. Auch ist bei der Veräußerung eines Geschäftsanteils weder Bestand noch Liquidität der Gesellschaft tangiert, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt keine sachliche Rechtfertigung für eine Beschränkung des Entgeltanspruchs des Gesellschafters erkennbar ist.

Im vorliegenden Fall kam es somit auf die im Schrifttum unterschiedlich beantwortete Frage gar nicht an, ob Aufgriffsrechte für den Fall der Insolvenz eines Gesellschafters überhaupt vereinbart werden können oder ob § 26 Abs 3 IO einer solchen Regelung in der Satzung entgegensteht (für die Anwendbarkeit des § 26 Abs 3 IO Weber-Wilfert/Widhalm-Budak in Konecny/Schubert § 26 KO Rz 91 ff; ebenso die überwiegende Rsp der Gerichte zweiter Instanz, vgl Umlauft, GesRZ 2009, 6; dagegen Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 Anh § 76 Rz 10; Kletečka, GesRZ 2009, 82 ff; vgl auch Kalss/Eckert, Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht, in Kodek/Konecny, Insolvenz-Forum 2007 65 [95 ff]; für Einschränkung auf den Fall, dass der Abfindungspreis dem Verkehrswert entspricht Kastner/Doralt/Nowotny, Gesellschaftsrecht5 423; Fantur, GeS 2007, 188; offen gelassen in 6 Ob 21/79; 6 Ob 241/98d, RdW 1999, 410; und 6 Ob 142/05h; für Anwendbarkeit des § 26 Abs 3 IO auf Kaufoptionen aber 8 Ob 4/92).

Weiters musste der OGH ua auch nicht auf das Argument eingehen, wonach der Insolvenzverwalter von der Abtretungsverpflichtung – selbst wenn man diese für zulässig erachten würde – als zweiseitig noch nicht erfülltem Vertrag zurücktreten könne. Der OGH wies allerdings darauf hin, dass er bereits ausgesprochen hat, dass Gesellschaftsverträge von § 21 IO nicht erfasst sind, weil sie keine synallagmatischen Verträge sind (7 Ob 2097/96z, RdW 1997, 135).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21851 vom 23.06.2016