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GmbH: Stimmverbot wegen Beteiligung an Drittgesellschaft

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

GmbHG: § 39

Bei der hier anzuwendenden Bestimmung des § 39 Abs 4 GmbHG (Stimmverbot) wird in der Judikatur betont, dass das Gesetz gerade kein generelles Stimmverbot bei jeder Art von Interessenkollision kennt. Der Gesetzgeber hat aus Gründen der Rechtssicherheit bewusst von einer Generalklausel Abstand genommen; Analogien sind daher nur zulässig, wo es entsprechend den starren Schranken von § 39 Abs 4 GmbHG gelingt, eine formalisierte Regel mit zureichendem Eindeutigkeitsgrad aufzustellen.

Schon aus Gründen der Rechtssicherheit kann hier die Entscheidung nicht bloß einer Abwägung im Einzelfall überlassen werden; vielmehr sind die maßgeblichen Kriterien zu präzisieren:

Hält ein Gesellschafter Anteile einer (befangenen) Drittgesellschaft, ist unbestritten, dass das Stimmverbot eingreift, wenn er alle Anteile der Drittgesellschaft hält oder dort persönlich haftet.

Eine bloße Minderheitsbeteiligung reicht idR nicht für die Vermutung aus, der Gesellschafter werde allein aufgrund dieser Beteiligung sein Interesse an der Drittgesellschaft über dasjenige der GmbH stellen. Diese Vermutung besteht insb etwa nicht bloßen (geringen) Finanzbeteiligungen.

Bei höheren Beteiligungen ist ein bloßes Abstellen auf einen Quotenvergleich der Beteiligungsverhältnisse bei der Gesellschaft und der Drittgesellschaft zu pauschal und daher nicht ausreichend. Ein kleiner Anteil an einer großen Gesellschaft kann für einen Gesellschafter wirtschaftlich von größerem Interesse sein als ein großer Anteil an einer kleineren Gesellschaft. Zudem ist die Auswirkung des Beschlusses nicht notwendig für die Gesellschaft und Drittgesellschaft gleich gewichtig; auch aus diesem Grund vermag ein bloßer Vergleich der Beteiligungsquoten die Gefahr nicht stets auszuschließen, dass die Abstimmung von gesellschaftsfremden (Eigen-)Interessen geleitet wird.

Da die Höhe der Beteiligung jedoch die Bedeutung indiziert, die die Beteiligung für den Gesellschafter hat, besteht die Gefahr einer von gesellschaftsfremden Interessen geleiteten Stimmabgabe umso eher, je höher die Beteiligung an der Drittgesellschaft ist. Zusätzlich kann die Ausübung von Organfunktionen in der Drittgesellschaft oder ein sonstiges unternehmerisches Interesse an der Drittgesellschaft eine derartige Gefahr nahelegen.

OGH 29. 8. 2019, 6 Ob 104/19s

Entscheidung

Der vorliegende Fall weist die zusätzliche Besonderheit auf, dass mehrere Gesellschafter der bekl Gesellschaft auch an der Drittgesellschaft beteiligt sind und innerhalb der Bekl eine besondere Gruppe bilden, die sich durch ihre einheitliche Ausrichtung auf die Drittgesellschaft von den übrigen Gesellschaftern abhebt. Dies rechtfertigt es, sie und die von ihnen maßgeblich gehaltene Drittgesellschaft W***** interessenmäßig als Einheit zu betrachten und deshalb auch jeden einzelnen von ihnen hinsichtlich seines Stimmrechts ebenso zu behandeln wie den Alleingesellschafter eines Unternehmens, gegen das eine Klage erhoben oder vorbereitet werden soll (vgl BGH II ZR 81/76).

Ein erheblicher Interessenwiderstreit und eine dadurch drohende Schädigung der bekl Gesellschaft sind nicht erst dann zu befürchten, wenn die Gesellschafter der Drittgesellschaft sich rechtlich zu einem einheitlichen Vorgehen innerhalb der Bekl verständigt haben. Vielmehr reicht die begründete Erwartung, dass diese Gesellschafter in allen Angelegenheiten, die „ihr“ Unternehmen berühren, idR gemeinsam vorgehen und dabei die Interessen der Drittgesellschaft höher bewerten als diejenigen der Bekl (BGH II ZR 81/76). Diese Gefahr einer solchen einheitlichen Interessenverfolgung wird auch nicht schon durch die abstrakte Möglichkeit von Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Gesellschafter ausgeschaltet (BGH II ZR 81/76).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 28275 vom 20.11.2019