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Handelsvertreter: Neuzuführung von Kunden bei erworbenem Kundenstamm

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

HVertrG 1993: § 24

Hat eine Unternehmerin vom Insolvenzverwalter eines insolventen Unternehmens (Insolvenzschuldnerin) nicht [langfristige] Liefer- oder Bezugsverträge (Dauerschuldverhältnisse) erworben, sondern nur bestimmte Vermögenswerte (den gesamten Kundenstamm und eine Marke), hat sie vom Insolvenzverwalter nicht die Kunden selbst gekauft, sondern lediglich die Information über die Kundenbeziehungen der Insolvenzschuldnerin. Diese Information begründet aber noch keine Geschäftsbeziehung der Unternehmerin mit diesen Kunden, selbst wenn sie die Waren ausliefern würde, die die Kunden noch bei der Insolvenzschuldnerin gekauft haben. Denn auch in diesem Fall eröffnet der Erwerb des Kundenstamms der Unternehmerin lediglich die Chance, dass die Stammkunden der Insolvenzschuldnerin auch mit ihr eine Geschäftsbeziehung eingehen werden. Eine Geschäftsbeziehung wird aber erst durch den Abschluss entsprechender Verträge begründet.

War die Unternehmerin vor dem Kauf des Kundenstamms nicht im Geschäftsfeld der Insolvenzschuldnerin tätig, konnte sie in diesem neuen Geschäftszweig auch noch keine Alt- oder Bestandskunden haben. War daher ein Handelsvertreter bereits für die Insolvenzschuldnerin tätig und schließt die Unternehmerin über seine Vermittlung erstmals Geschäfte mit den früheren Kunden der Insolvenzschuldnerin ab, sind alle diese Kunden als Neukunden anzusehen, die ihr vom Handelsvertreter zugeführt wurden, und für den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters zu berücksichtigen.

OGH 24. 3. 2015, 10 Ob 75/14y

Entscheidung

In seiner Begründung erinnert der OGH ua an seine Rsp, wonach ein Handelsvertreter dem Unternehmer auch dann neue Kunden zuführt, wenn er aufgrund einer ihm vom Geschäftsherrn ausgehändigten Liste die darin verzeichneten Unternehmen aufsucht und diese in der Folge erstmals zu Kunden des Unternehmens werden (RIS-Justiz RS0108023).

Allgemein zur Neuzuführung von Kunden führt der OGH aus, dass neu zugeführt iSd § 24 Abs 1 Z 1 HVertrG 1993 ein Kunde ist, mit dem der Unternehmer zu Beginn des Handelsvertreterverhältnisses noch nicht in Geschäftsverbindung stand, sondern erstmals unter Einschaltung des Handelsvertreters ein Geschäft mit dem Unternehmer abgeschlossen hat; das gelte auch für Kunden, die der Handelsvertreter aus einer früheren Vertretung in das neue Vertragsverhältnis einbringt. Der Begriff des Neukunden sei branchenbezogen. Als Neukunde sei deshalb ein Kunde auch dann anzusehen, der schon bisher mit dem Unternehmer in Geschäftsbeziehungen stand, wenn er für einen anderen Geschäftszweig geworben wurde.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20011 vom 06.08.2015