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Individualsoftware - unbeschränktes Werknutzungsrecht?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

UrhG: §§ 40a ff, § 40d

Eine Individualsoftware liegt dann vor, wenn sie bislang nicht existierte und auftragsgemäß an die Bedürfnisse des Bestellers angepasst hergestellt wurde. Ginge man davon aus, dass der Erwerb einer Individualsoftware stets ein unbeschränktes Werknutzungsrecht des Nutzers zur Folge hat, hätte dies zur Konsequenz, dass sich die Sondervorschriften für Computerprogramme (§§ 40a ff UrhG) ausschließlich auf Standardsoftware beziehen.

Ein derartiges Auslegungsergebnis entspricht aber weder dem Wortlaut noch dem Gesetzeszweck dieser Bestimmungen und kann auch nicht aus der ihnen zugrunde liegenden RL 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen abgeleitet werden. Diese Bestimmungen sind vielmehr von einem Ausgleich der Interessen des Urheberberechtigten mit jenen des berechtigten Nutzers geprägt. Ein solcher Interessensausgleich wäre aber nicht mehr möglich, würde man sich der Rechtsansicht betr das Vorliegen eines unbeschränkten Werknutzungsrecht anschließen.

OGH 24. 3. 2015, 4 Ob 21/15i

Entscheidung

In seiner Begründung befasst sich der OGH auch mit der Fassung des Unterlassungsgebots iZm mit § 40d UrhG und verwirft dabei die Befürchtung des Bekl, er dürfe wegen der weiten Fassung des Unterlassungsgebots künftig auch keine Bearbeitung im Umfang des § 40d Abs 2 UrhG ausführen. Ein Unterlassungsgebot ist zwar dann - so der OGH - zu weit gefasst, wenn die Bekl damit zu Unterlassungen verhalten wird, zu denen sie bei richtiger Auslegung des materiellen Rechts nicht verpflichtet wäre. Es bestehe jedoch kein zwingender Anlass, Rechtfertigungsgründe und daraus resultierende Ausnahmen oder gesetzliche Ausnahmen vom gerichtlichen Verbot in den Spruch aufzunehmen, weil diese doch aufgrund des Gesetzes unabhängig davon gelten, ob sie im Spruch des Unterlassungsgebots ausdrücklich erwähnt werden oder nicht. Liege der rechtfertigende Tatbestand vor, könne nicht erfolgreich Exekution geführt werden (vgl etwa 4 Ob 56/10d = LN Rechtsnews 9729 vom 31. 8. 2010 = RIS-Justiz RS0114017).

Diese Wertungen sind nach Ansicht des OGH auch auf das freie Werknutzungsrecht nach § 40d Abs 2 UrhG anzuwenden: Die für eine bestimmungsgemäße Benutzung notwendige Bearbeitung des Programms bzw die Anpassung des Programms an die Bedürfnisse des Berechtigten könne mit einer (zulässigen) Veränderung der Software durch den Nutzer verbunden sein. Unter das freie Werknutzungsrecht des § 40d Abs 2 UrhG fallende Handlungen seien durch das Unterlassungsgebot nicht ausgeschlossen, ohne dass es diesbezüglich einer einschränkenden Formulierung im Spruch bedürfe.

Habe allerdings die bekl P einen konkreten Einwand erhoben, der sich nach den Ergebnissen des Verfahrens in einigen Fällen als berechtigt erwies, sodass das beanstandete Verhalten teilweise nicht rechtswidrig war, müsse der Spruch die Ergebnisse des Verfahrens wiedergeben; ein umfassendes Verbot würde nämlich diesfalls den unrichtigen Eindruck erwecken, das beanstandete Verhalten sei zur Gänze rechtswidrig gewesen. Auch daraus war für den Bekl aber nichts zu gewinnen, weil er sich im erstinstanzlichen Verfahren nicht auf das freie Werknutzungsrecht nach § 40d Abs 2 UrhG berufen hatte.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19954 vom 29.07.2015