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Insolvenz-Entgelt für Kündigungsentschädigung

Bearbeiter: Bettina Sabara / Bearbeiter: Barbara Tuma

IESG § 3 Abs 3

Wird eine Arbeitnehmerin gekündigt, wird das zunächst unbefristete Arbeitsverhältnis in eines auf bestimmte Zeit umgewandelt; wird das Arbeitsverhältnis sodann noch vor Ablauf der Kündigungsfrist vom Arbeitgeber rechtswidrig vorzeitig aufgelöst, so steht der Arbeitnehmerin arbeitsrechtlich eine Kündigungsenschädigung bis zum Ablauf des ja bereits durch die Kündigung befristeten Dienstverhältnisses zu.

Ob diese Ansprüche der Arbeitnehmerin bei Insolvenz des Arbeitgebers auch zur Gänze nach dem IESG gesichert sind, ist grundsätzlich ausgehend vom Zeitpunkt der (späteren) rechtswidrigen vorzeitigen DV-Lösung anhand der gesetzlichen Kündigungsfristen und -termine zu bestimmen und nicht ausgehend vom Zeitpunkt der ursprünglichen Kündigung.

OGH 25. 11. 2014, 8 ObS 9/14b

Sachverhalt

Die Klägerin war seit 15. 6. 2010 als Angestellte bei der späteren Schuldnerin beschäftigt. Im Dienstvertrag war vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis unter vorheriger Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist jeweils zum 15. oder Letzten eines Monats gekündigt werden kann. Mit Schreiben vom 10. 8. 2011, der Klägerin zugestellt am 12. 8. 2011, wurde sie „unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist per 31. 8. 2011“ gekündigt.

Noch vor Ablauf der Kündigungsfrist wurde sie mit 16. 9. 2011 von der zuständigen GKK abgemeldet. Diese vorzeitige Beendigung wurde vom Arbeits- und Sozialgericht letztlich als rechtswidrig qualifiziert und das ASG erließ einen Zahlungsbefehl, der ua eine Kündigungsentschädigung für die Zeit von 17. 9. 2011 bis 30. 11. 2011 beinhaltete und in Rechtskraft erwuchs.

Im Februar 2013 wurde ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen.

In weiterer Folge beantragte die Klägerin bei der beklagten IEF-Service GmbH die Zuerkennung ua einer Kündigungsentschädigung für den Zeitraum 17. 9. 2011 bis 30. 11. 2011 als Insolvenz-Entgelt. Die IEF-Service GmbH sprach der Klägerin ua Insolvenz-Entgelt für laufendes Entgelt vom 1. 8. 2011 bis 16. 9. 2011 sowie für Kündigungsentschädigung nur vom 17. 9. 2011 bis 30. 9. 2011 zu.

Die Klage auf Zahlung von Insolvenz-Entgelt für (ua) Kündigungsentschädigung für den Zeitraum 1. 10. 2011 bis 30. 11. 2011 wurde vom Erstgericht abgewiesen. Das Berufungsgericht sprach der Klägerin ua Insolvenz-Entgelt für Kündigungsentschädigung vom 1. 10. 2011 bis 31. 10. 2011 zu, bestätigte aber die Abweisung der Kündigungsentschädigung für den Zeitraum November 2011.

Der OGH erachtet die ordentliche Revision für zulässig, weil Rechtsprechung zu den hier zu behandelnden Rechtsfragen iZm § 3 Abs 3 IESG fehle.

Maßgeblicher Auslöser für Kündigungsentschädigung

Zwischen den Parteien ist nicht strittig, dass die Kündigung vom 12. 8. 2011 das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 30. 11. 2011 aufgelöst hätte. Die IEF-Service GmbH stellt die Rechtsansicht der Vorinstanzen auch nicht in Frage, dass der Anspruch der Klägerin auf laufendes Entgelt gemäß § 3a IESG bis zum arbeitsrechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses am 30. 11. 2011 gesichert gewesen wäre, wenn das Arbeitsverhältnis bis zu diesem Tag gedauert hätte.

Unstrittig ist aber auch davon auszugehen, dass das Arbeitsverhältnis arbeitsrechtlich am 16. 9. 2011 beendet wurde und ihr danach Kündigungsentschädigung gebührt. Im Revisionsverfahren ist nur mehr zu beurteilen, ob der Anspruch der Klägerin auf Kündigungsentschädigung (samt Urlaubsersatzleistung zur Kündigungsentschädigung sowie anteiligen Zinsen und Kosten) für den Zeitraum 1. 11. 2011 bis 30. 11. 2011 gesichert ist. Insofern besteht keine Bindung an die Ergebnisse des arbeitsgerichtlichen Verfahrens.

Der Arbeitgeber hätte im Hinblick auf die (die Rechtsstellung der Klägerin gegenüber dem Gesetz verschlechternde) Vereinbarung über die möglichen Kündigungstermine ihr Arbeitsverhältnis am 12. 8. 2011 unter Einhaltung der sechswöchigen Kündigungsfrist des § 20 Abs 2 AngG zum 30. 9. 2011 kündigen können. Daraus ist für die beklagte IEF-Service GmbH jedoch nichts zu gewinnen, weil das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die fristwidrige Auflösung vom 16. 9. 2011 noch vor diesem Zeitpunkt gelöst wurde. Die von der beklagten IEF-Service GmbH als maßgeblich angesehene Kündigung vom 12. 8. 2011 hat daher das Arbeitsverhältnis der Klägerin tatsächlich nicht beendet [Anm d Red: iSd IESG]. Von § 3 Abs 3 IESG erfasste Ansprüche auf Kündigungsentschädigung entstanden für die Klägerin daher nicht durch die Kündigung vom 12. 8. 2011, die weder frist- noch terminwidrig war.

Zutreffend ist das Berufungsgericht somit davon ausgegangen, dass die Frage des Umfangs der Sicherung der Ansprüche der Klägerin gemäß § 3 Abs 3 IESG erst ab dem Zeitpunkt der tatsächlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses, dem 16. 9. 2011, zu beurteilen ist.

Kündigung des befristeten Arbeitsverhältnisses

Durch die Kündigung vom 12. 8. 2011 wurde das Arbeitsverhältnis der Klägerin ins Auflösungsstadium versetzt, die Auflösung wird erst mit Ablauf der Kündigungsfrist bewirkt (vgl OGH 29. 1. 1997, 9 ObA 22/97v, ARD 4838/6/97). Dies bedeutet, dass das zunächst nicht absehbare Ende des ohne Befristung eingegangenen Arbeitsverhältnisses durch den rechtsgestaltenden Akt der Kündigung nachträglich einseitig herbeigeführt und damit ab dem Zeitpunkt der Kündigung voraussehbar gemacht wurde. Insofern wurde das Arbeitsverhältnis mit dem Zugang der Kündigung in ein solches mit bestimmter Dauer – nämlich bis zum Ende der Kündigungsfrist – umgewandelt (vgl OGH 28. 8. 1997, 8 ObA 91/97h, ARD 4897/13/97).

Befristung und Kündigung schließen einander grundsätzlich aus. Ein befristetes Arbeitsverhältnis darf daher (abgesehen vom hier nicht vorliegenden Fall einer – zulässigen – Kündigungsvereinbarung) nicht gekündigt werden. Dies gilt auch dann, wenn die Befristung – wie hier – nicht von Anfang an vereinbart war, sondern erst durch den Zugang der Kündigung bewirkt wurde.

Kündigt aber der Arbeitgeber das befristete Arbeitsverhältnis – wie hier – ohne eine solche Vereinbarung, wird es – sofern nicht eine ausdrückliche Vereinbarung über einen Kündigungsausschluss vorliegt – dennoch beendet; den Arbeitgeber treffen allerdings die Folgen der ungerechtfertigten vorzeitigen Auflösung (vgl OGH 22. 2. 2006, 9 ObA 49/05d, ARD 5706/4/2006).

Einzelvertrag für Arbeitnehmer nicht begünstigend

Die gesetzwidrige vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin am 16. 9. 2011 löste das Arbeitsverhältnis zwar zu diesem Zeitpunkt. Die Klägerin behielt jedoch arbeitsrechtlich – insofern im Ergebnis unstrittig – gemäß § 29 AngG einen Anspruch auf Kündigungsentschädigung bis zum Ende des durch den Ausspruch der Kündigung vom 12. 8. 2011 mit 30. 11. 2011 befristeten Arbeitsverhältnisses. Ein Fall der Einschränkung der Sicherung dieses Anspruchs unter Anwendung des § 3 Abs 3 IESG liegt nicht vor:

Für – wie hier – befristete Arbeitsverhältnisse gilt § 3 Abs 3 letzter Satz IESG. Zwar sind danach auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen der Berechnung der gesicherten Ansprüche die gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen unter Bedachtnahme auf die Kündigungstermine und die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen zugrundezulegen (vgl OGH 29. 11. 2001, 8 ObS 219/01s, ARD 5302/3/2002). Die Zielrichtung der Sicherungsbeschränkung des § 3 Abs 3 IESG ist es aber, die Sicherung der Ansprüche im Wesentlichen auf das zu beschränken, was schon allgemein durch gesetzliche oder kollektivvertragliche Regelungen vorgegeben ist (vgl OGH 17. 2. 2005, 8 ObS 1/05p, ARD 5594/12/2005).

Dieser Zweck kommt hier jedoch nicht zur Geltung, weil die Klägerin durch die lediglich den Arbeitgeber begünstigende Vereinbarung der Möglichkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 15. oder Letzten eines Monats keine einzelvertragliche Vereinbarung getroffen hat, die sie gegenüber den Regelungen des AngG besser stellt (vgl etwa 8 ObS 1/05p, Vereinbarung der Kündigungsmöglichkeit gemäß § 20 Abs 3 zweiter Halbsatz AngG, dafür aber einer dreimonatigen Kündigungsfrist).

Ansprüche bis 30. 11. 2011 gesichert

Ein von der Beklagten behaupteter „Gewinn“ der Klägerin durch die Insolvenz ihres früheren Arbeitgebers ist nicht ersichtlich: Die neuerliche – rechtswidrige – Auflösung des Arbeitsverhältnisses während der Kündigungsfrist bietet der Klägerin im Vergleich zur Weiterbeschäftigung während des Auflösungsstadiums keinen Vorteil. Wäre die Klägerin während des gesamten Auflösungsstadiums weiterbeschäftigt gewesen, wären ihre Ansprüche ebenfalls – gemäß § 3a IESG – bis zum 30. 11. 2011 gesichert gewesen. Eine Ausdehnung über den durch die ursprüngliche Kündigung bewirkten Endigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses ist im Hinblick auf die Regelung in § 3 Abs 3 letzter Satz letzter Halbsatz IESG nicht gegeben.

Der Revision war daher im gänzlich klagestattgebenden Sinn Folge zu geben.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19285 vom 10.04.2015