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Begehrt ein Arbeitnehmer Insolvenz-Entgelt für Überstunden oder Mehrarbeit, die ursprünglich durch Zeitausgleich abgebaut werden sollten, gilt der Grenzbetrag des § 1 Abs 4 Z 3 IESG (ein Viertel der täglichen Höchstbeitragsgrundlage zum Zeitpunkt der Fälligkeit) für den Stundenlohn samt Zuschlag pro geleisteter Überstunde/Mehrstunde (und nicht für das Entgelt für die noch offenen Zeitausgleichsstunden, deren Anzahl durch die tatsächlich geleisteten Stunden und die darauf entfallenden Zuschläge bestimmt wurde).
Sachverhalt
Der Kläger war bei der späteren Insolvenzschuldnerin als Handelsangestellter beschäftigt. Über das Vermögen der Dienstgeberin wurde am 26. 1. 2018 das Konkursverfahren eröffnet. Das Bruttogehalt des Klägers betrug im Kalenderjahr 2017 monatlich € 5.295.
Im Konkurs meldete der Kläger ua Entgelt für im Jahr 2017 geleistete Überstunden im Gesamtbetrag von € 9.348 netto an (208,72 Überstunden mit 50 % Zuschlag, 1,95 mit 100 % Zuschlag), die der Masseverwalter zur Gänze anerkannte.
Die IEF Service GmbH gab dem Antrag des Klägers auf Zuerkennung von Insolvenz-Entgelt überwiegend statt. Ein Mehrbegehren an Überstundenentgelt iHv € 1.832 netto wurde wegen Überschreitung des Grenzbetrags nach § 1 Abs 4 Z 3 IESG abgewiesen. Dabei wendete die IEF Service GmbH den Grenzbetrag nach Wortlaut und Zweck der Norm auf das Entgelt pro tatsächlich geleisteter und abzugeltender Arbeitsstunde an (also auf den Stundenlohn plus Zuschlag).
Nach Ansicht des Klägers führt dies jedoch zu einer unbilligen Kürzung der gesicherten Ansprüche. Es handle sich um Überstunden, die in Form von Zeitausgleich abgegolten werden sollten. § 1 Abs 4 Z 3 IESG sei dahin zu verstehen, dass sich der Grenzbetrag auf die Anzahl der nicht konsumierten Zeitausgleichsstunden ohne Zuschlag beziehe; der Zuschlag erhöhe die Anzahl der (nicht konsumierten) Stunden, nicht jedoch das Entgelt pro Stunde.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Der OGH ließ die Revision zu, weil zur entscheidenden Frage der Auslegung der strittigen Wortfolge des § 1 Abs 4 Z 3 IESG noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt.
Entscheidung
Grenzbetrag
Insolvenz-Entgelt gebührt nicht für Entgeltansprüche, wenn der begehrte Bruttobetrag im Zeitpunkt der bedungenen Zahlung den Grenzbetrag übersteigt (§ 1 Abs 3 Z 4 IESG). Zur Bestimmung des Grenzbetrags stellen § 1 Abs 4 Z 1 und Z 2 IESG bei Entgeltansprüchen für Zeiträume oder Tage auf ein Vielfaches der Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 45 Abs 1 ASVG für den Zeitraum bzw die Tage ab. Für „Ansprüche auf Auszahlung von fällig gewordenem Entgelt aus Überstunden- oder Mehrarbeit, für die Zeitausgleich vereinbart war, aus Zeitguthaben oder Zeitzuschlägen“ sieht § 1 Abs 4 Z 3 IESG weiters als „Grenzbetrag für jede abzugeltende Stunde ein Viertel der täglichen Höchstbeitragsgrundlage ... zum Zeitpunkt der Fälligkeit“ vor; diese Ansprüche gelten weiters (abweichend von § 44 Abs 7 ASVG) für jenen Kalendermonat als erworben, in dem sie fällig geworden sind und als monatliche Höchstbeitragsgrundlage gilt für diese Ansprüche der 30-fache Betrag der täglichen Höchstbeitragsgrundlage zum Zeitpunkt der Fälligkeit (§ 1 Abs 4 Z 3 IESG).
Die Wortinterpretation des § 1 Abs 4 Z 3 IESG führt für sich allein nicht zu einem eindeutigen Ergebnis iSd Standpunkts eines der Streitteile und auch die Materialien zur Einführung des § 1 Abs 4 Z 3 IESG mit BGBl I 2017/123, ARD 6560/17/2017, können dazu nicht verhelfen (2234/A BlgNR 25. GP, 3).
Entgelt (samt Zuschlag) pro geleisteter Stunde
Nach Ansicht des Klägers bezieht sich § 1 Abs 4 Z 3 IESG im Kontext auf Zeitausgleichsstunden, die unterschiedliche Entstehungsgründe haben könnten: Es handle sich nicht nur um zuschlagspflichtige Überstunden, sondern auch Mehrarbeitsstunden, Zeitguthaben und Zeitzuschläge. Das Gesetz spreche aus diesem Grund gerade nicht von „geleisteten Arbeitsstunden“. Folge man den Vorinstanzen, käme man zu einem verzerrten Ergebnis, weil der gesicherte Grenzbetrag für zuschlagsfreie Stunden ident mit jenem für zuschlagspflichtige Überstunden wäre.
Diesem Argument hält der OGH Folgendes entgegen:
Es trifft zu, dass es nach dem Ergebnis der Vorinstanzen für die Deckelung mit den Grenzbeträgen nicht auf die rechtliche Qualität der abzugeltenden Arbeitsstunden oder darauf ankommt, woraus sich das pro Stunde zustehende Entgelt zusammensetzt. Dieser Zugang entspricht aber durchaus dem System der Insolvenz-Entgeltsicherung.
Die Deckelung der Ansprüche mit Grenzbeträgen findet ihre Rechtfertigung darin, dass nach dem IESG die Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Verlustes der Entgeltansprüche versichert ist, auf die die Arbeitnehmer typischerweise zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts sowie des Lebensunterhalts ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen angewiesen sind. Ansprüche, die nicht mit einem typischen Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen, oder deren Höhe nicht mehr zur Sicherung des laufenden Lebensunterhalts notwendig ist, sind entweder überhaupt nicht gesichert (vgl OGH 12. 4. 2001, 8 ObS 77/01h, ARD 5239/11/2001) oder unterliegen zeitlichen und betraglichen Beschränkungen.
§ 1 Abs 4 Z 3 IESG wurde mit der Novelle BGBl I 2017/123, ARD 6560/17/2017, neu eingeführt. Vor dieser Novelle unterlag das Überstundenentgelt der Anspruchsbegrenzung gemäß § 1 Abs 4 Z 1 IESG für jene Perioden, in denen die Überstunden geleistet wurden. Dazu hat der OGH klargestellt: Wenn durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses der vereinbarte Zeitausgleich unmöglich wird, tritt anstelle des Zeitausgleichs wieder die ursprüngliche Entgeltforderung für Überstunden, wobei für die Zwecke des IESG nur die ursprüngliche Rechtsnatur als Entgelt maßgeblich ist (OGH 29. 1. 1998 8 ObS 19/98x, ARD 4944/25/98). Diese Rechtsprechung steht den Argumenten der Revision entgegen, die das Rechtsproblem nur aus dem Blickwinkel betrachtet, wie viele Normalstunden an Zeitausgleich der Kläger hypothetisch zur Abgeltung seiner Überstunden konsumieren hätte können.
Die Anwendung des Grenzbetrags der doppelten Höchstbeitragsgrundlage hatte schon nach der Rechtslage vor der Novelle zur Folge, dass das Überstundenentgelt bei höheren Einkommen allenfalls nicht zur Gänze, oder – bei Überschreitung der doppelten Höchstbeitragsgrundlage durch andere Bezüge in derselben Periode – sogar überhaupt nicht gesichert sein konnte. Für geleistete Überstunden, für die nie Zeitausgleich vereinbart war und die deshalb nicht dem § 1 Abs 4 Z 3 IESG unterliegen, gilt dies weiterhin unverändert.
Mit § 1 Abs 4 Z 3 IESG wurde aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung – so die Mat (2234/A BlgNR 25. GP, 3) – die Zuordnung sämtlicher rückgewandelten Zeitguthaben zu jener Abrechnungsperiode neu geschaffen, in der das Entgelt dafür fällig wird. Dies erforderte die Einführung eines zusätzlichen Sicherungsgrenzbetrags, um dem außerordentlichen Charakter dieses Abrechnungspostens Rechnung zu tragen und Sicherungsdefizite hintanzuhalten.
Dies bedeutet aber nicht, dass damit das Konzept der pauschalen Sicherungshöchstgrenzen aufgegeben werden sollte, die sich – soweit das Gesetz nicht selbst Ausnahmen vorsieht – nicht am Rechtsgrund der einzelnen Entgeltbestandteile, sondern an ihrer rechnerischen Summe orientiert.