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Interzession - richterliches Mäßigungsrecht

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

KSchG: § 25c, § 25d

Die gerichtliche Mäßigung der Verbindlichkeit des Interzedenten gem § 25d KSchG setzt (ua) voraus, dass das unbillige Missverhältnis der Verbindlichkeit zur Leistungsfähigkeit des Verbrauchers dem Gläubiger bei Begründung der Verbindlichkeit zumindest erkennbar war. Ebenso wie in § 25c KSchG stellt der Gesetzgeber auch in § 25d KSchG nicht auf die wirkliche Kenntnis ab, sondern auf die „Erkennbarkeit“, woraus sich ergibt, dass dem Gläubiger zugemutet wird, die entsprechende Aufmerksamkeit aufzubringen und sich - gegebenenfalls - ausreichend über den Vermögensstand des in Aussicht genommenen Interzedenten zu erkundigen. Gibt der in Aussicht genommene Interzedent zwecks Erlangung der Kreditgewährung seine Vermögensverhältnisse bewusst falsch als zu günstig an und sind die Falschangaben für den Gläubiger nicht durchschaubar, schließt dies die Erkennbarkeit und die Mäßigung in dem Umfang aus, in dem die Angaben unrichtig waren. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass selbst einfache und zumutbare Erhebungen des Gläubigers unterbleiben könnten, wenn der Interzedent seine Vermögensverhältnisse nicht von sich aus - also aus eigener Initiative - bekanntgegeben hat.

OGH 28. 4. 2015, 10 Ob 24/15z

Entscheidung

Ruinöse Haftungsübernahme

Im vorliegenden Fall wurde der Bauleiter und gewerberechtliche Geschäftsführer einer Baugesellschaft (ins Firmenbuch eingetragene brit. Limited) vom Alleingesellschafter nach Ausscheiden des handelsrechtlichen Geschäftsführers auch um Übernahme dieser Funktion ersucht; tatsächlich geführt wurde das Unternehmen aber weiterhin durch den Alleingesellschafter, der wegen eines Konkurses die Geschäftsführertätigkeit nicht ausüben konnte. Nach Auflaufen von Außenständen iHv mehr als € 170.000 bei einem Geschäftspartner (Betonlieferant) unterzeichnete der Bekl in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer zwei vom Gläubiger bereits vorgefertigte Schriftstücke, und zwar für die Gesellschaft eine Ratenvereinbarung mit dem Lieferanten (neun - mit Ausnahme eines Monats aufeinanderfolgende - Monatsraten à € 20.000) und einen persönlichen Schuldbeitritt nach § 1406 Abs 2 ABGB.

Das ErstG gab der Klage über die noch offenen € 160.000 sA statt, das BerufungsG mäßigte den Klagebetrag auf ein Drittel (€ 53.000) und wies das Mehrbegehren ab. Der OGH gab der Revision dagegen keine Folge und sah ebenfalls zunächst einmal schon keinen Anlass für eine teleologische Reduktion und damit Ausnahme des Bekl vom Anwendungsbereich des Mäßigungsrechts: Nach stRsp ist der Geschäftsführer, der eine persönliche Bürgschaft für die Schulden einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung übernommen hat, mangels eines eigenen Unternehmens als Verbraucher anzusehen (RIS-Justiz RS0065238), und der Bekl war hier ebenfalls als bloß formaler Geschäftsführer der Hauptschuldnerin weder am Kapital beteiligt, noch faktisch als Geschäftsführer tätig.

Angesichts der Einkommens- und Vermögenssituation des Bekl (Monatseinkommen iHv ca € 2.300 bis € 2.400, Bestehen einer Sorgepflicht sowie von Kreditverbindlichkeiten iHv derzeit € 200.000) liegt es für den OGH weiters auf der Hand, dass die Übernahme einer Verpflichtung zur Rückzahlung von 9 Monatsraten à € 20.000 eine ruinöse Haftungsübernahme darstellt, die den Geschäftsführer in erhebliche finanzielle Bedrängnis bringt. Das Vorbringen der Gläubigerin, es stünde dem Interzedenten frei, zur Abdeckung der Verbindlichkeit einen Kredit in Klagshöhe von rund € 160.000 aufzunehmen, erscheint dem OGH im Hinblick darauf unrealistisch, dass der Interzedent bereits erheblichen Kreditverbindlichkeiten nachzukommen hat und keine Anhaltspunkte für das Vorhandensein entsprechender Sicherheiten (etwa Liegenschaftsvermögen) vorhanden sind.

Erkennbarkeit des Missverhältnisses

Im Zusammenhang mit der Frage des Vorliegens eines unbilligen Missverhältnisses zur Leistungsfähigkeit der Interzedenten weist nach Ansicht des OGH hier schon die exorbitante Höhe der einzelnen - mit einer Ausnahme aufeinanderfolgenden - Monatsraten von € 20.000 ganz offenkundig auf ein mögliches Missverhältnis hin; derartige Raten sind für einen „Normalverdiener“ aus seinem Einkommen auch nicht annähernd leistbar. Sei aber bereits aus der auffälligen Höhe der einzelnen Raten in augenscheinlicher Weise die Gefahr einer unzumutbaren Haftungsübernahme erkennbar, hätte die Kl durch einfaches Nachfragen die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Interzedenten feststellen können, um die Gefahr der Begründung einer unzumutbaren Haftungsübernahme gar nicht entstehen zu lassen (vgl ErläutRV 311 BlgNR 20. GP 27; Mayrhofer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 25d KSchG Rz 26).

Derartige - durchaus zumutbare - Fragen haben die Vertreter der Kl (deren Geschäftsführer und die Finanzbuchhalterin) hier aber dem Interzedenten nicht gestellt, sondern ihm ohne Erwähnung des Schuldbeitritts das vorgefertigte Schriftstück zur Unterzeichnung vorgelegt. Davon, dass der Interzedent allein infolge seiner Bereitschaft zur Unterfertigung seine ausreichende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit derart unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hätte, dass die Erkundigungspflicht der Gläubigerin gänzlich entfallen konnte, ist nach Ansicht des OGH im Hinblick auf die Umstände des vorliegenden Falls nicht auszugehen. Vielmehr habe die Gläubigerin trotz der augenscheinlichen Gefahr einer unzumutbaren Haftungsübernahme keine Reaktion gesetzt und die offenkundig erforderliche Abklärung der Leistungsfähigkeit des Interzedenten unterlassen.

Hätte die Gläubigerin die gehörige Aufmerksamkeit aufgewendet, wären ihr die zum Missverhältnis führenden Umstände iSd § 25d KSchG erkennbar gewesen und die Voraussetzungen für das Mäßigungsrecht sind daher nach Ansicht des OGH zu bejahen.

Mäßigung

Bei der Mäßigung der Haftung des Interzedenten ist gem § 25d Abs 2 Z 3 KSchG auch der Nutzen des Interzedenten aus der Leistung des Gläubigers zu berücksichtigen. Diesen Nutzen sieht die Kl hier darin, dass der Schuldbeitritt der Sicherstellung des Fortbetriebs des Unternehmens und damit auch der Erhaltung der Existenzgrundlage des Interzedenten gedient habe (vgl dazu etwa 1 Ob 188/09t = RdW 2010/291n betr einen GmbH-Geschäftsführer).

Diesem Argument hält der OGH entgegen, dass der Interzedent im vorliegenden Fall lediglich als „pro forma Geschäftsführer“ fungierte und sein Entgelt (iHv monatlich ca € 2.300 bis € 2.400) aus Werkvertragsentgelten und Bezug als gewerberechtlicher Geschäftsführer bestand, ohne dass er am Erfolg des Unternehmens beteiligt gewesen wäre oder eine Erfolgsbeteiligung auch nur in Aussicht gehabt hätte. Sein Interesse bzw Vorteil könnte nur darin gelegen sein, dass ihm das Unternehmen als Dienstgeber bzw Werkvertragspartner erhalten blieb. Dass er zu diesem Zweck eine persönliche Haftung für Geschäftsverbindlichkeiten iHv € 170.000 eingegangen wäre, sei bei realistischer Betrachtungsweise nicht anzunehmen.

Ein objektiv berechtigtes Interesse der Gläubigerin an der Begründung der Mithaftung, das etwa darin bestehen könnte, den Interzedent als eine der Hauptschuldnerin nahe stehende Person in eine wirtschaftliche „Risikogemeinschaft“ einzubinden und so die ordnungsgemäße Geschäftsabwicklung zu fördern, verneinte vom OGH im Hinblick auf dessen mangelnde Kompetenzen und Einflussmöglichkeit (§ 25d Abs 2 Z 1 KSchG).

Für eine Mäßigung spricht nach Ansicht des OGH hingegen die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Schuldbeitritts gegebene wirtschaftliche Abhängigkeit des Interzedenten vom Alleingesellschafter bzw der ehemals erstbeklagten Gesellschaft (§ 25d Abs 2 Z 4 KSchG). Vor allem stehe aber das Kriterium des krassen Missverhältnisses zwischen der Leistungsfähigkeit des Interzedenten und dessen Verpflichtung bei einer Herabsetzung der Verbindlichkeit im Wege der Mäßigung im Vordergrund. Wenngleich dieses Kriterium in § 25d Abs 2 KSchG nicht (nochmals) unmittelbar einbezogen werden kann, sei es doch der Abstufung zugänglich und hat Einfluss auf die Gesamtbewertung (RIS-Justiz RS0115165 [T2]).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20077 vom 19.08.2015