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Kaskoversicherung: Abgrenzung Betriebsschaden – Unfallschaden

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

KKB 2007: Art 1

Für die Abgrenzung zwischen einem – von der Kaskoversicherung (hier: für einen Lkw) nicht umfassten – Betriebsschaden und einem Unfallschaden ist entscheidend, ob das Schadensereignis mit Rücksicht auf den Verwendungszweck des Fahrzeugs im Allgemeinen oder im Einzelfall dem Betriebsrisiko zugerechnet werden kann (hier gem Art 1.1.6. KKB 2007 – Allgemeine Bedingungen für die Fahrzeug-Vollkasko-Versicherung). Kein Kriterium für den Unterschied zwischen den Begriffen „Unfall“ und „Betriebsschaden“ ist, ob das Ereignis durch ein Verhalten des jeweiligen Kraftfahrzeuglenkers verursacht wird.

Das Abladen durch Kippen gehört zur gewöhnlichen Verwendung eines Sattelaufliegers. Eine Verlagerung des Schwerpunkts beim Kippen fällt unter das normale Betriebsrisiko, wobei eben auch Schäden durch einen Bedienungsfehler zu den Betriebsschäden gehören: Wird demnach ein Sattelauflieger durch einen zu rasch durchgeführten Entladungsvorgang und die damit verbundene Krafteinwirkung nach vorne bewegt, fehlt es (noch) an einem „von außen her einwirkenden Ereignis“. Kommt es aber im weiteren Verlauf zu einem Aufschlagen auf dem Boden (oder einem Gebäude), handelt es sich insoweit um einen „Unfall“.

Da der Verwendungszweck des Fahrzeugs zu beachten ist, sind reine Verwindungsschäden nur dann als Unfallschaden zu qualifizieren, wenn sie einem nicht einzukalkulierenden, spektakulären Ereignis und nicht dem allgemeinen Betriebsrisiko von Baufahrzeugen (Befahren unebener Baustellen) zuzurechnen sind. Stürzt ein Lkw um, liegt aufgrund des Aufschlagens auf dem Boden ein Unfall vor, der (erst) dadurch und nicht allein durch den Betrieb des Fahrzeugs entstand.

Das spezielle Risiko des Umkippens eines Lkw hat daher auch dann, wenn es auf ein Nachgeben des Bodens oder einen Bedienungsfehler zurückzuführen ist, eine andere Qualität als die vom Schutz der Kfz-Kaskoversicherung ausgeschlossenen Betriebsschäden.

OGH 10. 12. 2014, 7 Ob 136/14x

Sachverhalt

Der Kl hat bei der Bekl für seinen Lkw einen Kaskoversicherungsvertrag abgeschlossen, dem ua die Allgemeinen Bedingungen für die Fahrzeug-Vollkasko-Versicherung (KKB 2007) zugrunde lagen.

Am 6. 5. 2011 wurde der Lkw des Kl beschädigt. Die Bekl leistete vorerst 16.601,80 €, verweigerte jedoch in der Folge weitere Leistungen, weil kein „Unfall“ iSd Versicherungsbedingungen vorliege, sondern ein – nicht versicherter – Betriebsschaden. Außerdem habe der Kl grob fahrlässig gehandelt.

Der versicherte LKW ist für eine Beladung von maximal 12 Tonnen zugelassene und verfügt über ein geschlossenes Fahrerhaus und einen Spezialaufbau samt Hakengerät. Der Kl transportiert damit Putzsilos. Der LKW ist nicht mit einer Waage ausgestattet; der Kl erkennt anhand der Luftfederung des LKW, ob ein Silo zu schwer für den Abtransport ist. In diesem Fall stellt er den Silo wieder ab; dies kommt nur rund einmal im Jahr vor, meist bei Großbaustellen.

Etwa zwei Wochen vor dem gegenständlichen Vorfall hatte der Kl Pflastermörtel in einem Silo zu einem Bauvorhaben gebracht. Am 5. 5. 2011 erhielt er den Auftrag, den Silo wieder abzuholen; Informationen über das Gewicht des Silos bekam er dabei nicht. Beim Abholen des Silos am 6. 5. 2011 platzierte der Kl den Lkw so, dass er den Silo aufkippen konnte, und ließ die Stützfüße des Lkws herab; eine Stütze stand auf Beton, die andere auf Schotter. Die hydraulischen Stützen unterlegte der Kl mit Holz. Der Kl kontrollierte die Ladung nicht, bevor er mit dem Aufkippen des Silos auf den Lkw begann. Während des Aufkippens fiel ihm auf, dass das Unterlageholz tiefer eingedrückt wurde und der Silo schwer war, er wollte aber nicht wieder auffahren, weil er sich dachte, dass der Schwerpunkt wieder nach oben komme und damit die Gefahr des Umfallens höher sei. Tatsächlich hatte die konkrete Mörtel-Füllung des Silos ein Gewicht von etwa 18 bis 21 Tonnen. Nachdem der Kl den Silo auf den Lkw geladen hatte und die Stützfüße wieder eingefahren waren, begann der Lkw im Zeitlupentempo auf die rechte Seite zu kippen. Als der Lkw auf einem Erdhaufen aufschlug, wurde der Silo aus der Verankerung gerissen, rollte heraus und verbog dadurch den Lkw-Aufbau.

Der gesamte Schaden ist auf den Aufprall und die dadurch eingetretenen Beschleunigungen und Belastungen zurückzuführen. Die „Verwindungsschäden“ sind durch das Auftreffen am Boden und das Herausreißen des Silos aus den Aufnahmen entstanden, also durch die aufgrund des Aufpralls entstandenen extremen Belastungen und Beschleunigungen. Durch die Überladung selbst ist es nicht zu Schäden gekommen (auch nicht zu „Verwindungsschäden“), sondern nur zum Einsinken der rechten Seite in den nicht ausreichend befestigten Untergrund. Ursache des Umfallens war ausschließlich die Beladung.

In allen drei Instanzen wurde dem Klagebegehren stattgegeben.

Entscheidung

Die Deckungspflicht wurde vom OGH bejaht, weil der gesamte Schaden nach den Feststellungen auf den Aufprall und die dadurch eingetretenen Beschleunigungen und Belastungen zurückzuführen ist.

Keinen Bedenken des OGH begegnete auch die weitere Beurteilung des BerufungsG, dem Kl sei zwar eine nie ganz vermeidbare Fahrlässigkeitshandlung des täglichen Lebens anzulasten, nicht jedoch auffallende Sorglosigkeit, weshalb sich die Bekl nicht auf Leistungsfreiheit nach § 61 VersVG berufen kann. Nach den Feststellungen konnte der Kl – so der OGH – davon ausgehen, der Silo werde (wie üblich – aufgrund der Verwendung der zunächst darin befindlichen Mörtelfüllung) beim Abholvorgang leichter sein als beim Zuliefern, wobei eine Überladung von Silos nur etwa einmal im Jahr vorkommt. Auch der Umstand, dass der erkennbar „schwere“ Silo nicht – wie sonst – wieder abgeladen wurde, sei nachvollziehbar damit zu begründen, dass der Kl befürchtete, der Schwerpunkt werde dabei wieder nach oben kommen, was die Gefahr des Umfallens erhöht hätte.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19016 vom 24.02.2015