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Kaufkraftunterschied bei Auslandsdienstreisen

Bearbeiter: Sabine Sadlo

EStG § 16 Abs 1

Bisher konnte die Schätzung abzugsfähiger Verpflegungskosten, die sich aus der Kaufkraftdifferenz zwischen dem Inland und dem teureren Ausland ergeben, „durch Abzug der Differenz zwischen den Auslandsdiäten und den Tagesgeldern im Inland laut Reisegebührenvorschrift 1955“ erfolgen (vgl VwGH 11. 8. 1993, 91/13/0150, ARD 4510/29/93). Nunmehr schränkt der VwGH diese Aussage insofern ein, als ein erheblicher Kaufkraftunterschied nicht anhand der Höchstsätze der Auslandsreisesätze für Bundesbedienstete zum Ausdruck kommt. Für einen Vergleich der Auslandstagessätze mit dem Inlandstagessatz bietet sich allenfalls die niedrigste Gehaltsstufe an, weil auch Beamte, die in die niedrigste Gebührenstufe einzureihen sind, noch Tagessätze in einer Höhe erhalten, die den unvermeidbaren Verpflegungsmehraufwand abdecken.

Da im vorliegenden Fall der Tagessatz der Gebührenstufe 1 für Deutschland mit € 22,50 unter dem Inlandstagessatz von € 26,40 liegt, stehen ab dem sechsten Aufenthaltstag keine Werbungskosten für Verpflegungsmehraufwendungen mehr zu.

VwGH 1. 9. 2015, 2012/15/0119

Sachverhalt

Die Mitbeteiligte absolvierte während des Jahres 2009 einen knapp zweimonatigen berufsbezogenen Fortbildungsaufenthalt in Deutschland, dessen Kosten vom Arbeitsgeber getragen wurden; Reisegebühren (etwa Tages- bzw Nächtigungsgelder oder Verpflegungskosten) wurden ihr jedoch nicht ausgezahlt. Im Einkommensteuerbescheid 2009 wurden Aufwendungen („Tagesgelder“) für die 54-tägige Fortbildung im Rahmen der Werbungskosten nur für einen Anfangszeitraum von 5 Tagen berücksichtigt.

Der UFS gab der Berufung der Mitbeteiligten Folge, weil die üblichen Verpflegungsausgaben an jedem einzelnen Auslandsaufenthaltstag jedenfalls berufsbedingt überschritten worden seien. Unter Heranziehung der Kaufkraftausgleichszulage für Auslandsbeamte nach dem GehG 1956 ging der UFS für den gegenständlichen Dienstort von einer (gemäß § 3 Abs 1 Z 8 EStG steuerfreien) Kaufkraftausgleichszulage iHv 6 % aus und errechnete bezogen auf den Bruttobezug der Mitbeteiligten einen „fiktiven monatlichen (steuerfreier) Kaufkraftausgleichszulagenanspruch“ iHv € 190,45. Dieser Betrag könne nicht als geringfügig abgetan werden und es bestehe damit ein erheblicher Kaufkraftunterschied im Sinne der VwGH-Rechtsprechung. Die objektiv bestehenden Verpflegungsmehraufwendungen spiegelten sich nach Ansicht des UFS in den Auslandstagessätzen der RGV 1955 wider, weshalb die Differenz zwischen den dortigen Inlands- und Auslandstagessätzen der Berechnung dieser Mehraufwendungen zugrunde zu legen sei. Ebenso seien auch für die Frühstückskosten zusätzliche Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten anzusetzen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde des Finanzamts.

Entscheidung

1. Anfängliche Unkenntnis der lokalen Gastronomie

Die einkünftemindernde Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwand nach § 16 Abs 1 Z 9 EStG findet ihre Begründung darin, dass dem Reisenden die besonders preisgünstigen Verpflegungsmöglichkeiten am jeweiligen Aufenthaltsort in der Regel nicht bekannt sind, weshalb die Verpflegung durch die örtliche Gastronomie typischerweise zu Mehraufwendungen führt. Hält sich der Steuerpflichtige jedoch - unter Umständen auch mit Unterbrechungen - länger (mehr als eine Woche) an einem Ort auf, sind ihm die örtlichen Verpflegungsmöglichkeiten ausreichend bekannt, sodass ein Mehraufwand für Verpflegung nicht mehr steuerlich zu berücksichtigen ist (vgl VwGH 26. 7. 2007, 2005/15/0133, ARD 5807/5/2007).

Auch für den Fall der doppelten Haushaltsführung (die Mitbeteiligte hat von einer angemieteten Wohnung gesprochen, deren Mietzins vom Arbeitgeber getragen worden sei) fällt ein Verpflegungsmehraufwand nur hinsichtlich jenes ersten Zeitraums von einer Woche an. Die Geltendmachung eines Verpflegungsmehraufwands (auch von Frühstückskosten) ist im Grunde des § 16 Abs 1 Z 9 EStG nicht mehr möglich, wenn sich der Steuerpflichtige länger als eine Woche an einem Ort aufgehalten hat (vgl aus der jüngsten Zeit VwGH 24. 3. 2015, 2012/15/0074, ARD 6454/19/2015).

2. Erheblicher Kaufkraftunterschied zum Inland

Abzugsfähig sind nach der Rechtsprechung des VwGH zur insoweit vergleichbaren Rechtslage im Geltungsbereich des EStG 1972 bei längerdauernden beruflichen Auslandsaufenthalten aber Verpflegungskosten, die sich aus dem Kaufkraftunterschied zwischen dem Inland und dem teureren Ausland ergeben. Denn dieser Verpflegungsmehraufwand lässt sich auch dann nicht vermeiden, wenn der Steuerpflichtige am ausländischen Aufenthaltsort die preisgünstigsten Verpflegungsmöglichkeiten in Anspruch nimmt. Liegen die Verpflegungsaufwendungen wegen des höheren Niveaus der Lebenshaltungskosten erheblich über den Kosten der inländischen Verpflegung, können nicht mehr übliche Kosten der Verpflegung unterstellt werden. Der entsprechende Mehraufwand ist - wenn er zwar glaubhaft gemacht wird, im Einzelnen aber nicht nachgewiesen werden kann - unter Mitwirkung des Steuerpflichtigen zu schätzen (vgl VwGH 13. 2. 1991, 90/13/0199, ARD 4271/17/91, und VwGH 11. 8. 1993, 91/13/0150, ARD 4510/29/93).

Im Beschwerdefall hat die Mitbeteiligte kein Vorbringen zu konkreten Mehraufwendungen oder zu einem erheblich höheren Preisniveau im Ausland erstattet. Dass die Verpflegungskosten in Deutschland erheblich über jenen in Österreich liegen würden, ist auch keine allgemein bekannte Erfahrungstatsache, die keines weiteren Beweises iSd § 167 Abs 1 BAO bedürfte.

3. Schätzung des Differenz-Verpflegungsmehraufwands

3.1. Kaufkraftausgleichszulage nach GehG

Die belangte Behörde hat das Vorliegen eines relevanten Kaufkraftunterschieds bejaht und sich dabei alleine auf die absolute Höhe der nach § 3 Abs 1 Z 8 EStG im Fall der Mitbeteiligten steuerfrei auszahlbaren Kaufkraftausgleichszulage nach § 21b GehG 1956 gestützt. Damit hat sie die Rechtslage verkannt.

Der Beamte soll durch die Kaufkraftausgleichszulage in den Stand gesetzt werden, mit seinen Bezügen im Ausland Waren und Dienstleistungen in vergleichbarer Menge und Qualität erwerben bzw in Anspruch nehmen zu können, wie er dies mit seinen in Euro ausgezahlten Bezügen im Inland könnte (vgl VwGH 18. 12. 1996, 96/12/0085, und VwGH 4. 9. 2014, 2013/12/0178). Die Kaufkraftausgleichszulage dient somit keineswegs dazu, nur den hier in Rede stehenden Mehraufwand für Verpflegung abzugelten. In welcher Höhe und Gewichtung die gegenständlich strittigen Aufwendungen in die Berechnung der Kaufpreisparität Eingang gefunden haben, wurde im angefochtenen Bescheid nicht festgestellt. Ein Preisunterschied von lediglich 6 % (geht man vereinfachend davon aus, dass diese Differenz auch für die gegenständlich relevante Warengruppe unterstellt werden kann) ist jedenfalls nicht als erheblich im Sinne der Rechtsprechung zu betrachten.

3.2. Auslandstagessatz laut RGV

Hinweis: Die (niedrigeren) Gebührenstufen 1 bis 2b für Bundesbedienstete waren bislang in der Privatwirtschaft ohne Bedeutung (vgl § 26 Z 4 lit d und e EStG) und in Rz 1405 LStR 2002 ist daher nur die Höchststufe 3 der Tages- und Nächtigungsgelder laut Reisegebührenvorschrift abgedruckt.

Da die festgelegten Auslandstagegelder der (höchsten) Gebührenstufe 3 für alle Länder höher sind als das inländische Tagesgeld von € 26,40, kann nach Ansicht des beschwerdeführenden Finanzamts nicht vom Tagesgeldsatz allein auf einen erheblichen Kaufkraftunterschied geschlossen werden, weil sonst angenommen werden müsste, dass Österreich im Ergebnis die niedrigste Kaufkraft unter allen diesen Ländern aufweisen würde (siehe auch Rz 313 LStR 2002).

Auch die Tagessätze für Auslandsreisen nach der RGV 1955 lassen - so der VwGH - mit ihrer Staffelung nach Gebührenstufen verlässliche Aussagen über das Vorliegen unterschiedlicher Preisniveaus im In- und Ausland nicht ohne Weiteres zu. Die Annahme der belangten Behörde, der erhebliche Kaufkraftunterschied komme in typisierender Betrachtungsweise an Hand der Höchstsätze der Auslandsreisesätze für Bundesbedienstete zum Ausdruck, ist nicht mit der allgemeinen Lebenserfahrung in Einklang zu bringen. Dass Österreich das Land mit den niedrigsten Verpflegungskosten weltweit sei, trifft augenscheinlich nicht zu.

Aufwendungen für die Verpflegung sind grundsätzlich nicht abzugsfähige Aufwendungen der Lebensführung. Der Abzug solcher Aufwendungen als Werbungskosten stellt die Ausnahme dar und kann jedenfalls nur insoweit erfolgen, als der Mehraufwand unvermeidbar ist. Die Staffelung der Tagesgebühren nach Gebührenstufen bei Auslandsreisen ist Ausfluss der dienst- und besoldungsrechtlichen Stellung (vgl § 3 Abs 1 RGV 1955 idF vor dem Budgetbegleitgesetz 2011). Für einen Vergleich der Auslandstagessätze mit dem Inlandstagessatz bietet sich daher allenfalls die niedrigste Gehaltsstufe an, kann doch davon ausgegangen werden, dass auch Beamte, die nach § 3 Abs 1 RGV 1955 (hier: in der bis zum 31. 12. 2010 geltenden Fassung) in die niedrigste Gebührenstufe einzureihen gewesen wären, noch Tagessätze in einer Höhe erhalten, welche den unvermeidbaren Verpflegungsmehraufwand abdecken.

Im Beschwerdefall liegt der Tagessatz der Gebührenstufe 1 für Deutschland mit € 22,50 unter dem Inlandstagessatz von € 26,40. (Bescheid aufgehoben)

Anmerkung:

Zur bislang nicht einheitlichen Rechtsprechung zur gegenständlichen Rechtsfrage siehe zB UFS 13. 1. 2012, RV/0013-F/10, ARD 6224/8/2012, bzw zuletzt BFG 23. 6. 2015, RV/7100442/2011, ARD 6469/18/2015.

Fraglich scheint weiterhin, wie hoch der Unterschiedswert sein muss, um einen anzuerkennenden Kaufkraftunterschied zu bewirken. (Sabine Sadlo)

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20471 vom 29.10.2015