News

Kein Schadenersatz bei vorzeitigem Austritt nach Diskriminierung

Bearbeiter: Manfred Lindmayr

GlBG § 12 Abs 7

Tritt eine Arbeitnehmerin nach einer sexuellen Belästigung berechtigt aus dem Dienstverhältnis aus, hat sie keinen Anspruch auf immateriellen Schadenersatz gegen den Arbeitgeber wegen „diskriminierender Kündigung“ gemäß § 12 Abs 7 GlBG. Der eindeutige Wortlaut des § 12 Abs 7 GlBG lässt keine Ausweitung des Anspruchs auf immateriellen Schadenersatz auf Fälle einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer zu. Ein Analogieschluss zu § 12 Abs 7 GlBG in Bezug auf eine arbeitnehmerseitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist nicht gerechtfertigt, weil aufgrund der im Gesetz hergestellten Beziehung zwischen Anfechtung und alternativem Schadenersatz ein Versehen des Gesetzgebers gerade nicht unterstellt werden kann.

OGH 17. 8. 2016, 8 ObA 47/16v

Sachverhalt

Die Klägerin ist aufgrund einer massiven sexuellen Belästigung aus dem Arbeitsverhältnis berechtigt vorzeitig ausgetreten. Der Belästiger wurde aufgrund der Vorfälle zu einem immateriellen Schadenersatz gemäß § 12 Abs 11 GlBG in Höhe von € 3.500,- verurteilt.

Mit ihrer Klage begehrt sie nun auch vom Arbeitgeber immateriellen Schadenersatz wegen „diskriminierender Kündigung“ gemäß § 12 Abs 7 GlBG. Das Berufungsgericht bejahte zwar das Vorliegen einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts nach § 3 Z 7 GlBG, verneinte aber die Zuerkennung eines immateriellen Schadenersatzes nach § 12 Abs 7 GlBG, weil ein solcher Anspruch nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber voraussetze. Die dagegen erhobene außerordentliche Revision wurde nun vom OGH zurückgewiesen:

Diskriminierung bei Beendigung des DV

Ist das Arbeitsverhältnis vom/von der Arbeitgeber/in wegen des Geschlechtes des/der Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin oder wegen der nicht offenbar unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen nach diesem Gesetz gekündigt oder vorzeitig beendigt worden oder ist das Probearbeitsverhältnis wegen eines solchen Grundes aufgelöst worden, so kann die Kündigung, Entlassung oder Auflösung des Probearbeitsverhältnisses bei Gericht angefochten werden. Ist ein befristetes, auf die Umwandlung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis angelegtes Arbeitsverhältnis wegen des Geschlechtes des/der Arbeitnehmers/in oder wegen der nicht offenbar unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen nach diesem Gesetz durch Zeitablauf beendet worden, so kann auf Feststellung des unbefristeten Bestehens des Arbeitsverhältnisses geklagt werden. Lässt der/die Arbeitnehmer/in die Beendigung gegen sich gelten, so hat er/sie Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens und auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. (§ 12 Abs 7 GlBG)

Keine Analogie geboten

Nach der RL 2006/54/EG müssen die Mitgliedstaaten der Europäischen Union bei einer Verletzung des Diskriminierungsverbots wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen vorsehen. Demnach haben die Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen, dass der einer Person durch eine Diskriminierung zugefügte Schaden tatsächlich und wirksam ausgeglichen und angemessen ersetzt wird. Diese Vorgaben wurden in Österreich mit dem Gleichbehandlungsgesetz umgesetzt. § 12 Abs 7 GlBG räumt dem betroffenen Arbeitnehmer ein Wahlrecht ein: Er kann eine diskriminierende Kündigung bzw Entlassung entweder gerichtlich anfechten oder aber den Schaden (Vermögensschaden und immateriellen Schaden für die erlittene persönliche Beeinträchtigung) aus der diskriminierenden Beendigung geltend machen. Nach den Gesetzesmaterialien handelt es sich bei der mit einer erfolgreichen Anfechtung verbundenen Wiederherstellung des Arbeitsverhältnisses um die Herstellung des diskriminierungsfreien Zustands im Sinn einer Naturalrestitution gemäß § 1323 ABGB.

Mit Bezug auf den Anlassfall hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass der Wortlaut des § 12 Abs 7 GlBG eindeutig sei. Damit spricht das Berufungsgericht die Grenzen der richtlinienkonformen Interpretation an. In dieser Hinsicht verweist der EuGH auf den Methodenkatalog des nationalen Rechts. Die Pflicht zur richtlinienkonformen Interpretation reicht somit grundsätzlich bis zur Grenze der äußersten Wortlautschranke, erstreckt sich aber zudem auf die nach dem innerstaatlichen interpretativen Methodenkatalog zulässige Rechtsfortbildung durch Analogie oder teleologische Reduktion im Fall einer planwidrigen Umsetzungslücke.

Der eindeutige Wortlaut des § 12 Abs 7 GlBG lässt keine Ausweitung des Anspruchs auf immateriellen Schadenersatz auf Fälle einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer zu. Das Berufungsgericht hat in dieser Hinsicht zutreffend auf das vom Gesetz angeordnete Wahlrecht des Arbeitnehmers und darauf hingewiesen, dass die primär vorgesehene Anfechtungsmöglichkeit des Arbeitnehmers zwingend eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber voraussetzt.

Für einen von der Klägerin geforderten Analogieschluss wäre eine planwidrige Gesetzeslücke erforderlich. Eine echte Gesetzeslücke ist eine planwidrige Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechts, gemessen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung. Das Gesetz ist in einem solchen Fall, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, ergänzungsbedürftig, ohne dass die Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Eine solche Unvollständigkeit liegt jedoch nur dann vor, wenn eine anzuwendende Rechtsvorschrift zwar vorhanden, aber in einer bestimmten Richtung nicht präzisiert ist. Ein Analogieschluss zu § 12 Abs 7 GlBG in Bezug auf eine arbeitnehmerseitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist nicht gerechtfertigt, weil aufgrund der im Gesetz hergestellten Beziehung zwischen Anfechtung und alternativem Schadenersatz ein Versehen des Gesetzgebers gerade nicht unterstellt werden kann.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 22323 vom 20.09.2016