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KSchG – „Gründungsprivileg“

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

KSchG: § 1

Geschäfte, die eine natürliche Person vor Aufnahme des Betriebs ihres Unternehmens zur Schaffung der Voraussetzungen dafür tätigt, gehören gem § 1 Abs 3 KSchG noch nicht iSd § 1 Abs 1 Z 1 KSchG zu diesem Betrieb. Dieses „Gründungsprivileg“ steht nur natürlichen Personen zu und nicht juristischen Personen (hier: GmbH). Selbst wenn den Gründungsgesellschaftern der GmbH Verbrauchereigenschaft zukommen würde, könnte dies nicht dazu führen, dass auch die GmbH als Verbraucherin zu behandeln wäre.

OGH 23. 5. 2019, 6 Ob 82/19f

Ausgangsfall

Gegenstände der verbundenen Verfahren sind einerseits die restliche Kaufpreisforderung für die Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen an die Erstbeklagte, eine GmbH, (Zweit- und Drittbeklagte sind offensichtlich die Gründungsgesellschafter dieser GmbH) und andererseits der Anspruch dieser GmbH auf Rückzahlung des Kaufpreisteils, der für diese Abtretung bereits geleistet worden war, sowie der Ersatz behaupteter Schäden.

Die Vorinstanzen verneinten die Verbrauchereigenschaft der Beklagten und gelangten davon ausgehend zu der Auffassung, die im Vertrag vereinbarten Einschränkungen der Gewährleistung und des Schadenersatzes sowie der Ausschluss der laesio enormis seien wirksam.

Die Revision der erstbekl GmbH wurde vom OGH zurückgewiesen (die Revision der zweit- und drittbekl Gesellschafter war jedenfalls unzulässig, weil sie nicht Parteien des verbundenen Verfahrens sind und auch nicht als Nebenintervenienten zugelassen wurden).

Die Erstbeklagte ist als GmbH Unternehmerin kraft Rechtsform (§ 2 UGB) und das „Gründungsprivileg“ des § 1 Abs 3 KSchG steht nur natürlichen Personen zu (RS0065176 [T2]; 6 Ob 314/02y = RdW 2003/543). Auch die Verbrauchereigenschaft von Gesellschaftern einer GmbH ist durch die Judikatur bereits hinreichend geklärt (vgl RS0065238; 6 Ob 14/18d, Rechtsnews 25426 = RdW 2018/380; Mann-Kommenda in Zak 2016/613) und auch eine gegenteilige Auffassung zur Verbrauchereigenschaft des Zweit- und des Drittbeklagten könnte nicht dazu führen, dass auch die erstbeklagte GmbH als Verbraucherin zu behandeln wäre.

Von dieser Rsp abzugehen bietet der vorliegende Fall keinen Anlass. Juristische Person und Gesellschafter sind verschiedene Rechtssubjekte und sind daher auseinanderzuhalten (vgl 6 Ob 210/15y, Rechtsnews 21244 = RdW 2016/191).

Zudem verweist der OGH darauf, dass Zweit- und Drittbeklagter über mehrjährige Berufserfahrung im Bereich Finanzwesen und Controlling bzw Management verfügen. Sie sind selbstständig vertretungsbefugte Geschäftsführer und planten bereits seit dem Jahr 2012, sich selbstständig zu machen, eine „Firma“ zu gründen und mit dieser die Zielgesellschaft zu übernehmen. In der Folge verhandelten sie mit dem Kl längere Zeit im Detail über den Kaufpreis, unterzeichneten Absichtserklärungen und gingen mit dem Kl eine 120 Punkte umfassende Due-Diligence-Liste durch. Die Gründung der Erstbeklagten erfolgte aufgrund einer Entscheidung des Zweit- und des Drittbeklagten.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 27475 vom 24.06.2019