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Leistungskondiktion: Wissenszurechnung Bank - Kundenbetreuer

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

ABGB: § 1313a, § 1432

Eine Leistungskondiktion gem § 1431 ABGB nach einer rechtsgrundlos erbrachten Leistung ist gem § 1432 ABGB ua dann nicht möglich, wenn der Leistende weiß, dass er zur Leistung nicht verpflichtet ist. Bei einer rechtsgrundlosen Leistung durch einen Gehilfen wird für die Wissenszurechnung allgemein darauf abgestellt, dass der Gehilfe tatsächlich mit der betreffenden Angelegenheit befasst war und mit dem Willen des Geschäftsherrn tätig geworden ist. Überschreitet der Gehilfe seinen Aufgabenkreis in einer solchen Weise, dass der Zusammenhang zur Betrauung durch den Geschäftsherrn zu verneinen ist, so handelt er nicht mehr für diesen und kann diesem daher auch sein Wissen nicht mehr ohne weiteres zugerechnet werden.

In den Aufgabenbereich des Kundenbetreuers einer Bank fällt es zweifellos nicht, wenn er - unter Umgehung der internen Sicherungsmaßnahmen - ohne Wissen eines Bankkunden (in Überschreitung der Vollmacht dieses Kunden) für diesen Finanzgeschäfte vornimmt und Gewinne aus diesen Geschäften auf das Konto des Kunden verbucht. Bei diesen Gutschriften aus den nicht autorisierten Geschäften handelt es sich um rechtsgrundlos erbrachte Zahlungen der Bank, die diese vom Bankkunden zurückfordern kann: Das strafbare Verhalten des Kundenbetreuers kann ihr nämlich nicht iS einer bewussten Zahlung einer Nichtschuld zugerechnet werden, weil der Kundenbetreuer mit diesen Geschäften seinen Aufgabenkreis in einer solchen Weise überschritten hat, dass der Zusammenhang zu seiner Betrauung durch den Geschäftsherrn zu verneinen ist.

OGH 15. 6. 2016, 7 Ob 92/16d

Sachverhalt

Die Kl bietet in ihrem Portfolio von Finanzdienstleistungen ua Derivatgeschäfte an. Der Bekl war über einen Zeitraum von mehreren Jahren Kunde der Kl und nahm auch deren Dienstleistungen im Rahmen von Privatgeschäften in Anspruch. Dabei wurde er von dem bei der Kl angestellten Kundenbetreuer beraten und betreut.

Entgegen den Vereinbarungen mit dem Bekl schloss der Kundenbetreuer zahlreiche Optionsgeschäfte, zu denen ihn der Bekl nicht beauftragt hatte und über die er den Bekl auch nicht informierte. Aus diesen Finanzgeschäften wurden dem Konto des Bekl abzüglich der damit verbundenen Ausübungskosten und Spesen Gewinne von insgesamt 983.429,33 € gutgeschrieben. Die Geschäfte, denen die jeweiligen Zu- und Abgänge zuzuordnen waren, kannte der Bekl nicht.

Nach strafrechtlicher Verurteilung des Kundenbetreuers (wegen wissentlichen Missbrauchs der ihm eingeräumten Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen; mit einem Vermögensnachteil für die Kl iHv mehr als 50.000 €) begehrt die Kl nun vom bekl Kunden die Zahlung dieser Gutschriften (unter Aufrechnung mit einem Guthaben; Klagsbetrag daher 745.804,60 € sA). Dieser Zuwachs im Vermögen des Bekl habe keine rechtsgeschäftliche Grundlage, die den Prämienzahlungen der Kl an den Bekl zugrunde liegenden Geschäfte seien von ihm nicht beauftragt worden. Der Bekl sei in diesem Umfang ungerechtfertigt bereichert.

Das ErstG wies das Klagebegehren ab. Dieses Urteil wurde vom BerufungsG aufgehoben und zur Verfahrensergänzung an das ErstG zurückverwiesen: Es ging davon aus, dass die Kl gem § 1431 ABGB zur Rückforderung berechtigt ist und ihr als Geschäftsherrin - in analoger Anwendung der Grundsätze der Gehilfenhaftung nach § 1313a ABGB auf die Wissenszurechnung nach § 1432 ABGB - das Wissen ihres Mitarbeiters nicht zugerechnet werden könne, wenn er - wie hier - in Überschreitung der ihm eingeräumten Vollmachten nicht autorisierte Geschäfte über Kundenkonten abwickelte.

Der OGH gab dem dagegen erhobenen Rekurs nicht Folge.

Entscheidung

Kein Nachteilsausgleich

Der Bekl erhob im erstinstanzlichen Verfahren auch eine „Gegenforderung von 455.512,44 €“, die er damit begründete, dass er vom Kundenbetreuer der Kl zu Optionsgeschäften veranlasst worden sei, die er ohne die eingegangenen Prämien nicht getätigt hätte, sodass er die daraus entstandenen Verluste der Klagsforderung aufrechnungsweise entgegenhalte.

Damit bezieht sich der Bekl nicht auf ein (rechtswidriges und schuldhaftes) Verhalten der Kl, sondern macht nur geltend, dass ihm aufgrund der irrtümlichen Gutbuchungen nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile entstanden seien. Dieser begehrte Nachteilsausgleich steht dem Bekl aber nach Ansicht des OGH nicht zu: In Lehre und Rsp werde für einen solchen Nachteilsausgleich ein strenger Maßstab gefordert - soweit dieser nicht überhaupt abgelehnt wird. Für die ausschließlich auf Billigkeitserwägungen beruhende Zuerkennung eines solchen Nachteilsausgleichs seien ausgehend von den Umständen des Einzelfalls nach übereinstimmender Ansicht ua die Schutzwürdigkeit des Empfängers und das Gewicht einer für ihn gegebenen Rückzahlungsverpflichtung maßgebend (vgl RIS-Justiz RS0033697 oder RS0033818). Das Risiko der Fehlinvestition der - aus den nicht autorisierten Geschäften erhaltenen - Prämienzahlungen hat der Bekl nach Ansicht des OGH selbst zu tragen.

Für die Ermittlung der Klagsforderung bedarf es - so der OGH - daher nur der Feststellungen zu den Prämiengutbuchungen aus den vom Bekl nicht beauftragten Geschäften und den Spesen, die für diese Geschäfte verrechnet wurden. Die Bereicherung ergibt sich dann aus den Prämienzahlungen abzüglich der Spesen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 22266 vom 07.09.2016