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Lenkerschutzversicherung: Deckung von Schäden beim Aussteigen?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

ABGB: §§ 914 f

LSV: Art 1

Nach Art 1 LSV sind Personenschäden des berechtigten Lenkers versichert, die durch einen Unfallbeim Lenken des versicherten Fahrzeuges“ entstanden sind. Es sind nur solche Gefahren abgesichert, die unmittelbar durch das Lenken des Kraftfahrzeugs entstehen. Demnach sind beispielsweise Schäden, die beim Ein- oder Aussteigen auftreten, grds nicht vom Versicherungsschutz umfasst. Kommt ein versichertes Fahrzeug unfallbedingt zum Stillstand und verletzt sich dessen Lenker beim Aussteigen jedoch aufgrund der mit der Endlage verbundenen besonderen Gefahrensituation, ist der Unfall „beim Lenken des versicherten Fahrzeuges“ erfolgt und von der Lenkerschutzversicherung gedeckt.

OGH 25. 5. 2016, 7 Ob 37/16s

Sachverhalt

Der Kl rutschte mit dem Fahrzeug nach einer Kollision mit einem abgestellten Pkw in eine rechts außerhalb der Fahrbahn befindliche Brunnenanlage und blieb mit der Bodengruppe auf dem äußerst unebenen, den Brunnen begrenzenden Naturstein hängen. Als das Fahrzeug zum Stillstand kam, war der Kl weder verletzt noch bewusstlos. Er öffnete den Sicherheitsgurt und wollte bei der Fahrertür aussteigen. Da das Bodenniveau außerhalb des Fahrzeugs tiefer als erwartet war, stolperte er und stürzte in den Brunnen. Dabei schlug er mit dem Kopf frontal und ungebremst auf einem Stein auf, wodurch er eine schwere Schädelverletzung erlitt.

Der OGH bejahte mit der im Leitsatz ersichtlichen Begründung die Versicherungsdeckung im Rahmen der Lenkerschutzversicherung.

Entscheidung

Nach der Bedingungslage besteht Versicherungsschutz nur für Personenschäden des Lenkers, die durch einen Unfall beim Lenken des versicherten Fahrzeugs“ entstanden sind. Ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer geht nach Ansicht des OGH davon aus, dass der Lenkvorgang mit dem - auf dem freien Willen des Lenkers beruhenden - Abstellen des Fahrzeugs abgeschlossen ist, weil dann die unmittelbar mit dem Lenken des Fahrzeugs verbundene besondere Gefahrenlage nicht mehr besteht.

Zu prüfen war im vorliegenden Fall aber kein üblicher Aussteigevorgang, sondern ein Aussteigen aus einem Fahrzeug nach einer Kollision in einer unfallbedingten Endlage an exponierter Stelle, die nicht zum Abstellen eines Fahrzeugs geeignet ist. Das Aussteigen war dadurch mit besonderen Gefahren verbunden. Gerade dieses erhöhte Gefahrenmoment hat zum Sturz des Kl und seinen Verletzungen geführt.

Damit besteht nach Ansicht des OGH ein untrennbarer Zusammenhang zwischen dem Lenken eines Fahrzeugs und dem Unfall. Die mit dem Lenken verbundene erhöhte Gefahrenlage ist in diesem Fall nach dem Versicherungszweck erst nach dem Verlassen des Kraftfahrzeugs beendet. Ein Unfall beim Aussteigen unter diesen Umständen genießt daher Versicherungsschutz.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21840 vom 21.06.2016