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Manipulation des digitalen Kontrollgeräts durch LKW-Lenker – Haftung des Arbeitgebers

Bearbeiter: Manfred Lindmayr

AZG § 17a

Der Arbeitgeber eines Berufskraftfahrers hat dafür Sorge zu tragen, dass der Lenker all seinen Verpflichtungen bezüglich des digitalen Kontrollgerätes nachkommt, insbesondere auch das Verbot der Manipulationen des Kontrollgeräts beachtet. Das Fehlen eines Kontroll- bzw Überwachungssystems, das dem Arbeitgeber eine Übersicht darüber verschafft, wo sich die Fahrzeuge zu einem konkreten Zeitpunkt gerade befinden bzw ob die von seinen Fahrern gelenkten LKW gerade in Bewegung sind, erleichtert eine Manipulation des digitalen Kontrollgeräts (hier: durch Anbringen eines Magneten am Getriebesensor des Fahrzeugs), die dafür sorgt, dass weder gefahrene Kilometer noch Fahrbewegungen aufgezeichnet werden.

VwGH 18. 8. 2015, Ro 2015/11/0003

Sachverhalt

Bei einer Kontrolle wurde festgestellt, dass der Lenker eines LKW am Getriebesensor des Fahrzeugs, der zum digitalen Kontrollgerät führt, einen Magneten angebracht hat, wodurch weder die Lenkzeit noch die gefahrenen Kilometer aufgezeichnet wurden. Der Lenker hatten den LKW ohne Wissen des Dienstgebers privat genutzt und wäre sich die aufgetragene Tour mit dem Anfahrtsweg von seiner Wohnung zum Firmengelände, wo der LKW beladen wurden, in der höchstzulässigen Lenkzeit nicht ausgegangen. Daher hat er durch das Anbringen des Magneten das digitale Kontrollgerät so manipuliert, dass die Fahrt zum Betriebsgelände (Fahrzeit 15 bis 20 Minuten, 18 Kilometer Wegstrecke) als Ruhezeit aufgezeichnet wurde. Auf diesem Weg wurde er zur Kontrolle angehalten und die Manipulation entdeckt.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis des LVwG wurde das erstinstanzliche Straferkenntnis gegen den Geschäftsführer der Dienstgeber-Gesellschaft des Lenkers aufgehoben. Dem Geschäftsführer sei dahingehend Glauben zu schenken, dass er vom Auflegen des Magneten an dem LKW sowie von der Privatfahrt nichts gewusst habe. In Ermangelung konkreter Verdachtsmomente habe er mit einem derartigen Verhalten des Lenkers auch nicht rechnen müssen.

Dagegen richtet sich die Amtsbeschwerde des BMASK, die vom VwGH zugelassen wurde, weil es noch keine Rechtsprechung des VwGH zur Frage gibt, inwieweit der Arbeitgeber die ordnungsgemäße Verwendung des digitalen Kontrollgerätes gemäß § 17a AZG gewährleisten muss. Die Revision ist auch begründet.

Privatfahrt gehört zur Lenkzeit

Zunächst hegt der VwGH keine Bedenken dagegen, dass die in Rede stehende „Privatfahrt“ des Lenkers von seiner Wohnung im 12. Wiener Gemeindebezirk zum Gelände der T**** im 22. Wiener Gemeindebezirk der Verordnung (EG) Nr 561/2006 vom 15. 3. 2006 [über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr] unterliegt, weil eine Beförderung im Straßenverkehr gemäß Art 4 lit a VO (EG) 561/2006 vorliegt und zur Gesamtlenkzeit bzw Tageslenkzeit im Sinne der Verordnung alle Zeiten gehören, in denen der VO (EG) 561/2006 sowie auch der VO (EWG) 3821/85 unterliegende LKW von ihren Fahrern im Straßenverkehr bewegt werden (vgl dazu das noch zur VO (EWG) 3820/85 ergangene Erkenntnis VwGH 27. 11. 2001, 99/11/0180, ARD 5331/10/2002).

Verbot von Manipulationen am Kontrollgerät

Vorauszuschicken ist weiters, dass es im Revisionsfall nicht um die in § 17a Abs 1 erster Satz AZG umschriebenen Verpflichtungen des Arbeitgebers geht, den Lenker ausreichend und nachweislich in der Handhabung des digitalen Kontrollgerätes zu unterweisen oder die ausreichende Unterweisung nachweislich sicherzustellen. Der Tatvorwurf des vom Verwaltungsgericht aufgehobenen Straferkenntnisses bezog sich ausschließlich auf § 17a Abs 1 zweiter Satz AZG, und nur auf dessen Z 2.

Nach dieser Bestimmung iVm dem darin (ebenfalls) verwiesenen Art 15 Abs 8 VO (EG) 3821/85 hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass der Lenker all seinen Verpflichtungen bezüglich des digitalen Kontrollgerätes nachkommt, insbesondere das Verbot der Verfälschung, Unterdrückung oder Vernichtung von Aufzeichnungen auf dem Schaublatt, des Speicherinhalts des Kontrollgeräts bzw der Fahrerkarte sowie der von dem Kontrollgerät gemäß Anhang I B ausgedruckten Dokumente (Art 15 Abs 8 erster Satz der VO (EG) 3821/85) beachtet. Dies gilt in gleicher Weise für das Verbot von Manipulationen am Kontrollgerät, am Schaublatt oder an der Fahrerkarte, durch die die Aufzeichnungen und/oder die ausgedruckten Dokumente verfälscht, unterdrückt oder vernichtet werden können (Art 15 Abs 8 zweiter Satz der VO (EG) 3821/85), sowie für das Gebot, dass im Fahrzeug keine Einrichtung vorhanden sein darf, die zu diesem Zweck verwendet werden kann (Art 15 Abs 8 dritter Satz der VO (EG) 3821/85).

Kein Überwachungssystem installiert

Die Gewährleistung der Einhaltung der sich aus der genannten Verordnung ergebenden Verpflichtung trifft den Arbeitgeber (den Verantwortlichen gemäß § 9 Abs 1 VStG bzw den verantwortlich Beauftragten gemäß § 9 Abs 2 oder 3 VStG) nicht erst – wie der Geschäftsführer und das Verwaltungsgericht offenbar vermeinen – aufgrund konkreter Anlassfälle, sondern er hat von vornherein sicherzustellen, dass diese Verpflichtungen eingehalten werden. Der Arbeitgeber hat daher insbesondere zu gewährleisten, dass alle der VO (EG) 561/2006 sowie auch der VO (EWG) 3821/85 unterliegenden Fahrten registriert und korrekt aufgezeichnet werden. Die Argumentation des Geschäftsführers, mangels eines konkreten Anlassfalles noch kein Kontrollsystem im Hinblick auf die Einhaltung von Art 15 Abs 8 VO (EWG) 3821/85 eingerichtet zu haben, zeigt ein Verkennen der Rechtslage auf.

Der Geschäftsführer hat nicht dargetan, dass er überhaupt ein Kontrollsystem verwendet, das darauf gerichtet ist, Manipulationen am digitalen Kontrollgerät hintanzuhalten. Eine Manipulation wie im vorliegenden Fall, die dafür sorgt, dass weder gefahrene Kilometer noch Fahrbewegungen am digitalen Kontrollgerät aufgezeichnet werden, wird vor allem dadurch erleichtert bzw begünstigt, dass der Geschäftsführer als verantwortlicher Vertreter des Arbeitgebers kein Überwachungssystem verwendet, das ihm die Übersicht darüber verschafft, wo sich seine Fahrzeuge zu einem konkreten Zeitpunkt gerade befinden bzw ob die von seinen Fahrern gelenkten LKW gerade in Bewegung sind. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass ein Kontrollsystem vorläge, das ein geeignetes Sanktionsystem bei Zuwiderhandeln des Arbeitnehmers enthält.

Damit kann aber auf der Grundlage der Sachverhaltsannahmen des Verwaltungsgerichts nicht davon die Rede sein, dass der Geschäftsführer seinen aus § 17a Abs 1 zweiter Satz Z 2 AZG iVm Art 15 Abs 8 VO (EWG) 3821/85 erfließenden Verpflichtungen nachgekommen wäre. Da sich die Aufhebung des Straferkenntnisses somit als rechtswidrig erweist, war das angefochtene Erkenntnis aufzuheben.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20242 vom 18.09.2015